Ein Ausländer, der in Deutschland in einer Patchworkfamilie mit seiner Partnerin und Kindern zusammenlebt, kann in einem außergewöhnlichen Härtefall einen Aufenthaltstitel beanspruchen, wenn dies erforderlich ist, um eine Verletzung von Art. 6 GG zu vermeiden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit Urteil vom 30.07.2013 (BVerwG 1 C 15.12) entschieden.
Der 40jährige Kläger, der illegal nach Deutschland eingereist ist, und seine Lebensgefährtin sind ghanaische Staatsangehörige. Sie leben mit zwei gemeinsamen Kindern (drei bzw. fünf Jahre alt) in Deutschland. Zu ihrem Haushalt gehört auch die siebenjährige Tochter deutscher Staatsangehörigkeit aus einer früheren Beziehung der Lebensgefährtin, für die diese das alleinige Sorgerecht innehat. Die Partnerin des Klägers ist teilzeitbeschäftigt, während der Kläger die Kinder versorgt. Seine auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage hatte bei dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte hingegen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) verpflichtet.
Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Berufungsentscheidung aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG darf nur zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erteilt werden, etwa dann, wenn dies geboten ist, um eine Verletzung der Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK zu vermeiden. Auch müssen grundsätzlich die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel vorliegen. Ob ein solcher Fall hier gegeben ist, kann erst nach weiterer Sachaufklärung entschieden werden. Dem Kläger wäre es zwar zuzumuten, die familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Partnerin und den gemeinsamen Kindern in Ghana zu führen. Ob dies jedoch auch für die deutsche Tochter der Partnerin gilt, hängt u.a. davon ab, wie sich ihr Verhältnis zu ihrem leiblichen Vater und zum Kläger darstellt und ob sonstige Umstände ihr ein Verlassen des Bundesgebiets unzumutbar machen. Die Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels muss auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) berücksichtigen. Danach darf die Verweigerung eines Aufenthaltstitels nicht zur Folge haben, dass sich Unionsbürger wie die Tochter der Partnerin des Klägers de facto gezwungen sehen, das Gebiet der Union zu verlassen und damit auf die Ausübung ihres Unionsbürgerrechts zu verzichten.
Quelle: Presseerklärung des BVerwG