Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat sich am 11. Januar 2011 (BVerwG 1 C 22.09) mit der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Frage befasst, ob die vom Gesetzgeber im Rahmen der Altfallregelung getroffene Zurechnungsregelung in § 104a Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) mit Verfassungsrecht vereinbar ist. Nach dieser Regelung führt die Verurteilung eines in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienmitgliedes wegen einer vorsätzlichen im Bundesgebiet begangenen Straftat zu einer Geldstrafe von mehr als 50 Tagessätzen nicht nur zum Ausschluss dieses Familienmitgliedes von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung in § 104a Abs. 1 AufenthG, sondern auch zur Versagung einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis für andere Familienmitglieder. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hält die Regelung, jedenfalls soweit sie sich auf den Ehegatten und minderjährige Kinder des straffällig gewordenen Familienmitglieds bezieht, für verfassungsgemäß.
Die Kläger, ein aus dem Kosovo stammendes, 1992 eingereistes Ehepaar und dessen 1993 geborener Sohn, begehren die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen, vor allem nach der gesetzlichen Altfallregelung in § 104a AufenthG. Der Ehemann wurde im März 2007 wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Die Ausländerbehörde lehnte deshalb die Anträge der Kläger im Januar 2008 ab. Wegen der Verurteilung sei sowohl nach dem landesrechtlichen Bleiberechtserlass als auch nach der gesetzlichen Altfallregelung die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Ehemann und die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen ausgeschlossen; ein besonderer Härtefall liege nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen. Die Berufungen der Kläger blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht Saarlouis hat Ansprüche nach dem Bleiberechtserlass und nach der gesetzlichen Altfallregelung wegen der strafrechtlichen Verurteilung des Ehemannes verneint. Auch wenn die Tat bereits 2002 begangen worden sei, sei die Verurteilung aus dem Jahr 2007 im Bundeszentralregister noch nicht getilgt und damit verwertbar. Dieser Umstand führe nach § 104a Abs. 3 AufenthG auch zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis für die Ehefrau und den Sohn. Die Regelung verstoße - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Mannheim in seinem Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht vom 24. Juni 2009 (Az. 13 S 519/09) weder gegen Art. 6 noch gegen Art. 3 GG.
Die dagegen gerichteten Revisionen der Kläger hat der 1. Senat zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, in der in § 104a Abs. 3 AufenthG vorgesehen Zurechnung der Straffälligkeit eines Ehegatten gegenüber dem anderen - strafrechtlich nicht in Erscheinung getretenen - Ehegatten liege kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Ausgangspunkt ist dabei der Charakter der Altfallregelung als einer verfassungsrechtlich und völkervertragsrechtlich nicht gebotenen Vergünstigung für eine bestimmte Gruppe von bereits langjährig in Deutschland lebenden, an sich ausreisepflichtigen Ausländern. Dabei steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dessen verfassungsrechtliche Grenzen, nämlich das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG und sonstige Verfassungsgebote, wie etwa der Schutz der Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG, sind hier nicht überschritten. So liegt ein sachlicher Grund für die Zurechnung von Straftaten der Ehegatten untereinander darin, dass andernfalls im Hinblick auf den Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG häufig ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht des von der Altfallregelung ausgeschlossenen straffällig gewordenen Ehegatten entstehen würde, so dass dieser Ausschlussgrund praktisch leerliefe. Soweit der VGH Mannheim in der Regelung eine verfassungsrechtlich verbotene Benachteiligung der Ehe gegenüber der eingetragenen Lebenspartnerschaft erblickt, trifft dies nicht zu, da als Familienmitglieder im Sinne von § 104a Abs. 3 AufenthG auch Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zu verstehen sind und es deshalb an einer unterschiedlichen Behandlung fehlt. Soweit Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft von der Vorschrift nicht erfasst werden, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil sie aus dem Schutz der Ehe auch umgekehrt kein Aufenthaltsrecht herleiten können. Aus den gleichen Gründen durfte der Gesetzgeber auch im Hinblick auf die minderjährigen Kinder im Rahmen von § 104a Abs. 1 AufenthG davon ausgehen, dass sie das aufenthaltsrechtliche Schicksal der Eltern teilen. Da auch kein Härtefall nach § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorlag, blieben die Revisionen ohne Erfolg.
Quelle: Presseerklärung des BVerwG