Kein Einbürgerungsanspruch bei strafrechtlicher psychatrischer Unterbringungsanordnung

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Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass ein Anspruch auf Einbürgerung nach achtjährigem rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland (gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Staatsangehörigkeitsgesetz – StAG –) auch dann ausgeschlossen sein kann, wenn der Ausländer wegen einer von ihm begangenen rechtswidrigen Tat mangels Schuldfähigkeit zwar nicht bestraft, gegen ihn aber die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (als eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 63 Strafgesetzbuch - StGB -) angeordnet worden ist.

Der Kläger des einen Verfahrens ist ein türkischer Staatsangehöriger, der seit 1973 – mit Unterbrechung von 1983 bis 1990 – bei seinen Eltern in Deutschland lebt. Er beantragte Anfang 2001 seine Einbürgerung. Der Antrag wurde abgelehnt, weil das Landgericht Hamburg im Februar 1998 die Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus als Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 63 StGB angeordnet hatte. Der Kläger hatte im Juli 1997 einer jungen Frau mit einem Messer Stichwunden beigebracht. Nach den Feststellungen des Landgerichts geschah die Tat, die als gefährliche Körperverletzung beurteilt wurde, im Zustand einer schuldaufhebenden endogenen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Bereits im Januar 1999 wurde der Kläger aus dem psychiatrischen Krankenhaus wieder entlassen. Das Verwaltungsgericht Würzburg gab seiner Klage statt, der Verwaltungsgerichtshof München wies die Klage ab.

Der Kläger des anderen Verfahrens, der seit 1993 in Deutschland lebt, wurde im August 1997 als Asylberechtigter anerkannt und hat seither eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Er beantragte Anfang 2001 seine Einbürgerung. Der Antrag wurde abgelehnt, weil das Landgericht Mannheim im Dezember 1999 die Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hatte. Der Kläger litt nach den Feststellungen des Landgerichts spätestens seit Anfang 1998 an wahnhaften Verfolgungsideen. Unter dem Einfluss dieser Krankheit hatte er im März 1998 in einem Männerwohnheim einen Heimbetreuer mit Reizgas angegriffen und ihn mit der Faust zu Boden geschlagen; nach dem Eingreifen von Polizeibeamten beleidigte er eine Beamtin. Das Landgericht ging davon aus, dass der Kläger wegen einer krankhaften seelischen Störung schuldunfähig gewesen sei. Die Vollstreckung der Maßregel wurde entsprechend der Empfehlung des Sachverständigen zur Bewährung ausgesetzt. Widerspruch, Klage und Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim blieben erfolglos.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs München und des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim insoweit bestätigt, als auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 63 StGB von dem Begriff der „Verurteilung wegen einer Straftat" im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG umfasst wird. Der Ausländer hat daher in einem solchen Fall ebenso wie ein Straftäter grundsätzlich keinen Anspruch auf Einbürgerung, wenn er mangels Schuldfähigkeit nicht zu einer Strafe verurteilt, gegen ihn aber – im Hinblick auf seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit - die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist. Ausnahmsweise kann aber auch die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung – ebenso wie nach dem Gesetz die Verurteilung zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe – außer Betracht bleiben. Darüber hat die Staatsangehörigkeitsbehörde (entsprechend § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG) im Einzelfall nach ihrem Ermessen zu entscheiden. In dem ersten Fall ist diese Ermessensentscheidung fehlerfrei zu Lasten des Klägers getroffen worden; das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb seine Revision zurückgewiesen.

In dem zweiten Fall ist dagegen bisher eine solche Ermessensentscheidung unterblieben; in diesem Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht das beklagte Land zu einer erneuten Entscheidung über den Antrag des Klägers verpflichtet.

BVerwG 5 C 31.05 und 5 C 33.05 – Urteile vom 29. März 2007

Quelle: Presseerklärung des Bundesverwaltungsgerichts