Nachruf Professor Dr. Günter Renner, Ausländer und Zuwanderung in Deutschland, Beck, Nomos, ZAR, Hai

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Zum Tode von Günter Renner +, Nachruf von Kay Hailbronner und Jürgen Haberland

Am 19. August 2005 wurde Günter Renner plötzlich im Alter von 66 Jahren und unerwartet aus seinem Leben gerissen, das von Arbeitsfreude und rastloser Tätigkeit geprägt war. Die Nachricht von seinem Tod hat alle erschüttert, die ihn kannten und die mit ihm - vielfach über Jahrzehnte - gut zusammengearbeitet haben.

Günter Renner war Schlesier. Er wurde am 25. April 1939 in dem kleinen niederschlesischen Ort Schmottseiffen im Kreis Löwenberg (Niederschlesien) als Sohn der Schumachermeisters Josef Renner und dessen Frau Franziska geboren. Schmottseiffen, das heute Plawna heißt, hatte damals rd. 1.800 Einwohner. Schon im Kindesalter wurde Günter Renner das Opfer von Krieg und Vertreibung. Er fand eine neue Heimat in Hessen und erlebte schon früh, was es bedeutet, sich in einer anfänglich fremden Umgebung zurechtfinden und behaupten zu müssen. Er besuchte die Melanchtonschule im Steinatal und legte 1959 sein Abitur an der Augustinerschule in Friedberg ab. Er leistete danach einen auf 18 Monate verlängerten Wehrdienst und studierte anschließend Rechtswissenschaften in Frankfurt und in Berlin.

Der Richter

Seine richterliche Tätigkeit begann Günter Renner unmittelbar nach seinem zweiten Staatsexamen als Richter auf Probe bei dem Landgericht Frankfurt. In dieser Zeit war er mit dem Kaufhausbrandprozess befasst, der bundesweit Aufsehen erregte. Von Oktober 1971 bis September 1973 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin. Im Jahre 1973 wechselte er zum Verwaltungsgericht Frankfurt. Von dort aus wurde er im Jahre 1977 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Bundesverfassungsgericht abgeordnet. In dieser Eigenschaft gehörte er dem so genannten Dritten Senat dieses Gerichts an, dessen Wirken in der Gedächtnisschrift für F. G. Nagelmann (1984) bezeugt wird.Günter Renner hat dazu einen humorvollen Beitrag mit dem Titel ?Wanderungsbewegungen - oder: Ein Menschheitsschicksal?? geleistet . Im April 1981 erfolgte seine Ernennung zum Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Im August 1987 wurde er dort zum Vorsitzenden Richter bestellt. Bis zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand ? kurz nach seinem 40. Dienstjubiläum - bei Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze im Jahre 2004 leitete er den 12.  Senat, der mit Fragen des Staatsangehörigkeits-, des Ausländer- und Asylrechts befasst ist.

Der Wissenschaftler

Günter Renner war ein profunder Kenner der gesamten Materie des Ausländer-, Asyl-, Zuwanderungs- und Staatsangehörigkeitsrechts. Seine umfassenden Kenntnisse hat er in vielfältiger Form an andere weitergegeben. Neben seiner Tätigkeit als Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof hielt Günter Renner von 1984 bis 1988 Vorlesungen an der Verwaltungsfachhochschule des Landes Hessen in Kassel in den  Bereichen Staatsangehörigkeits-, Personenstands- und Ausländer-recht. Im Alter von 57 Jahren wurde er bei Professor Otto Kimminich mit einer Arbeit über Einreise und Aufenthalt von Ausländern nach dem in Deutschland geltenden Recht mit magna cum laude zum Dr. jur. promoviert. Seine zweibändige Dissertation wurde zur Grundlage seines Lehrbuchs Ausländerrecht in Deutschland, das im C. H. Beck-Verlag im Jahre 1998 erschien. Im Wintersemester 1997 erhielt er einen Lehrauftrag an der Philipps-Universität zu Marburg. Er vertrat dort die Bereiche Europäisches und nationales Ausländerrecht.  Mit der Antrittsvorlesung ?Schutz von Ehe und Familien von Zuwanderern? wurde er im Jahr 2003 zum Honorarprofessor ernannt und hielt fortan einmal wöchentlich Vorlesungen oder veranstaltete Blockseminare.

