Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde des ausländischen Vaters eines deutschen Kindes gegen drohende Abschiebung
Die Verfassungsbeschwerde eines seit 1999 in Deutschland lebenden serbisch-montenegrinischen Vaters einer 5jährigen deutschen Tochter, dessen Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert worden war, war erfolgreich. Die 2. Kammer des Zweiten Senats hob die Eilrechtsschutz versagenden Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs auf, da sie den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 6 GG (Schutz der Familie) verletzten. Die Gerichte hätten bei ihrer Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren die familiären Bindungen des Beschwerdeführers an seine im Bundesgebiet lebende Tochter nicht angemessen berücksichtigt. Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Sachverhalt: Der in Deutschland lebende Beschwerdeführer stammt aus dem Kosovo. Aus einer inzwischen geschiedenen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen ging eine Tochter hervor, für die die Mutter die elterliche Sorge hat. Der Beschwerdeführer, der in einer anderen Stadt als seine geschiedene Frau lebt und arbeitet, hat alle zwei Wochen Umgang mit seinem Kind und hält regelmäßig telefonisch Kontakt zu ihm. Seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis lehnte die Ausländerbehörde ab, weil keine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Tochter bestehe. Das angerufene Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof versagten dem Beschwerdeführer mit derselben Begründung die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Art. 6 GG verpflichtet den Staat zum Schutz der Familie. Dem entspricht ein Anspruch des Betroffenen darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Entscheidend ist nicht die formal-rechtliche familiäre Bindung, sondern die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern. Durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts von 1997 wurde das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt und die Beziehung jedes Elternteils zu seinem Kind als grundsätzlich schutz- und förderungswürdig anerkannt. Die gewachsene Einsicht in die Bedeutung des Rechts des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen hat Auswirkungen auf die Auslegung und Anwendung der ausländerrechtlichen Bestimmungen, wonach auch dem nicht sorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. Daher ist bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient und das Kind beide Eltern braucht. Gemessen an diesen Grundsätzen halten die angegriffenen Entscheidungen einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Das Verwaltungsgericht würdigt die konkreten Umstände des Einzelfalles nicht, sondern entscheidet lediglich anhand abstrakter Kriterien. Der Verwaltungsgerichtshof verneint das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft mit der Begründung, von der Übernahme von Betreuungs- und Erziehungsaufgaben könne bei einem alle zwei Wochen stattfindenden Umgang und etwaigen Telefonaten zwischen Vater und Kind nicht gesprochen werden. Das Gericht verkennt dabei nicht nur die mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz verfolgte Zielsetzung, sondern auch, dass der Gesetzgeber mit der Kindschaftsrechtsreform deutlich gemacht hat, auch außerhalb der persönlichen Begegnung, etwa in Telefonaten, könne und solle Umgang stattfinden. Dies muss in die ausländerrechtliche Würdigung angemessen einfließen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers in den Kosovo ein Abbruch des persönlichen Kontakts zu seinem Kind droht.