Der EGMR hat in der Rechtssache Trabelsi gegen Deutschland (Beschwerde-Nr.: 41548/06)am 13. Oktober 2011 die Ausweisung eines 28-jährigen Tunesiers, der in Deutschland geboren worden ist, als mit Art. 8 EMRK vereinbar angesehen, obwohl dieser seiner Heimatsprache nicht mächtig ist.
Der Beschwerdeführer, der in dem Zeitraum 1999 bis 2003 acht Mal verurteilt worden war, scheiterte vor dem EGMR mit einer Beschwerde gegen das Ausweisungsverfahren. Er hatte sich hierbei auf Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gestützt, in welchem das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens normiert ist.
Die Delikte umfassten u.a. Schwere Erpressung. Diebstahl mit Waffen, gefährliche Körperverletzung. Ihm kam nach den Feststellungen der Behörde und der Gerichte kein besonderer Ausweisungsschutz zugute, da er seit 2003 nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen ist. Aufgrund dieser Verurteilung hatte die Stadt Bielefeld im Jahr 2004 eine zwingende Ausweisung des Beschwerdeführers angeordnet.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Ausweisung verstoße gegen Art. 8 EMRK, insbesondere fehle es an einer Befristung der Ausweisung, die jedenfalls zwingend geboten sei. Die Bundesregierung hat u.a. vorgetragen, dass hinsichtlich der Befristung nicht alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft seien, da insoweit kein Antrag gestellt worden sei.
Die Kammer des Gerichtshofs weist zunächst auf § 11 Abs. 1 AufenthG und die Möglichkeit der Befristung der Ausweisung hin. Sodann zitiert sie Entscheidungen des 1. Senats des Bundesverwaltungsgerichts zur Notwendigkeit von Befristungsentscheidung (Urteile vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 30.02, BVerwG 1 C 29.02), auch zur Möglichkeit, eine Befristung ohne Antrag auszusprechen. Weiter geht sie auf den Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - ein, wonach die Frage der Befristung einer Ausweisung nur ein Aspekt der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Sinne des Art. 8 EMRK sei. Es müsse nach der Auffassung des BVerfG auch geprüft werden, ob die Ausweisung mit ihren unmittelbaren Folgen bereits unverhältnismäßig sei.
Sodann stellt der EGMR einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens fest. Bei der Prüfung der Rechtfertigung (Notwendig in einer demokratischen Gesellschaft) zitiert er die Entscheidungen Üner und Maslov II. Das Gericht wendet die dort aufgestellten Kriterien, die eine Verfeinerung und Übertragung der das Familienleben betreffenden "Boultif-Kriterien" auf das Privatleben darstellen, an und kommt zu dem Ergebnis, dass die Maßnahme sich als verhältnismäßig erweist. Dabei wird neben der Schwere der Straftaten auch auf die Unsicherheit des Aufenthaltstitels ("la précarité du titre de séjour") abgestellt.
Zur Frage der Befristung weist der EGMR darauf hin, dass eine solche Befristung - nach Auffassung des BVerfG - ggf. nicht zur Verhältnismäßigkeit der Ausweisung führen könnte, wenn und weil der Kläger keine von der Konvention geschützten familiären Verbindungen (nach Deutschland) habe. Die Bundesregierung habe nicht aufgezeigt, dass eine Befristung sich hier auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme überhaupt auswirken könne, sodass eine fehlende Rechtswegerschöpfung der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegenstehen könne.