BVerfG entscheidet zur aufenthaltsrechtlichen Bedeutung des Umgangsrechts

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Das BVerfG - 2 BvR 1064/08 - hat mit Beschluss vom 9. Januar 2009 nochmals die aufenthaltsrechtliche Bedeutung des Umgangsrechts umfassend erläutert. Anknüpfend an frühere Entscheidungen wurde hervorgehoben, dass Art. 6 GG ausländerrechtliche Schutzwirkungen nicht schon aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen entfalte. Entscheidend sei vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern.

Bei der Bewertung der familiären Beziehungen verbiete sich eine schematische Einordnung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, zumal auch der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung eines Umgangsrechts unabhängig vom Sorgerecht Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der damit verbundenen Elternverantwortung sei und daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG stehe. Es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob eine Hausgemeinschaft vorliege und ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Dabei sei in Rechnung zu stellen, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter entbehrlich werde.

Eine verantwortungsvoll gelebte und dem Schutzzweck des Art. 6 GG entsprechende Eltern-Kind-Gemeinschaft lasse sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten und Uhrzeiten des persönlichen Kontakts oder genauem Inhalt der einzelnen Betreuungshandlungen bestimmen. Die Entwicklung eines Kindes werde nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt.

Dass der Umgangsberechtigte nur ausschnittsweise am Leben des Kindes Anteil nehmen könne und keine alltäglichen Erziehungsentscheidungen treffe, stehe der Annahme einer familiären Lebensgemeinschaft nicht entgegen. Je nach den Umständen des Einzelfalls bedeute gerade die Ausübung des Besuchsrechts die Erfüllung der Elternfunktion im Sinne des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG unter den für die Beschwerdeführer nicht änderbaren Beschränkungen. Das BVerfG stellt fest: „Soweit das Verwaltungsgericht seine Zweifel am Bestehen einer schutzwürdigen Eltern-Kind-Beziehung auf die aus seiner Sicht geringe Anzahl der Begegnungen in den vergangenen neun Monaten stützt, steht diese Wertung nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, derzufolge die Übernahme von Verantwortung auch in den spezifischen Formen, die das Umgangsrecht ermöglicht, vorliegen und verfassungsrechtlichen Schutz bieten kann.“
Damit trägt das BVerfG nochmals den rechtlichen Beschränkungen Rechnung, denen Elternteile beim Umgang mit ihren Kindern unterliegen können. Fazit: Man kann einem Elternteil nicht vorwerfen, dass die Beziehung zu seinem Kind nicht intensiv sei („Patenokel-Beziehung"), wenn rechtlich kein weitergehender Umgang möglich ist.

Die Entscheidung steht Mitgliedern unter Rechtsprechung/BVerfG zum download zur Verfügung.