vorgeworfen, er habe als Gebietsverantwortlicher der Arbeiterpartei
Kurdistans (PKK) die Ausführung eines Bombenanschlags auf einen
Provinzgouverneur beschlossen und angeordnet. Aufgrund eines Haftbefehls
eines türkischen Schwurgerichts ersucht die türkische Regierung um seine
Auslieferung. Seit dem 2. April 2009 befindet sich der Beschwerdeführer
in Auslieferungshaft. In der Türkei droht ihm im Falle einer
Verurteilung eine sogenannte „erschwerte“ lebenslange Freiheitsstrafe,
die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Auch eine Begnadigung
ist nur wegen einer dauerhaften Krankheit, wegen Behinderung oder aus
Altersgründen möglich. Das Oberlandesgericht Hamm erklärte die
Auslieferung für zulässig. Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat der
dagegen erhobenen Verfassungsbeschwerde stattgegeben und den Beschluss
des Oberlandesgerichts aufgehoben. Eine Mitwirkung deutscher Behörden an
seiner Auslieferung ist vor dem Hintergrund der ihm drohenden Strafe mit
Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG unvereinbar. Über die Auslieferung
ist damit noch nicht endgültig entschieden. Vielmehr sind die
zuständigen Stellen zu einer neuen Entscheidung aufgerufen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zählt zu den
unabdingbaren Grundsätzen der deutschen Verfassungsordnung, dass
angedrohte oder verhängte Strafen nicht grausam, unmenschlich oder
erniedrigend sein dürfen. Von großer Bedeutung sind vor allem mögliche
persönlichkeitszerstörende Wirkungen der Strafhaft, denen durch einen
menschenwürdigen Strafvollzug begegnet werden muss. Dabei mildert jede
Hoffnung auf eine möglicherweise vorzeitige Entlassung die mit der
Strafhaft verbundenen psychischen Belastungen ab. Gerade im
Auslieferungsverkehr berücksichtigt das Bundesverfassungsgericht
allerdings, dass das Grundgesetz von der Eingliederung der
Bundesrepublik Deutschland in die Völkerrechtsordnung der
Staatengemeinschaft ausgeht. Dazu gehört, Strukturen und Inhalte fremder
Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich auch dann zu achten,
wenn sie im Einzelnen nicht mit den deutschen innerstaatlichen
Auffassungen übereinstimmen. Für die Frage nach dem Vorliegen eines
möglichen Auslieferungshindernisses ergibt sich daraus, dass der Schutz
eines rechtsstaatlichen, von der Achtung der Würde des Menschen
bestimmten Kernbereichs im völkerrechtlichen Verkehr nicht identisch
sein kann mit den innerstaatlichen Rechtsauffassungen. Die unabdingbaren
Grundsätze sind deswegen noch nicht verletzt, wenn die zu vollstreckende
Strafe lediglich als in hohem Maße hart anzusehen ist und bei einer
strengen Beurteilung anhand deutschen Verfassungsrechts nicht mehr als
angemessen erachtet werden könnte. Maßgeblich für die Beurteilung der „erschwerten“ lebenslangen
Freiheitsstrafe im vorliegenden Fall ist, dass nur bei schweren
Gebrechen oder bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Häftlings von
einer weiteren Vollstreckung der Strafe bis zum Tod abgesehen werden
kann. Dies verletzt unabdingbare Grundsätze der deutschen
Verfassungsordnung jedenfalls dann, wenn - wie hier - auch bei Vorliegen
dieser Umstände die Wiedererlangung der Freiheit deswegen ungewiss
bleibt, weil der Häftling nur auf den Gnadenweg hoffen kann. Die zu
erwartende Strafe nimmt einem Verurteilten jene Hoffnung auf ein
späteres selbstbestimmtes Leben in Freiheit, die den Vollzug der
lebenslangen Strafe nach dem Verständnis der Würde der Person überhaupt
erst erträglich macht. Das Oberlandesgericht hätte sich daher nicht
darauf beschränken dürfen zu prüfen, ob der Beschwerdeführer eine
abstrakte Chance auf Wiedererlangung der Freiheit hat. Vielmehr kommt es
in jedem Einzelfall auf eine Gesamtbeurteilung der Ausgestaltung des
jeweiligen Strafvollzugs an. Diese Gesamtbeurteilung darf sich nicht der
Einsicht verschließen, dass die „erschwerte“ lebenslange Freiheitsstrafe
den Verurteilten günstigstenfalls darauf hoffen lässt, in Freiheit zu
sterben.
Entscheidung in der Datenbank beim BVerfG: hier