Visum zur Kinderadoption in Deutschland

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Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig hat am 26. Oktober 2010 entschieden, dass ein Visum zum Zweck der Adoption eines Kindes aus dem Ausland grundsätzlich nur dann erteilt werden darf, wenn zuvor ein Verfahren der internationalen Adoptionsvermittlung erfolgreich durchgeführt wurde. Dies gebietet der Schutz des Kindeswohls.

Kläger in dem Verfahren waren ein inzwischen 12-jähriger Marokkaner, der in einem Waisenhaus in Casablanca lebt, sowie eine 48-jährige Deutsche marokkanischer Herkunft, die in München lebt und den Jungen in Deutschland adoptieren will. Die Klägerin hat den Jungen vor Jahren in Marokko kennengelernt, ihn regelmäßig besucht und von einem marokkanischen Gericht die Erlaubnis erhalten, den Jungen in Pflege zu nehmen (sog. Kafala) und mit ihm nach Deutschland auszureisen. Eine Adoption des Jungen in Marokko war und ist nicht möglich, weil das dortige Rechtssystem das Institut der Adoption nicht vorsieht. Den Antrag der Kläger, dem Jungen ein Visum zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens in Deutschland zu erteilen, lehnte die deutsche Botschaft in Marokko ab.

Im Berufungsverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Botschaft, über den Visumsantrag erneut zu entscheiden. Die Botschaft dürfe dabei die Erfolgsaussichten der angestrebten Adoption berücksichtigen. Maßgebend seien die Regelungen des Adoptionsvermittlungsgesetzes. Die für die Klägerin örtlich zuständige Adoptionsvermittlungsstelle, das Stadtjugendamt in München, sei verpflichtet, auf Antrag die allgemeine Elterneignung der Klägerin zu prüfen. Die Weigerung des Jugendamtes, diese Prüfung vorzunehmen, sei rechtswidrig und müsse ggf. im Klagewege überwunden werden. Erst wenn feststehe, dass die Klägerin auf diesem Weg keinen Eignungsnachweis erbringen könne, sei die Botschaft berechtigt, im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung die Erfolgsaussichten der Adoption außer Betracht zu lassen.

Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Erteilung des beantragten Visums nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes richtet. Danach kann "in begründeten Fällen" eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Es trifft auch zu, dass bei einer internationalen Adoption wie der hier beabsichtigten die Voraussetzungen des Adoptionsvermittlungsgesetzes zu beachten sind. Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass im Rahmen des Visumsverfahrens lediglich die Frage der Elterneignung von Bedeutung sei, geht aber fehl. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein begründeter Fall im Sinne des § 7 AufenthG grundsätzlich nur dann vor, wenn ein internationales Adoptionsvermittlungsverfahren vollständig durchgeführt worden ist und mit einer positiven Empfehlung der zuständigen Adoptionsvermittlungsstelle geendet hat. Es ist ausschließlich Sache der gesetzlich vorgesehenen Vermittlungsstellen - und nicht der Ausländerbehörden -, die sachdienlichen Ermittlungen bei den Adoptionsbewerbern, bei dem Kind und ggf. dessen Familie durchzuführen und dabei zu prüfen und zu bewerten, ob die Adoptionsbewerber unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Kindes und dessen individueller Bedürfnisse für die Annahme des Kindes geeignet sind. Da dieses Verfahren der Sicherung des Kindeswohls dient, kommt eine Visumserteilung grundsätzlich auch dann nicht in Betracht, wenn ein internationales Adoptionsvermittlungsverfahren nicht durchgeführt werden kann, weil es im Heimatstaat des Kindes an einer entsprechenden Adoptionsvermittlungsstelle fehlt. Da das internationale Adoptionsvermittlungsverfahren im vorliegenden Fall nicht durchgeführt worden ist, liegen bereits die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung der deutschen Auslandsvertretung über den Visumsantrag nicht vor. Deshalb kam eine Visumserteilung hier nicht in Betracht.

Unabhängig davon hat der Senat darauf hingewiesen, dass das Haager Kinderschutzübereinkommen für Deutschland im Januar 2011 in Kraft tritt. Damit und mit den entsprechenden Anpassungen des deutschen Rechts wird es dann ein zwischenstaatliches Verfahren geben, das speziell auf die Inpflegenahme von Kindern auf Grundlage der Kafala zugeschnitten ist.

BVerwG 1 C 16.09 - Urteil vom 26. Oktober 2010

Vorinstanzen:
VG Berlin, VG 7 V 66.06 - Urteil vom 29. März 2007 -
OVG Berlin-Brandenburg, OVG 3 B 8.07 - Urteil vom 21. April 2009 -

Quelle: Presseerklärung des BVerwG