Ausweisung wegen "Ehrenmordes" - Verhandlung endet mit Vergleich vor dem VGH

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Am Mittwoch, dem 27.10.2010, 10:00 Uhr, verhandelte der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) das Berufungsverfahren eines türkischen Staatsangehörigen, der nach dem Mord an dem Lebensgefährten seiner Schwester ausgewiesen wurde (Az.: 11 S 832/10). Das Verfahren endete mit einem Vergleich.

Der im Jahre 1985 in der Bundesrepublik Deutschland geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wuchs als jüngstes Kind seiner 1975 auf Dauer ein-gereisten Eltern zusammen mit seinen Geschwistern auf.

Das Landgericht Stuttgart verurteilte ihn mit Urteil vom 11.04.2005 wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von 9 Jahren, weil er im Oktober 2004 den Lebensgefährten seiner älteren Schwester mit 40 Messerstichen getötet hatte. Die Schwester hatte sich zu diesem Zeitpunkt einvernehmlich von ihrem Ehemann getrennt und lebte in Scheidung. Der ältere Bruder des Klägers hatte in den Monaten vor der Tat - teilweise unter Anwendung von Gewalt - ständig versucht, seine Schwester zu einer Rückkehr zu ihrem Ehemann zu bewegen, jedenfalls aber die Beziehung zu ihrem Lebensgefährten zu beenden. Das vom Landgericht Stuttgart eingeholte jugendpsychiatrische Gutachten hatte nicht ausschließen können, dass der Kläger während der Tat in einen Zustand der verminderten Schuldfähigkeit geraten war.

Daraufhin wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger mit Verfügung vom 01.02.2006 aus dem Bundesgebiet aus.

Die Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart blieb erfolglos. In seinem Urteil vom 05.08.2008 ging das Gericht davon aus, vom Kläger gehe nach wie vor eine erhebliche Gefahr aus, dass er vergleichbare oder andere mit Gewaltanwendung verbundene Straftaten begehen werde. Dies liege vornehmlich darin begründet, dass er die Tat zur Wiederherstellung der Familienehre begangen habe und hinter der Tat in der Familie verwurzelte archaisch-patriarchalische Familientraditionen gestanden hätten, die der Kläger bislang nicht überwunden habe. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.

Während der Haft hat der Kläger den Realschulabschluss nachgeholt und eine Lehre zum Maler und Lackierer erfolgreich abgeschlossen. Nachdem er seit Oktober 2004 ununterbrochen in Haft war, wurde er im Juli 2009 in einem Freigängerheim untergebracht, von dem aus er seinem erlernten Beruf nachging. Im Januar 2010 setzte das Amtsgericht nach Einholung eines neuen jugendpsychiatrischen Gutachtens die Reststrafe zur Bewährung aus. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Staatsanwaltschaft blieb erfolglos. Seit März 2010 lebt der Kläger in Freiheit.

Das Verfahren endete nach längerer Verhandlung, in der auch ein Sachverständiger zur Frage einer Rückfallgefährdung gehört wurde, mit einen Vergleich. Danach wird das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger bis zum 21.01.2013 dulden und, wenn er in dieser Zeit nicht wegen einer erheblichen vorsätzlichen Straftat in Erscheinung getreten ist, die Wirkungen der Ausweisung befristen. Das bedeutet, dass der Kläger zunächst in Deutschland bleiben darf, aber nicht mehr im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Dieser kann ihm erst nach Ablauf der gesetzten Frist, also nach erfolgreicher „Bewährung“, erteilt werden. Sollte er sich nicht bewähren, muss der Kläger ausreisen.

Mit diesem Vergleich ist das Verfahren vor dem VGH abgeschlossen (Az.: 11 S 832/10).

 
Quelle Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg
 
Rechtsanwalt Ünal Zeran
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