AG Frankfurt/Main zur unverzüglichen richterlichen Entscheidung

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AG Frankfurt/Main, Beschluss vom 16.11.2011 - 931 XIV 174/07 B - zur Gewahrsamnahme der Bundespolizei.

 Das AG stellte fest, dass die Freiheitsentziehung des Betroffenen durch die Bundespolizeidirektion Frankfurt am Main-Flughafen in der Zeit vom 01.06.2006, 16:35 Uhr, bis zur Vorführung des Betroffenen vor den Abschiebehaftrichter des Amtsgerichts Frankfurt am Main am 02.06.2006 um 10:00 Uhr rechtswidrig war und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Die Klage war auch zulässig, obgleich das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit erledigter grundrechtsrelevanter Maßnahmen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei einem an sich unbefristeten Antrag entfallen kann, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall, weil der Feststellungsantrag noch ausreichend zeitnah gestellt worden ist (Fall von 2006!) und der Umstand, dass in der Folgezeit eine Sachentscheidung aufgrund des Außerkontrollegeratens der Verfahrensakten nicht ergangen ist, nicht dem Betroffenen angelastet werden kann.
Zum Hintergrund:
Es ist ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip, dass jede an einen Antrag (hier die Beschwerdeeinlegung) gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt (vgl. BVerfGE 61, 126, 135; BVerfG NStZ 2009, 166, 167). Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns (vgl. BVerfG NStZ 2009, 166, 167).

Zur Begründetheit der Klage führte das AG aus, dass der Umstand, dass eine richterliche Anhörung des Betroffenen am 01.06.2006 nicht erfolgt ist, weil der zuständige Haftrichter an diesem Tag von dem per Fax übersandten Antrag der Bundespolizei keine Kenntnis erlangt hat, ist nicht geeignet, die polizeiliche Ingewahrsamnahme des Betroffenen bis zum nächsten Tag ohne richterliche Entscheidung zu rechtfertigen, weil die Bundespolizei mit der bloßen Absendung des Antrags an das Gericht per Fax noch nicht alles Erforderliche getan hat, um im Sinne des § 40 Abs. 1 BPolG "unverzüglich eine richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen".

Ein ausschließliches  Anhängigmachen scheidet damit als Rechtfertigung aus.

Die Bundespolizei hätte sich allerdings im Rahmen ihrer aus dem Unverzüglichkeitsgebot folgenden weiteren Mitwirkungspflichten spätestens dann telefonisch mit dem Haftrichter in Verbindung setzen müssen, als auch eine Stunde nach der Absendung des Faxes noch keine Rückmeldung des Haftrichters in Form der Mitteilung einer Sachentscheidung oder der Absprache der Vorführung des Betroffenen durch die Bundespolizei erfolgt war, denn spätestens nach einer Stunde hätte es sich aufdrängen müssen, auch im Hinblick auf die erfahrungsgemäß zu erwartende Beendigung des Haftrichterdienstes im Laufe des Nachmittags, durch entsprechende Nachfrage den ordnungsgemäßen Fortgang des Verfahrens zu gewährleisten. Da dies nicht geschehen ist, nach den Umständen aber bis zu diesem Zeitpunkt hätte erfolgen müssen, war ab diesem Zeitpunkt die weitere Freiheitsentziehung des Betroffenen aus verfassungs- und verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr gerechtfertigt und damit rechtswidrig.

Zum Volltext in der Gesamtkommentierung:

icon Unverzüglichkeit der richterlichen Entscheidung in Haftsachen (1.18 MB 2011-11-29 21:14:12)

Im Onlinekommentar:

OK-Mnet-AufenthG zu § 62