Frühere Versäumnisse beim Spracherwerb hindern Einbürgerung nicht

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Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat mit Urteil vom 5. Juni 2014 (BVerwG 10 C 2.14) ent­schie­den, dass frühere Versäumnisse beim Spracherwerb die Einbürgerung nicht hindern.

Kann ein Aus­län­der wegen Krank­heit, Be­hin­de­rung oder Al­ters nicht die er­for­der­li­chen Kennt­nis­se der deut­schen Spra­che er­wer­ben, darf sei­nem Ein­bür­ge­rungs­be­geh­ren nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den, er habe es in der Ver­gan­gen­heit ver­säumt, sich diese Kennt­nis­se an­zu­eig­nen.

Die Klä­ge­rin, eine 1939 ge­bo­re­ne ira­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge, reis­te 1988 in das Bun­des­ge­biet ein und wurde 1995 als Asyl­be­rech­tig­te an­er­kannt. 2008 be­an­trag­te sie ihre Ein­bür­ge­rung und gab unter Vor­la­ge eines ärzt­li­chen At­tests an, aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den nicht in der Lage zu sein, die ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen deut­schen Sprach­kennt­nis­se zu er­wer­ben. Das wurde durch eine amts­ärzt­li­che Un­ter­su­chung be­stä­tigt. Die Be­klag­te lehn­te die Ein­bür­ge­rung der Klä­ge­rin mit der Be­grün­dung ab, sie er­fül­le nicht die sprach­li­chen An­for­de­run­gen. Weil sie seit ihrer Ein­rei­se ge­nü­gend Zeit ge­habt habe, die er­for­der­li­chen Deutsch­kennt­nis­se zu er­wer­ben, könne sie sich nun nicht dar­auf be­ru­fen, ge­gen­wär­tig nicht mehr Deutsch ler­nen zu kön­nen. Das Ver­wal­tungs­ge­richt ver­pflich­te­te die Be­klag­te zur Ein­bür­ge­rung der Klä­ge­rin, da die Be­rück­sich­ti­gung et­wai­ger Ver­säum­nis­se in der Ver­gan­gen­heit im Ge­setz keine Stüt­ze finde. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ist dem ge­folgt.

Der 10. Re­vi­si­ons­se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts hat diese Auf­fas­sung be­stä­tigt und die Re­vi­si­on der Be­klag­ten zu­rück­ge­wie­sen. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Staats­an­ge­hö­rig­keits­ge­set­zes (StAG) setzt die Ein­bür­ge­rung vor­aus, dass ein Aus­län­der über aus­rei­chen­de Kennt­nis­se der deut­schen Spra­che ver­fügt. Von die­ser Vor­aus­set­zung wird nach dem im Jahr 2007 in das Ge­setz ein­ge­füg­ten Ab­satz 6 der Vor­schrift ab­ge­se­hen, wenn der Aus­län­der sie wegen einer kör­per­li­chen, geis­ti­gen oder see­li­schen Krank­heit oder Be­hin­de­rung oder al­ters­be­dingt nicht er­fül­len kann. Für die An­wen­dung die­ses Aus­nah­me­tat­be­stands kommt es nach dem Wort­laut und dem sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang nur auf die Ver­hält­nis­se im Zeit­punkt der Ent­schei­dung über den Ein­bür­ge­rungs­an­trag an. Ob der Aus­län­der in der Ver­gan­gen­heit aus­rei­chen­de Sprach­kennt­nis­se hätte er­wer­ben kön­nen, ist auch nach der Ent­ste­hungs­ge­schich­te sowie dem Sinn und Zweck der Vor­schrift ohne Be­deu­tung. Zwar hat der Ge­setz­ge­ber die Sprach­an­for­de­run­gen bei der Ein­bür­ge­rung im Laufe der Zeit kon­ti­nu­ier­lich ver­schärft. Zu­gleich hat er aber im Än­de­rungs­ge­setz von 2007 auch eine Aus­nah­me­re­ge­lung zu­guns­ten von kran­ken oder be­hin­der­ten Per­so­nen sowie Per­so­nen ge­schaf­fen, die diese An­for­de­run­gen auf­grund ihres Al­ters nicht mehr er­fül­len kön­nen. Da die Klä­ge­rin mit Aus­nah­me des Sprach­er­for­der­nis­ses alle Ein­bür­ge­rungs­vor­aus­set­zun­gen er­füllt, die not­wen­di­gen Sprach­kennt­nis­se aber krank­heits­be­dingt nicht mehr er­wer­ben kann, ist hier­von ab­zu­se­hen und die Klä­ge­rin ein­zu­bür­gern.

Quelle: Presseerklärung des BVerwG vom 5.Juni 2014