Kein Schengen-Visum bei begründeten Zweifeln an der Rückkehrbereitschaft

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Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (BVerwG 1 C 1.10) hat am 11. Januar 2011 entschieden, dass begründete Zweifel an der Rückkehrbereitschaft der Erteilung eines für den gesamten Schengen-Raum gültigen Besuchsvisums zwingend entgegenstehen. In diesem Fall ist auch die Erteilung eines auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkten Visums zum Besuch naher Familienangehöriger nur ausnahmsweise möglich.

Der Entscheidung lag der Fall einer marokkanischen Staatsangehörigen zugrunde. Ihre beiden - 1998 und 2001 geborenen - Kinder leben seit 2005 bei ihrem geschiedenen Ehemann in Deutschland. Einen Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Schengen-Visums zum Besuch ihrer Kinder lehnte die Deutsche Botschaft in Rabat Anfang 2008 wegen fehlender Rückkehrbereitschaft ab. Die hiergegen erhobene Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg war hingegen der Auffassung, dass sich das Verpflichtungsbegehren auf Erteilung eines Visums mit Ablauf der im Visumantrag angegebenen Reisedaten erledigt habe und die Ablehnung nicht rechtswidrig gewesen sei.

Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis bestätigt. Zur Begründung hat er ausgeführt: Ein Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums für einen kurzfristigen Besuchsaufenthalt ist bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte dahin auszulegen, dass der Antragsteller auch noch nach Ablauf der im Antragsformular anzugebenden geplanten Reisedaten an seinem Besuchswunsch festhält. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat sich das Verpflichtungsbegehren der Klägerin daher nicht erledigt. Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf ein Besuchsvisum. Nach der seit April 2010 maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 810/2009 (icon Visakodex - VK -) ist ein Antrag auf Erteilung eines einheitlichen, für den gesamten Schengen-Raum gültigen Besuchsvisums zwingend abzulehnen bei begründeten Zweifeln an der Absicht des Antragstellers, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen (Art. 32 Abs. 1 Buchst. b VK). Von solchen Zweifeln ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Klägerin auszugehen. Denn sie hat im Visumverfahren zunächst falsche Angaben über den wahren Aufenthaltszweck gemacht und es liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass sie wegen ihrer Kinder auf Dauer im Bundesgebiet bleiben will. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erteilung eines nur für das Bundesgebiet gültigen Besuchsvisums. Ein solches Visum wird von einem Mitgliedstaat nur in den in Art. 25 Abs. 1 VK aufgeführten Ausnahmefällen erteilt. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Ausgehend von dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung einer ungesteuerten Einwanderung ist auch mit Blick auf den besonderen Schutz familiärer Bindungen die Erteilung eines Visums nicht erforderlich. Die Klägerin hat die bestehende räumliche Trennung von ihren Kindern selbst dadurch herbeigeführt, dass sie deren Übersiedlung nach Deutschland zustimmte. Sie und ihre Kinder sind zur Aufrechterhaltung der familiären Kontakte auch nicht zwingend auf einen Besuch der Klägerin in Deutschland angewiesen. Diese können auf andere Weise, etwa über das Internet, Briefe und Telefonate sowie Besuche der Kinder während der Ferien in Marokko fortgeführt werden.

Quelle: Presseerklärung des BVerwG