LEIPZIG - Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 13. Dezember 2005 entschieden, dass die Ausländerbehörde einem anerkannten Flüchtling einen Reiseausweis nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) auch ausstellen kann, wenn sein Aufenthalt in Deutschland nach bestandskräftiger Ausweisung nur geduldet wird.
Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, hält sich seit seiner Einreise im Jahre 1996 in Deutschland auf. 1997 wurde er als Flüchtling im Sinne der GFK anerkannt. 1999 wurde er ausgewiesen, weil er als ?Spendeneintreiber? für die PKK u.a. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden war. Die Klage gegen die Ausweisung nahm der Kläger im Jahr 2000 nach Abschluss eines Vergleichs zurück. Seitdem wird der Aufenthalt des Klägers geduldet. Der Vergleich sieht vor, dass dem Kläger bei straffreier Führung ab Juli 2007 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
Im Jahr 2001 beantragte der Kläger die Erteilung eines Reiseausweises nach der GFK. Die beklagte Stadt lehnte den Antrag ab. Das vom Kläger angerufene Verwaltungsgericht verpflichtete die Beklagte zur erneuten Ermessensentscheidung über den Antrag (nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GFK). Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat die Klage dagegen abgewiesen. Nach seiner Auffassung darf ein Reiseausweis an ausgewiesene Ausländer nicht erteilt werden. Dem stehe die gesetzlich vorgesehene sog. "Sperrwirkung" der Ausweisung (§ 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz) entgegen, d.h. das Verbot für ausgewiesene Ausländer, nach der Ausreise oder Abschiebung wieder nach Deutschland einzureisen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Das allgemeine Verbot der Wiedereinreise für ausgewiesene Ausländer schließt die Ausstellung eines Reiseausweises an einen ausgewiesenen und in Deutschland nur noch geduldeten Konventionsflüchtling nicht aus. Das ergibt sich aus der Sonderregelung in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GFK, die auch geduldeten Flüchtlingen Reisen außerhalb des Aufenthaltsstaats nach dem Ermessen der Ausländerbehörde ermöglichen will.
Ein Reiseausweis darf allerdings nicht erteilt werden, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen. Das hat der Verwaltungsgerichtshof bisher nicht geprüft. Deshalb muss das Verfahren zurückverwiesen werden. Der Verwaltungsgerichtshof wird nunmehr zunächst prüfen müssen, ob dem Kläger auch unter Berücksichtigung der von ihm begangenen Straftat und seiner früheren Einbindung in die PKK ohne Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung Reisen ins Ausland gestattet werden können. Erst dann wird die Beklagte ihr Ermessen unter Abwägung der öffentlichen und privaten Belange neu auszuüben haben. Dabei kann sie auch den inzwischen ausgesprochenen, aber vom Kläger angefochtenen Widerruf der Flüchtlingsanerkennung berücksichtigen.
Presseerklärung des BVerwG