Der Autor

Neben seiner richterlichen Tätigkeit war Günter Renner in beeindruckender Weise wissenschaftlich tätig. Schier unübersichtlich die Liste der Publikationen, die aus seiner Feder stammen. Seit 1988 wirkte er als Mitautor an dem Kommentar zum Ausländergesetz von Werner Kanein (C. H. Beck) mit, den er nach dessen Tod allein weiterführte. Er war für fünf Auflagen dieses Standardwerks verantwortlich, dessen 8. Auflage in  diesen Wochen erscheint. Der Autor hat das Ergebnis seiner letzten großen Arbeit nicht mehr gesehen.

Zusammen mit Kay Hailbronner verfasste er einen umfangreichen Kommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, dessen vierte Auflage in diesem Jahr bei C. H. Beck erschienen ist. Er war außerdem Herausgeber mehrerer Textsammlungen, denen er jeweils sehr instruktive Einführungen voranstellte. Die von ihm bearbeitete 20. Auflage der Textsammlung Deutsches Ausländerrecht (C. H. Beck), die im August dieses Jahres erschien, hat er gleichfalls nicht mehr gesehen.

Günter Renner hat in einer Vielzahl von Zeitschriften (u. a. ZAR, NJW, NWvZ, NJ) Aufsätze und Rezensionen veröffentlicht. Allein das 20-Jahresregister dieser Zeitschrift aus dem Jahre 2001 (1981 bis 2000) weist neben einer Vielzahl von Abhandlungen und Urteilsanmerkungen rd. 100 Rezensionen aus seiner Feder aus. Charakteristisch für seine wissenschaftlichen Aufsätze war neben seiner profunden, durch die richterliche Erfahrung geprägten Sachkenntnis eine Klarheit im Ausdruck und eine kritische Distanz, die er gelegentlich ironisch-humorvoll in seinem Pseudonym ?Tachydromas? deutlich machte.

Der Herausgeber und Schriftleiter

Bei der Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik war Günter Renner von der ersten Stunde an dabei. Schon bei den ersten Gesprächen um die Gründung dieser Zeitschrift war er der vorausschauende Ideengeber. Die Funktion des Schriftleiters wurde daraufhin ihm übertragen. Er war vom ersten Heft (Oktober 1981) an die Seele des ganzen Unternehmens. Er war auch der Kopf des Ganzen. Anfang 1989 trat er in den Kreis der Herausgeber ein.  Beide Funktionen hat er bis zu seinem Tode ausgeübt. Ihm gelang es immer wieder, vielfältige Kontakte zu knüpfen und auszubauen, um so Autoren zu gewinnen. Wurden ihm einmal unvollkommene Manuskripte vorgelegt, so brachte er viel Geduld auf und opferte viel Zeit, um aus dem vorliegenden Text in kurzer Zeit eine druckfertige Vorlage zu zaubern. Günter Renner war auch für die technische Vorbereitung der Produktion der Zeitschrift verantwortlich und hat hier mit bewundernswerter Perfektion gearbeitet. Die Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik verdankt ihr Erscheinen über 25 Jahre und ihr Ansehen im Wesentlichen dem unermüdlichen Wirken von Günter Renner. Seit 1981 war er zusätzlich  Mitarbeiter und später verantwortlicher Herausgeber der Entscheidungssammlung zum Ausländer- und Asylrecht (EZAR), die nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes nunmehr als Entscheidunksammlung zum Zuwanderungs-, Asyl- und Freizügigkeits-recht in neuer Folge  (EZARNF) erscheint. Es wird nicht leicht sein, einen Nachfolger zu finden, der den hohen Maßstäben gerecht wird, die der so früh Verstorbene in mehr als einem Vierteljahrhundert gesetzt hat.


Der Ratgeber

Günter Renner war ein viel gefragter Ratgeber. Er arbeitete mit an dem Gemeinsamen Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht ? ... und der Fremdling, der in deinen Toren ist.? (1993 bis 1998). Als Beratendes Mitglied der Kommission XIV (Weltkirche und Migration) der Deutschen Bischofskonferenz (seit 1997) hatte er großen Anteil an der Erarbeitung immigrationspolitischer Stellungnahmen der deutschen katholischen Bischöfe.

