Zweifel an der Verfassungstreue des Einbürgerungsbewerbers wegen PKK-Selbstbezichtigungserklärung
Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg zu den Auswirkungen der Unterzeichnung einer sog. PKK-Selbstbezichtigungserklärung (?Auch ich bin ein PKK?ler?), die als Unterstützungshandlung i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG angesehen wird und damit geeignet ist, die Versagung der Einbürgerung zu rechtfertigen. Anmerkung zu folgenden Entscheidungen:
- VGH Baden-Württemberg, Urt. V. 10.11.2005 - 12 S 1696/05 - und
- VGH Baden-Württemberg, B. v. 12.12.2005 ? 13 S 2948/04 ?, NVwZ 2006, 484 sowie
- OVG Hamburg. Urt. v. 06.12.2005 ? 3 Bf 172/04 ? und
- OVG Saarlouis, Urt. v. 08.03.2006 ? 1 R 1/06 ?
In den letzten Monaten häufen sich Entscheidungen von Obergerichten zur Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Einbürgerung wegen Zweifeln an der Verfassungstreue des Einbürgerungsbewerbers und damit wegen Fehlens der Voraussetzungen von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAG ausscheidet.
Den oben angeführten Entscheidungen lag jeweils das Einbürgerungsverfahren türkischer Staatsangehöriger zu Grunde, die 2001 eine sog. ?Selbsterklärung? unterzeichnet hatten, in der sie, wie zigtausend andere Personen in Deutschland, unter der Überschrift ?Auch ich bin ein PKK?ler? u.a. ihre Zugehörigkeit zur PKK und erklärt hatten, das gegen die PKK ausgesprochene Verbot zu verurteilen und zu missachten. Mit diesen Erklärungen, die gesammelt deutschen Exekutiv- und Legislativorganen vorgelegt wurden, wollten die Initiatoren der Aktion eine Aufhebung des PKK-Verbots erreichen. Jahre später wird den Einbürgerungsbewerbern diese Erklärung als Unterstützungshandlung im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAG vorgehalten und ihre Einbürgerung aus diesem Grund abgelehnt.
Voraussetzungen für die Abkehr der Unterstützung der PKK
Die Gerichte hatten sich bei der Überprüfung der ablehnenden Entscheidungen der Einbürgerungsbehörden im Wesentlichen mit zwei Fragen auseinanderzusetzen. Zum einen war zu klären, ob die ?PKK-Selbsterklärung? eine Unterstützungshandlung darstellt, wenn der Einbürgerungsbewerber damit auch oder ? subjektiv ? in erster Linie für den 2001 verlautbarten Friedenskurs der PKK und die in der Erklärung gleichfalls enthaltene Zustimmung zum ?politischen Kampf auf legaler Grundlage? eintreten wollte. Zum anderen war festzustellen, unter welchen Voraussetzungen sich ein Einbürgerungsbewerber von früheren, verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a.E. StAG abwenden kann.
Die Gerichte beantworteten die Fragen ? im Wesentlichen auch durch Bezugnahme untereinander ? wie folgt: Die ?PKK-Selbsterklärung? begründet den hinreichenden Verdacht der Unterstützung gemäß § 11 S. 1 Nr. 2 StAG missbilligter Bestrebungen, ohne dass es insoweit auf die tatsächliche innere Einstellung des Einbürgerungsbewerbers ankommt. Ein Abwenden von sicherheitsrelevanten Bestrebungen im Sinne von § 11 S. 1 Nr. 2 StAG erfordert die Glaubhaftmachung eines inneren Vorgangs, auf Grund dessen mit hinreichende Gewissheit auszuschließen ist, dass künftig sicherheitsgefährdende Handlungen vorgenommen werden, wobei das bloße, jahrelange Untätigsein hierfür grundsätzlich nicht ausreicht.
Auswirkungen auf die Einbürgerungspraxis von Personen mit PKK-Selbstbezichtigungserklärungne
Die Entscheidungen werden, soviel ist vorherzusagen, in der Praxis schon allein wegen der hohen Anzahl dieser ?Selbstbezichtigungserklärungen? nur von den Einbürgerungsbehörden freudig zur Kenntnis genommen werden. Der Einbürgerungsbewerber muss beachten, dass einer Einbürger hohe Hürden entgegen stehen, wenn auch nur eine einzige sicherheitsgefährdende Handlung bekannt wird.
Bei der ?PKK-Selbsterklärung? handelt es sich um eine solche sicherheitsgefährdende Bestrebung. Nach Meinungen des OVG Saarlouis (a. a. O.) und insoweit in Übereinstimmung mit den anderen Obergerichten gilt Folgendes: ?In der Unterzeichnung der ?PKK-Selbsterklärung? ist ein tatsächlicher Anhaltspunkt zu sehen, der grundsätzlich die Annahme rechtfertigt, dass der Einbürgerungsbewerber (sicherheitsgefährdende) Bestrebungen unterstützt hat.
