Zuwanderung, Bevölkerungsdefizit, Steuern, Koch, Ackermann, Visa-Untersuchungsau

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Vordergründig haben die politischen Debatten der letzten Tage nichts mit Zuwanderung zu tun, doch manchem bewussten homo politicus dämmert die Erkenntnis: Mit dem neuen Zuwanderungsrecht ist Migrationspolitik in und für Deutschland nicht beendet, sondern der Streit um den Lebensstandort Deutschland hat jetzt erst richtig begonnen. Die Frage kommt auf: Weniger Steuern für reiche Ausländer im Armutsland Deutschland?

  • Hessens Ministerpräsident Koch befürwortet massive Steuerermäßigungen für ausländische Manager.
  • Ob dieser Plan auch dem Chef der Deutschen Bank, Ackermann, als Schweizer helfen könnte, Steuern zu sparen, lässt die Emotionen öffentlich hochschlagen.
  • Die Steuerermäßigungen der letzten Jahre haben zum Erfolg vieler deutscher Großunternehmen beigetragen und dem Mittelstand nichts eingebracht.
  • Die zusätzlichen Gewinne werden auch genutzt, um andere Unternehmen aufzukaufen und Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen.
  • Immer mehr Menschen in Deutschland leben in Armut (Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung).
  • Der Visa-Untersuchungsausschuss des Bundestags versucht, die Gründe für kriminelle Zuwanderungen in der Vergangenheit zu klären.
  • Die Kirchen engagieren sich für eine humane Behandlung illegal in Deutschland lebender Ausländer.
  • Die einzigen, die in Deutschland (unter Verstoß gegen die Verfassung) von Kindern profitieren, sind die, die keine haben (Herwig im Grundkurs Demographie, wie ?STRIZZ? fast täglich in der FAZ).

Mit diesen ausgewählten Meldungen aus den letzten Tagen ist die wachsende Bedeutung von Demographie und Migration für den Standort Deutschland kurz skizziert. Wenn weltweite Mobilität nicht nur für Kapital, Waren und Dienstleistungen in Anspruch genommen wird, sondern auch von Menschen, sind nicht nur die Wirtschaftswissenschaften gefordert, sondern auch die Humanwissenschaften. Eine repressive Migrationspolitik muss, wenn sie Erfolg haben will, nicht nur von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen werden, sondern auch den faktischen Bevölkerungsverhältnissen gerecht und durch eine innovative Familien- und Bildungspolitik gefördert werden. Kurzfristige Steueranreize werden langfristige Defizite an qualifiziertem ?Humankapital? nicht ausgleichen. Deutschlands Reichtum beruht nicht auf Bodenschätzen, sondern auf der Schaffenskraft seiner Bewohner. Wenn Deutschlands Attraktivität nachgelassen hat, dann vor allem wegen massiver Versäumnisse in der Bildungspolitik. Deutschland kann im ?Wettbewerb um die besten Köpfe? nur erfolgreich bestehen, wenn es den eigenen Nachwuchs besser fördert. Sonst gerät dieser Wettbewerb wegen des damit verbundenen ?brain drain? ohnehin in den Verdacht ?einer neuen Art von Kolonialismus? (Birg in www.faz.net/demographie).

Die Folgen des Bevölkerungsdefizits lassen sich abmildern, aber nicht kurzfristig beseitigen. Selbst radikale Verbesserungen für Kinderfamilien werden das noch lang andauernde Geburtendefizit und die Überalterung der Bevölkerung bis Mitte dieses Jahrhunderts nicht verhindern können. Vermehrte Zuwanderung könnte (rechnerisch) nur dann Abhilfe schaffen, wenn bis dahin über 180 Millionen junger Menschen nach Deutschland kämen.

Trotzdem: Deutschland ist auf Gedeih oder Verderb auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen. Der lange angemahnte Paradigmenwechsel hat aber nicht stattgefunden. Kurzfristige Steueranreize offenbaren nur Fehler in der deutschen Steuerpolitik und zementieren gleichzeitig sonstige Standortnachteile.

In vielen anderen Ländern Europas sind nicht nur die Steuern für Höchstverdiener niedrig, sondern auch die durchschnittliche Belastung für Normalverdiener. In vielen Ländern Europas werden für Kinder nicht nur ausreichend Plätze in Horten und Kindergärten angeboten, sondern die Kinder auch von qualifiziertem Personal auf die Schule vorbereitet ? und das Alles kostenlos für die Eltern und nicht wie in Deutschland gegen Beiträge, die den Nettolohn der halbtags als Verkäuferin tätigen Mutter erreichen, wenn nicht übersteigen.

Die überfällige Wende ist mit dem neuen Zuwanderungsrecht nicht gelungen. Die Richtlinien für die deutsche Ausländerpolitik ? Steuerung und Begrenzung mit Rücksicht auf die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie die wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen ? werden nach wie vor so ausgelegt, dass als Ausnahme von dem weiter bestehenden ?Anwerbestopp? überwiegend der Zuzug weniger Qualifizierter zugelassen wird (vgl. Jahresgutachten 2004 des Zuwanderungsrats, S. 129 ff.). Die Pläne für eine Zulassung besonders qualifizierter Arbeitskräfte in einem Auswahlverfahren mit Hilfe eines Punktesystems (§ 20 AufenthG-Entwurf) sind gescheitert. Die Vorschläge für eine streng gesteuerte und quotierte Zulassung von Arbeitnehmern in Branchen mit mehrjährigen Engpässen (Jahresgutachten 2004, S. 215 ff.) sind nicht verwirklicht. Selbst hochqualifizierten Wissenschaftlern und Spezialisten mit Jahreseinkommen von über 50 000 Euro kann der Zuzug nur im Ermessenswege und außerdem nur ?in besonderen Fällen? gestattet werden (§ 19 I 1 AufenthG). Selbständige sind nur willkommen, wenn sie über eine Million Euro investieren und (kumulativ!) mindestens zehn Arbeitsplätze schaffen (§ 21 AufenthG). Die Liste unzureichender Regelungen lässt sich fortsetzen ? wie lange noch?