BGH: Zur Nichterforderlichkeit der Haft bei Zurückschiebung

Anzeige Werbung Kanzleien Anzeige

Der Senat ging im Beschluss vom 17.06.2010 - V ZB 13/10 - insbesondere auf die Freiwilligkeit der Ausreiseverpflichtung im Rahmen einer Zurückschiebung ein und bestätigt damit die bisherigen obergerichtlichen und hier in Mnet vertretenen Aufassungen.

Zum Hintergrund:

Der burundische Staatsangehörige B. beantragte unter Angabe falscher Personalien in Schweden erfolglos Asyl und tauchte 2008 nach Frankreich unter. Die schwedischen Behörden lehnten später seine Rückübernahme ab. Nachdem ein französisches Gericht entschied, dass der Betroffene nicht nach Burundi abgeschoben werden dürfe und die französischen Behörden ihn aufforderten, Frankreich binnen 48 Stunden zu verlassen, wurde B. Ende 2009 nach unerlaubter Einreise durch die Bundespolizei im deutsch-niederländischen Grenzgebiet mit Reiseziel Schweden aufgegriffen. Zunächst wurde die Zurückschiebung unter Sicherung der Haft nach Schweden betrieben. Nach erneuter Ablehnung der Aufnahme durch die schwedischen Behörden wurde die Zurückschiebung nunmehr nach Frankreich betrieben, die letztlich auch erfolgreich war.
Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Feststellung erreichen, dass die Haftanordnung sowie der Beschluss des Beschwerdegerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben und die Inhaftierung bis zu seiner Zurückschiebung Anfang 2010 rechtswidrig war.

Redaktionelle Leitsätze:

  1. Mängel des amtsgerichtlichen Nichtabhilfeverfahrens (§ 68 Abs. 1 FamFG) stehen der Durchführung des Beschwerdeverfahrens nicht entgegen.
  2. Die sich aus der unerlaubten Einreise ergebende Vermutung, der Ausländer werde seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen, kann ausnahmsweise nach § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG widerlegt werden.
  3. Die Sicherungshaft dient der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und verliert die Wirksamkeit (erst) mit der konkreten Abschiebungsmaßnahme, auch im Fall ihres von dem Ausländer nicht zu vertretenden Scheiterns, und nicht allein schon deswegen, weil die Behörde einen neuen Zielstaat für die Abschiebung bestimmt.
  4. Es fehlt in der Regel an der Erforderlichkeit der Sicherungshaft, wenn der Ausländer nach der unerlaubten Einreise zeitnah freiwillig in das Land ausreisen will, in das er zurückgeschoben werden soll.
  5. Die von der Rechtsbeschwerde erstrebte Feststellung, dass die Inhaftierung rechtswidrig war, sieht die Regelung in § 62 Abs. 1 FamFG nicht vor.

Zur Kommentierung und zur Entscheidung im Volltext:

icon BGH - V ZB 13/10 - Beschluss vom 17.06.2010 (310.71 kB 2010-07-26 09:25:15)