BGH zum Erfordernis der Abschiebungsandrohung als Vollstreckungsvoraussetzung (Rückkehrentscheidung) sowie Haft im Verhältnis zur Asylverfahrensrichtlinie

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BGH, Beschluss vom 03.05.2012 (Az.: V ZB 244/11).

Sachverhalt:

Ein türkischer Staatsangehöriger reiste Anfang September 2011 mit Hilfe von Schleusern gegen Zahlung von 5.000 € nach Deutschland ein, ohne im Besitz eines Passes und Aufenthaltstitels zu sein. Er wurde am 9. September 2011 in Wiesbaden festgenommen. Auf Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 10. September 2011 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung in die Türkei bis einschließlich 9. Dezember 2011 angeordnet. Während des gegen die Haftanordnung gerichteten Beschwerdeverfahrens stellte der Betroffene einen Asylantrag, der am 12. September 2011 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einging. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2011 lehnte das Bundesamt den Antrag als offensichtlich unbegründet ab und forderte den Betroffenen auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist wurde ihm die Abschiebung in die Türkei angedroht.

Leitsätze (Redaktion):

  1.  Aus der Regelung in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (Abl. EG Nr. L 326, S. 13) folgt nicht, dass der Aufenthalt eines Asylbewerbers auch während eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Entscheidung über seinen Asylantrag ausnahmslos als rechtmäßig anzusehen wäre.
  2. Bei einer beabsichtigten Abschiebung muss die Behörde in dem Haftantrag nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG die Vollstreckungsvoraussetzungen darlegen, zu denen die Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG gehört. Fehlt es an einer für die Vollstreckung erforderlichen Voraussetzung, darf auch eine kraft Gesetzes vollziehbare Ausreisepflicht nicht durch eine Abschiebung durchgesetzt werden.
  3. Ein unzulässiger Haftantrag und die damit einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG kann aber in der Beschwerdeinstanz nicht rückwirkend geheilt werden. Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung war der ursprüngliche Begründungsmangel für die Zukunft geheilt, weil der Bescheid des Bundesamts vom 6. Oktober 2011 dem Beschwerdegericht vorgelegt hatte. Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung fehlte es damit nicht an einer Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie.

Auf das Erfordernis einer Rückkehrentscheidung als Grundvoraussetzung eines zulässigen Haftantrages wird an dieser Stelle besonders hingewiesen. Hierzu ausführlicher im Onlinekommentar und im Beitrag zur RFRL:

OK-MNet-FamFG zu § 417

icon Zur nationalen Umsetzung der Rückführungsrichtlinie (486.37 kB 2012-07-10 23:46:11)

Zum Beschluss im Volltext:
icon BGH - V ZB 244/11 - Beschluss vom 03.05.2012 (101.39 kB 2012-07-10 22:39:20)