Die PKK war zur maßgeblichen Zeit der Identitätskampagne im Sommer 2001 eine Organisation, die Bestrebungen verfolgt hat, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet waren und darüber hinaus durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Eine dauerhafte Abkehr von gewalttätigen Bestrebungen sei im maßgeblichen Jahr 2001 nicht feststellbar gewesen; vielmehr ging von der PKK nach wie vor eine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. In der Unterzeichnung der ?PKK-Selbsterklärung? sei ein tatsächlicher Anhaltspunkt im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG zu sehen, der grundsätzlich die Annahme einer Unterstützung der PKK rechtfertige. Darunter sei jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt. Dazu zählt jedes Tätigwerden auch eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt. Darunter fallen neben der Gewährung finanzieller Unterstützung oder der Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele auch die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von gemäß § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG inkriminierten Bestrebungen. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an.
Allerdings muss es für den Ausländer grundsätzlich erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, dass sein Handeln die Vereinigung und ihre Bestrebungen unterstützt. An einem Unterstützen fehlt es, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die inkriminierten Ziele befürwortet und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung der inkriminierten Bestrebungen zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potentiell gefährliches Unterstützen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG vor.
Die Selbsterklärungen hatten auch eine objektiv vorteilhafte Wirkung für die PKK und deren verbotene Betätigung. Dies hat bereits der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 27.3.2003 - 3 StR 377/02 -, NJW 2003, 2621, angenommen und von daher in der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung eine Zuwiderhandlung gegen das Verbot, sich für die PKK zu betätigen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG), gesehen??
Hieran gemessen ist die ?PKK-Selbsterklärung? eine Unterstützungshandlung im Sinne von § 12 S. 1 Nr. 2 StAG, da sie für die PKK objektiv vorteilhaft ist und ein beweis- oder messbarer Nutzen für die Verwirklichung ihrer missbilligten Ziele ebenso wenig eine Rolle spielt, wie die Frage der subjektiven Vorwerfbarkeit der Unterzeichnung (ausführlich hierzu: VGH Baden-Württemberg ? 12 S 1696/05 ?).
Abkehr von der Unterstützung der PKK durch den Einbürgerungsbewerber
Liegt eine sicherheitsrelevante Unterstützungshandlung vor, besteht ein Anspruch auf Einbürgerung nur, wenn der Einbürgerungsbewerber glaubhaft machen kann, dass er sich inzwischen von derartigen Bestrebungen abgewandt hat. Der zwölfte Senat des VGH Baden-Württemberg führt in VGH Baden-Württemberg, Urt. V. 10.11.2005 - 12 S 1696/05 insoweit aus:
?Hierfür genügt ein bloßes Unterlassen der früheren Unterstützungshandlungen nicht. Vielmehr muss zusätzlich ein innerer Vorgang stattgefunden haben, der sich auf die inneren Gründe für die Handlungen bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass diese so nachhaltig entfallen sind, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig die Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen - auch in Ansehung der durch die Einbürgerung erworbenen gesicherten Rechtsposition - auszuschließen ist... Die Abwendung setzt grundsätzlich individuelle Lernprozesse voraus; dazu können aber auch von innerer Akzeptanz getragene kollektive Lernprozesse gehören... Die Glaubhaftmachung der Abwendung erfordert die Vermittlung einer entsprechenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit ... Die Dauer der verstrichenen Zeit zwischen der letzten Unterstützungshandlung und der Beurteilung des Einbürgerungsbewerbers kann auf der Ebene der Glaubhaftmachung der Abwendung von früheren Unterstützungshandlungen zu berücksichtigen sein... Auch Art, Gewicht und Häufigkeit der Handlungen sind für die an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen maßgeblich ? Je geringer das Gewicht der Unterstützungshandlungen ist und je länger sie zurückliegen, desto eher wird es dem Einbürgerungsbewerber gelingen, glaubhaft zu machen, dass er sich von den in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG inkriminierten Bestrebungen dauerhaft abgewandt hat?; oder, wie das OVG Hamburg meint: ?Die Glaubhaftmachung einer veränderten Auffassung verlangt angesichts der nur schwer zu fassenden Anhaltspunkte aus der (inneren) Sphäre des Ausländers und der ihn treffenden materiellen Beweislast eine substantiierte Darlegung von Umständen, die den nachvollziehbaren Schluss auf eine geänderte innere Einstellung zulässt? Um eine geänderte innere Einstellung glaubhaft zu machen, ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Kläger einräumt oder zumindest nicht bestreitet, die PKK früher unterstützt zu haben?.
Bei der Frage der Glaubhaftmachung ist eine Gesamtwürdigung des Einbürgerungsbewerbers vorzunehmen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Bewerber nur ein politischer ?Mitläufer?, also eine bloße Randfigur von geringer Bedeutung gewesen ist, wie lange die einbürgerungsschädlichen politischen Aktivitäten zurückliegen, ob er sie einräumt, gar niemals geleugnet hat oder sie bagatellisiert, ob er erkennbar bereut und ob er von einem ?Schlüsselerlebnis? berichten kann (VGH Baden-Württemberg ? 13 S 2948/04 ?).
Die Anforderungen für eine solche Glaubhaftmachung sind somit zwar hoch, sie können bei sorgfältiger Auseinandersetzung mit der Gesamtheit der bekannten Erkenntnisse zum Einbürgerungsbewerber aber erfüllt werden, wenn im Wesentlichen allein die ?Selbsterklärung? die Einbürgerung hindert und die oben dargestellten Grundsätze beachtet werden.
Rechtsanwalt für Einbürgerung, Familiennachzug, Visum: Thomas Oberhäuser.