EuGH zur Aufhebung der Haft bei Verletzung der Verteidigerrechte (Anspruch auf rechtliches Gehör)

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EuGH, Rs. C-383/13, Urteil vom 10.09.2013

Tenor:

Das Unionsrecht, insbesondere Art. 15 Abs. 2 und 6 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ist dahin auszulegen, dass das nationale Gericht, das mit der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer in einem Verwaltungsverfahren unter Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschlossenen Verlängerung einer Haftmaßnahme betraut ist, die Haftmaßnahme nur dann aufheben darf, wenn es aufgrund aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände des jeweiligen Falles der Ansicht ist, dass dieser Verstoß demjenigen, der sich darauf beruft, tatsächlich die Möglichkeit genommen hat, sich in solchem Maße besser zu verteidigen, dass dieses Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

Auszüge:

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht, insbesondere Art. 15 Abs. 2 und 6 der Richtlinie 2008/115, dahin auszulegen ist, dass die Haft unverzüglich zu beenden ist, wenn in einem Verwaltungsverfahren die Verlängerung einer Haftmaßnahme unter Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschlossen wurde, oder ob das mit der Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Verlängerungsentscheidung betraute Gericht die Haft aufrechterhalten kann, wenn es nach Abwägung der betroffenen Belange der Ansicht ist, dass sie gerechtfertigt bleibt.

Nach ständiger Rechtsprechung gehören die Verteidigungsrechte, die den Anspruch auf rechtliches Gehör und das Recht auf Akteneinsicht umfassen, zu den Grundrechten, die Bestandteil der Unionsrechtsordnung und in der Charta verankert sind.

Angesichts der Fragen des vorlegenden Gerichts ist hervorzuheben, dass nach dem Unionsrecht eine Verletzung der Verteidigungsrechte, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nur dann zur Nichtigerklärung der Entscheidung führt, die am Ende des fraglichen Verwaltungsverfahrens erlassen wird, wenn das Verfahren ohne diese Regelwidrigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

Somit kann nicht jede Regelwidrigkeit bei der Ausübung der Verteidigungsrechte während eines Verwaltungsverfahrens, das die Verlängerung der Inhaftierung eines Drittstaatsangehörigen für die Zwecke seiner Abschiebung betrifft, eine Verletzung dieser Rechte darstellen. Folglich führt auch nicht jeder Verstoß insbesondere gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör systematisch zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung im Sinne von Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 2008/115, die automatisch die Freilassung des betroffenen Drittstaatsangehörigen erforderlich macht.

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Ok-MNet-AufenthG zu § 62