Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 5 C 4.07) in Leipzig hat heute entschieden, dass die Rücknahme einer durch arglistige Täuschung erwirkten Einbürgerung erst nach achteinhalb Jahren oder später nicht mehr "zeitnah" und daher nach derzeitiger Gesetzeslage unzulässig ist.
In zwei der entschiedenen Fälle hatten Ausländer ihre Einbürgerung dadurch erschlichen, dass sie im Einbürgerungsverfahren eine Zweitehe im Ausland (Pakistan) verschwiegen. In zwei anderen Fällen hatten sich türkische Staatsangehörige als Staatenlose aus dem Libanon ausgegeben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen des Landes gegen drei Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin und ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zurückgewiesen sowie die Aufhebung der Rücknahmebescheide in allen vier Verfahren bestätigt. Zur Begründung hat es auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2006 abgestellt. Danach besteht eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Rücknahme durch Täuschung erschlichener Einbürgerungen in Anwendung der allgemeinen Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder (§ 48 VwVfG) nur, wenn die Einbürgerung "zeitnah" zurückgenommen wird. Nur dann sei für die Betroffenen – bis zu einer speziellen Regelung im Staatsangehörigkeitsgesetz – die Rücknahme nach § 48 VwVfG als Folge ihres Verhaltens noch vorhersehbar.
Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, bis zu welcher zeitlichen Grenze die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung als noch zeitnah nach geltender Rechtslage zulässig ist. Jedenfalls in den vorliegenden Fällen, in denen die Einbürgerungen erst nach achteinhalb bis über elf Jahren zurückgenommen worden sind, waren die Rücknahmen nicht mehr zeitnah.
Das Bundesverwaltungsgericht hat – wie schon das Bundesverfassungsgericht – darauf hingewiesen, dass der Bundesgesetzgeber eine ausreichend klare spezialgesetzliche Regelung bisher nicht geschaffen habe.
BVerwG 5 C 4.07, 5.07, 14.07 und 15.07 – Urteile vom 14. Februar 2008
Presseerklärung des BVerwG Nr. 6/2008