Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig hat am 26. Oktober 2010 entschieden, dass intensive Kontakte zu führenden Mitgliedern einer terroristischen Organisation der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung (§ 104a Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) entgegenstehen können.
Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, kam 1997 nach Deutschland und wurde hier als Flüchtling anerkannt. Nach dem Widerruf dieser Anerkennung endete auch sein befristeter Aufenthaltstitel im Oktober 2005. Seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung lehnte die Stadt München im September 2007 u.a. deshalb ab, weil der Kläger Bezüge zu der terroristischen Organisation "Ansar al-Islam" habe. Im Klageverfahren verpflichtete das Verwaltungsgericht die Stadt zur Neubescheidung. Die hiergegen eingelegte Berufung der Stadt München hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stehen die vom Kläger eingeräumten Kontakte zu führenden Mitgliedern der terroristischen Organisation "Ansar al-Islam" der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung in § 104a AufenthG nicht entgegen, weil der Kläger durch sein Verhalten oder Handeln nicht eine innere Nähe und Verbundenheit zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation erkennbar zum Ausdruck gebracht habe.
Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat auf die Revision der am Verfahren beteiligten Landesanwaltschaft Bayern das Berufungsurteil aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Aufklärung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Nach der Altfallregelung kann eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer keine Bezüge zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation hat und diese auch nicht unterstützt (§ 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG). Dieser Ausschlussgrund enthält zwei grundsätzlich eigenständige negative Tatbestandsalternativen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Alternativen zu Unrecht miteinander verknüpft und deshalb im Ergebnis zu hohe Anforderungen an das Vorliegen der ersten Alternative (Bezüge zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation) gestellt. Der Gesetzgeber wollte ersichtlich die Vergünstigung der Altfallregelung nur solchen ausreisepflichtigen Ausländern zukommen lassen, die mit ausreichender Sicherheit keine Nähe zu terroristischen oder extremistischen Aktivitäten aufweisen. Er hat deshalb den Ausschlussgrund weiter gefasst als die entsprechenden Ausweisungsgründe für Ausländer mit rechtmäßigem Aufenthalt. Wenn der Ausländer persönliche Kontakte von hinreichender Intensität zu führenden Mitgliedern einer terroristischen Organisation unterhält und um die Einbindung dieser Personen in eine terroristische Organisation weiß oder hätte wissen müssen, spricht eine Vermutung dafür, dass er selbst Bezüge zu dieser Organisation hat. Gelingt es ihm in einem solchen Fall nicht, die sich aus seinem Verhalten ergebende Vermutung zu widerlegen, kann nicht von einer tatsächlichen Integration ausgegangen werden, wie sie das Bleiberecht voraussetzt. Für den Ausschluss reicht auch ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten aus, solange es an einer glaubhaften Distanzierung des Ausländers fehlt.
Mangels ausreichender tatrichterlicher Feststellungen konnte das Bundesverwaltungsgericht nicht selbst abschließend entscheiden, ob die vom Kläger eingeräumten Kontakte, die er in der Vergangenheit zur süddeutschen Führungsebene der vom Berufungsgericht als terroristisch eingestuften Organisation "Ansar al-Islam" unterhielt, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehen. Insoweit wird das Berufungsgericht insbesondere noch aufklären müssen, ob dem Kläger schon damals die Einbindung dieser Personen in eine terroristische Organisation bekannt war oder zumindest hätte bekannt sein müssen.
BVerwG 1 C 19.09 - Urteil vom 26. Oktober 2010
Vorinstanzen:
VG München, M 4 K 07.4829 - Urteil vom 8. Juli 2008 -
VGH München, 10 BV 08.2411 - Urteil vom 29. Juli 2009 -
Quelle: Pressemitteilung des BVerwG