Die Unabhängige Kommission ?Zuwanderung? berief ihn im Jahre 2000 zum ständigen juristischen Berater. An der Gestaltung des abschließenden Berichts der Kommission ?Zuwanderung gestalten - Integration fördern? vom 4. Juli 2001 hatte er maßgeblichen Anteil. Er arbeitete in dem vom Bundesminister des Innern berufenen Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration und Zuwanderung mit und wirkte auch hier bei der Abfassung des Jahresgutachtens ?Migration und Integration - Erfahrungen nutzen, Neues wagen? entscheidend mit. Die Vorsitzende der beiden Gremien, Frau Prof. Dr. Rita Süßmuth, hat seine Tätigkeiten in diesem Heft gewürdigt.

Günter Renner war schließlich auch Mitglied des Expertenforums beim Informationszentrum Asyl des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg. Er war häufig auch als Sachverständiger zu parlamentarischen Anhörungen, insbesondere zu  Anhörungen des Deutschen Bundestages geladen. Er war immer wieder im Inland und im Ausland unterwegs, um Vorträge zu halten, an Diskussionsrunden teilzunehmen und nicht zuletzt, um Seminarveranstaltungen zu leiten. Seine Schaffenskraft schien unermüdlich. Vom Ruhestand war ihm nicht viel anzumerken. Er hatte gerade auch nach seiner Pensionierung große Pläne für wissenschaftliche Projekte, für Publikationen und Weiterbildung von Praktikern. Für das in der Universitätsausbildung unterentwickelte Ausländerrecht hat er Pionierarbeit durch seine Lehrveranstaltungen und Seminare geleistet. Nicht zuletzt ihm ist es zu verdanken, dass auch die Dimension der europäischen Ausländer- und Asylrechts in die politische und rechtliche Diskussion um das Ausländerrecht Eingang fanden.

Der Privatmann

Günter Renner war ein begeisterter Wanderer, der sich regelmäßig mit seinen Wanderfreunden zu oft ausgedehnten Touren traf, wobei er im Jahr gut 250 km zurücklegte. Noch kurz vor seinem Tode erwanderte er zum zweiten Male den Rennsteig. Er war aber auch ein leidenschaftlicher Autofahrer und ließ es sich nicht nehmen, an einem Tag etwa von Melsungen nach Bonn und wieder zurück zu fahren, um an einem Empfang teilzunehmen, auf dem er interessante Gesprächspartner erwartete. Er war ein Kenner des Weins und es machte ihm Freude, Jahr für Jahr zu seinen  Winzern in der Pfalz zu fahren, um seinen Weinkeller zu füllen. Günter Renner feierte gern mit guten Freunden. Er kannte sich sehr gut in der lateinischen Sprache aus und befasste sich immer wieder mit Alt- und mit Neugriechisch. Er reiste leidenschaftlich gerne in den Ländern des alten Europa, aber auch in die Türkei, in die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion und in die arabische Welt. Der ruhende Pol seiner vielen beruflichen Tätigkeiten war die Familie, seine Frau Ursula und seine beiden Kinder, Martina und Tomas; seit kurzer Zeit war er auch ein begeisterter Schwiegervater und Opa ? der Familie wollte er sich in Zukunft noch mehr widmen.

Abschied

Die so unerwartete Nachricht von dem plötzlichen Tod von Günter Renner hat alle, die ihn kannten,  tief getroffen. Bei ihm konnte man erfahren, dass auch sehr anstrengende Arbeit - gerade dann, wenn sie unter einem großen Druck steht - Freude machen kann. Auch in vertrackten, für ihn schwierigen Situationen hat er seinen Humor nie verloren. Sein Optimismus steckte an und riss mit. Seine Hilfsbereitschaft war allen, die mit ihm Kontakt hatten, eine immer zuverlässige Stütze. Wer mit Günter Renner zusammengearbeitet, wer von ihm gelernt und wer seine Veröffentlichungen studiert hat, muss nun Abschied nehmen von einer beeindruckenden Persönlichkeit, von einem vielseitig begabten, immer freundlichen und humorvollen Menschen, der ein einzigartiger Kenner des Migrationsrechts und der Migrationspolitik in Deutschland, in Europa und in der Welt gewesen ist. Wir verabschieden uns von einem guten Freund, dem wir sehr viel zu verdanken haben und den wir nicht vergessen werden.

  
Kay Hailbronner       Jürgen Haberland