Humanitäres Aufenthaltsrecht beseitigt Sperrwirkung einer Ausweisung nur eingeschränkt

Anzeige Werbung Kanzleien Anzeige

Die Entscheidung des 1. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (icon BVerwG, U. v. 13.04.2010 - 1 C 5.09) zur Überwindung der Sperrwirkung liegt nunmehr vor. Der Senat legt mit der Entscheidung schlüssig dar, warum die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG die Sperrwirkung einer Ausweisung nicht vollständig beseitigt, sondern nur insoweit, als es um die Erteilung weiterer Aufenthaltstitel aus humanitären, völkerrechtlichen oder politischen Gründen geht. Eine vollständige Beseitigung der Sperrwirkung kann ausschließlich in einem besonderen Befristungsverfahren gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG erreicht werden.

 

Das BVerwG führt hierzu aus:

"Dass die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis die Sperrwirkung einer Ausweisung nur begrenzt beseitigt, ergibt sich sowohl aus der Systematik als auch aus Sinn und Zweck des Gesetzes. Die gesetzliche Systematik spricht deutlich dafür, dass § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG durch die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nicht vollständig suspendiert sein soll. Die in der Vorschrift normierte Sperrwirkung nach einer Ausweisung oder Abschiebung ist und bleibt - als Grundsatz - Ausschluss- bzw. Versagungsgrund für die Erteilung von Aufenthaltstiteln, von dem das Gesetz ausnahmsweise einzelne Abweichungsmöglichkeiten vorsieht. Eine Ausnahme ist § 25 Abs. 5, eine weitere § 25 Abs. 4a AufenthG, in dem ebenfalls ausdrücklich zur Abweichung von der Sperrwirkung ermächtigt wird. Ausnahmen finden sich auch in § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG, die eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis nicht nach jeder Ausweisung erlauben, sondern nur dann, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Eine weitere Ausnahme enthält schließlich § 37 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG, der die Ablehnung eines Wiederkehrrechts nicht generell vorschreibt, sondern in das Ermessen der Behörde stellt, wenn der Ausländer vor der Ausreise aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden war. Der Zusammenschau dieser Regelungen ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Aufhebung der Sperrwirkung einer gesonderten Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 bis 6 AufenthG vorbehalten hat.

Auch Sinn und Zweck des § 25 Abs. 5 AufenthG sprechen dafür, dass die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift die durch eine Ausweisung begründete Titelerteilungssperre nur für aufenthaltsrechtliche Ansprüche nach den Vorschriften des 5. Abschnitts in Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes beseitigt. Ließe die Erteilung einer derartigen Aufenthaltserlaubnis die Sperrwirkung vollständig entfallen, käme der Vorschrift eine Funktion zu, die mit humanitären Aspekten nur noch am Rande zu tun hätte. Die Vorschrift zielt darauf ab, den Aufenthalt eines Ausländers, der ausreisepflichtig ist, dessen Ausreise aber ohne sein Verschulden auf absehbare Zeit nicht möglich ist, aus humanitären Gründen für die Dauer des Ausreisehindernisses zu legalisieren. Dadurch soll dem Ausländer trotz etwaiger ordnungsrechtlicher Bedenken erspart werden, ggf. über Jahre hinweg lediglich geduldet zu werden. Entfiele die Sperrwirkung vollständig, stünde bei der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nicht die Berücksichtigung humanitärer Gründe, sondern die Entscheidung über die Aufhebung der Sperrwirkung im Vordergrund. Denn in der Entscheidung über die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis läge dann zugleich eine Vorentscheidung hinsichtlich aller Aufenthaltstitel, auf die der Ausländer einen gesetzlichen Anspruch hat - wie hier nach § 28 AufenthG -, die aber nicht aus humanitären Gründen erteilt werden und von der Ausländerbehörde im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG auch nicht in die Abwägung einbezogen werden können. Dementsprechend bekäme die Entscheidung über die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis den Charakter einer Befristungsentscheidung, bei der primär ordnungsrechtliche Aspekte zu berücksichtigen wären. Dies widerspricht der spezifischen Funktion des § 25 Abs. 5 AufenthG, humanitäre Aspekte zu betonen und ordnungsrechtliche Bedenken ggf. hintanzustellen."

Wichtig ist auch die erneute Klarstellung, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Verbindung mit Art. 6 GG im Einzelfall die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG gebieten kann, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet ist.

Die Entscheidung steht als download zur Verfügung.