BVerwG hält Vereinbarkeit der Sprachanforderungen beim Familiennachzug mit EU-Recht für klärungsbedürftig

Anzeige Werbung Kanzleien Anzeige

Das BVerwG hat im Rahmen der Kostenentscheidung im Verfahren 1 C 9.10 mit Beschluss vom 28.10.2011 ausgeführt, dass „die Frage, ob das Erfordernis einfacher deutscher Sprachkenntnisse in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG mit Art. 7 Abs. 2 der Familienzusammenführungsrichtlinie 2003/86/EG vereinbar ist, mit Rücksicht auf die inzwischen veränderte Auffassung der Europäischen Kommission (vgl. Stellungnahme vom 4. Mai 2011 im Verfahren C-155/11 PPU, Imran - Stellungnahme der Kommission zu den Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug (1.22 MB)) dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung hätte vorgelegt werden müssen". Damit hat der Senat sich von der Einschätzung, die Sprachanforderungen im Aufenthaltsgesetz seien zweifelsfrei mit Unionsrecht vereinbar, distanziert.

Mit der Kostenentscheidung reagierte das Gericht auf den Umstand, dass das Auswärtige Amt die Erledigung des Verfahrens dadurch herbei geführt hatte, dass es sich bereit erklärte, den Klägern die Visa ohne die erforderlichen Sprachvoraussetzungen zu erteilen. Der 1. Senat hatte nach Auskunft des Bevollmächtigten der Kläger, Rechtsanwalt Berger, vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung auf die Möglichkeit einer Vorlage hingewiesen, nachdem der Ehemann in den Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG und damit in den Anwendungsbereich der Familienzusammenführungsrichtlinie gelangt ist.

Es ging um folgenden Fall:

Die Kläger, eine Mutter und ihre drei minderjährigen Kinder, sind kamerunische Staatsangehörige. Sie begehren ein Visum zum Nachzug zu ihrem 2002 nach Deutschland eingereisten Ehemann bzw. Vater, der ebenfalls kamerunischer Staatsangehöriger ist. Nachdem wegen einer im Heimatstaat nicht behandelbaren Erkrankung zu seinen Gunsten ein Abschiebungsverbot nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990 festgestellt worden war, erhielt er einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen, derzeit eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die im April 2005 gestellten Visumanträge der Kläger lehnte die deutsche Botschaft in Kamerun wegen fehlender Sicherung des Lebensunterhalts ab. Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klagen im September 2006 mangels Sicherung des Lebensunterhalts und ausreichenden Wohnraums abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Berufung der Kläger im März 2010 zurückgewiesen. Zwar sei der Lebensunterhalt für die Kläger nunmehr gesichert. Auch lägen die Voraussetzungen für einen Familiennachzug nach den §§ 27 und 29 AufenthG vor, insbesondere stehe ausreichender Wohnraum zur Verfügung. Die Kläger könnten aber deshalb kein Visum zum Familiennachzug beanspruchen, weil die Ehefrau (Klägerin zu 1) sich nicht zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen könne (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Dieses im August 2007 eingeführte gesetzliche Erfordernis gelte mangels einer Übergangsregelung auch für bereits vorher gestellte Visumanträge und sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Hiergegen richtete sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision der Kläger.

Darüber berichten sogleich auch die taz
 
http://www.taz.de/Beschluss-des-Bundesverwaltungsgerichts/!81517/
 
die Linke
 
http://www.sevimdagdelen.de/de/article/2439.bundesregierung_bei_sprachanforderungen_duepiert.html
 
und Bündnis 90/Die Grünen
 
http://www.memet-kilic-gruene.de/themen/details/art/pm-sprachnachweis-beim-familiennachzug-wackelt-immer-mehr.html

Für Mitglieder: icon BVerwG, B. v. 28.10.2011 - 1 C 9.10 -