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Wo sind 624 000 Ausländer hin, wo sind sie geblieben?

In Deutschland lebten Ende Dezember 2003 in einer Bevölkerung von 82 531 671 Personen 7 341 820 Ausländer. Damit betrug der Anteil der Ausländer in Deutschland damals 8,9%. Dies teilten die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder noch am 16. Februar 2005 mit http://www.statistik-portal.de (externer Link). Ende 2004 wurden dagegen in Deutschland nur noch 6 717 115 Ausländer gezählt, also 624 705 Personen oder 8,5% weniger als ein Jahr zuvor www.destatis.de (externer Link).

Wie konnte es zu einem derartigen Exodus kommen, der den Ausländeranteil binnen eines Jahres auf 8,1% fallen ließ? Waren im Jahre 2004 besonders viele Ausländer verstorben oder besonders wenige Ausländerkinder in Deutschland geboren, besonders viele Ausländer in ihre Heimat abgeschoben oder sonst zurückgekehrt oder in andere Länder ausgewandert?

Alle diesen Ursachen sind in Betracht zu ziehen und können im Einzelnen nachgeprüft werden, soweit hierfür ausreichende statistische Daten zur Verfügung stehen. Dabei sollte aber bedacht werden, dass nicht einmal die Anzahl der in Deutschland lebenden Deutschen genau bekannt ist, weil auch diese statistischen Angaben auf Hochrechungen beruhen und nicht auf einer jüngeren genauen Volkszählung. Der wesentliche Grund für die gewaltige statistische Schrumpfung der ausländischen Wohnbevölkerung ist nach einer Presseerklärung des Statistischen Bundesamts vom 2. Mai 2005 in einer Registerbereinigung des Ausländerzentralregisters zu sehen. Die einfache Folgerung dieses Vorgangs lautet: Die neuen Zahlen können mit den alten nicht mehr sinnvollerweise verglichen werden.

Hier wird ein Phänomen deutlich, das allgemein bei der Auswertung von Statistiken auftritt, bei der Kriminalstatistik wie bei Bevölkerungsstatistiken. So ließen in den letzten Monaten Meldungen über den Prenzlauer Berg aufhorchen, die diesen Teil des Bezirks Pankow (im Jahre 2001 aus Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee entstanden) teilweise als Kinderparadies darstellten, teilweise aber als kinderpolitisch keineswegs außergewöhnlich anerkennen wollten (so Schwägerl in FAZ vom 27.4.2005: ?Kein Wunder?). Nun lehrt schon der bloße Augenschein nicht nur am Käthe-Kollwitz-Platz oder an den anderen zahlreichen Spielplätzen, sondern auch auf den Bürgersteigen mit den sonst in Deutschland kaum noch bekannten Problemen des Kinderwagenbegegnungs- und ausweichverkehrs, dass sich in diesem Wohnquartier etwas Ungewöhnliches ereignet haben muss.

Als Erklärung für die dort auch sonst offen zutage tretende Kinderfreundlichkeit kann ein hoher Ausländeranteil nicht ins Feld geführt werden, der gewiss in Kreuzberg und Wedding jedenfalls in der ersten Zuwanderergeneration als Ursache nachgewiesen werden könnte. Der äußere Anschein spricht zudem nicht für einen besonders zukunftssicheren Lebensstandard, der Entscheidungen für ein Kind und für eine Familie beflügeln könnte; diese Voraussetzungen sind wohl in Dahlem, Grunewald oder Zehlendorf eher auszumachen. Schließlich kann für die zahlreichen individuellen Entscheidungen zugunsten eines Kindes auch nicht ein ungewöhnlich niedriges Lebensalter von Müttern und Vätern verantwortlich gemacht werden, das rationale Überlegungen gegenüber Emotionen zurücktreten lassen könnte. Solche Spekulationen könnten fortgesetzt werden, werden aber eine Feststellung nicht erschüttern können: Der Anteil der akademisch oder sonst besonders qualifizierten Mütter und Väter ist am Prenzelberg besonders hoch. Diese Sensation sollte das Herz aller Familienministerinnen höher schlagen lassen. Aber statt diese äußerst erfreuliche Tatsache zu feiern, verweisen einige Politiker doch wieder nur auf die Spitzenstellung des niedersächsischen Cloppenburg mit 56 Kindern gegenüber nur 35 am Prenzlauer Berg.

Zurück zum Ausländeranteil in Deutschland. Bemerkenswert an dem neuen Zahlenwerk erscheint vor allem der Anteil von fast einem Drittel (31%) der Ausländer, die aus einem EU-Mitgliedstaat stammen. Wenn dann noch berücksichtigt wird, dass weitaus mehr als die Hälfte der Türken (26%) Aufenthaltsrechte aus Art. 6 oder 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei herleiten können, wird deutlich, dass der Aufenthalt der bei uns lebenden Ausländer überwiegend dem europäischen Migrationsrecht unterliegt und nicht dem deutschen Ausländerrecht. Bemerkenswert ist außerdem, dass mehr als zwei Drittel der Ausländer schon länger als acht Jahren in Deutschland leben und damit die erforderliche Aufenthaltsdauer für die Einbürgerung erfüllen. Nur diese Werte sind ausländerpolitisch bedeutsam, nicht die je nach statistischer Grundlage unsicher berechneten Anteile an der Wohnbevölkerung.

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