Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit Urteil vom 30. April 2009 (BVerwG 1 C 6.08) im Falle eines Aktivisten des "Kalifatstaats" entschieden, dass sein Aufenthaltsrecht erloschen ist und ihm keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden darf.
Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, kam 1981 im Alter von 14 Jahren zu seinen Eltern nach Deutschland und erhielt 1992 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Aus der nach islamischem Ritus mit einer deutschen Staatsangehörigen geschlossenen Ehe sind drei Kinder hervorgegangen; die Ehe ist mittlerweile geschieden.
Der Kläger wurde im Oktober 1998 in der Türkei festgenommen und im April 2000 vom türkischen Staatssicherheitsgericht Istanbul zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Gericht ging davon aus, dass er einer - in Deutschland unter der Bezeichnung "Kalifatstaat" bekannten und seit Dezember 2001 verbotenen - bewaffneten terroristischen Organisation angehöre. Er sei dem Aufruf zu einem Selbstmordanschlag in der Türkei gefolgt und habe sich an dem Plan beteiligt, die Fatih-Moschee in Istanbul zu besetzen und ein Flugzeug mit Sprengstoff während der Feiern des türkischen Nationalfeiertags auf das Atatürk-Mausoleum in Istanbul abstürzen zu lassen.
Nach vorzeitiger Haftentlassung kehrte der Kläger im Dezember 2004 nach Deutschland zurück. Die Ausländerbehörde lehnte seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu seinen Kindern ab. Seine Klage hatte vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Erfolg. Es ist davon ausgegangen, dass die dem Kläger 1992 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis durch seinen Aufenthalt in der Türkei erloschen sei. Auch sein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei (ARB 1/80) habe er verloren, weil er das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen habe. Eine neue Aufenthaltserlaubnis dürfe ihm nicht erteilt werden, weil er einer Vereinigung angehört habe, die den Terrorismus unterstütze.
Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die dagegen gerichtete Revision des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Das Verschlechterungsverbot des Art. 13 ARB 1/80 steht dem Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen, da die Änderungen bei den Erlöschensgründen durch das Ausländergesetz von 1990 sich nicht zum Nachteil des Klägers auswirken. Auch das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht ist verloren gegangen, weil sich der Kläger für seine über sechsjährige Abwesenheit während der Haft in der Türkei nicht auf berechtigte Gründe berufen kann. Denn der Kläger ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der Absicht in die Türkei ausgereist, dort eine gegen den türkischen Staat gerichtete Straftat zu begehen. Er musste von vornherein für den Fall der Entdeckung mit einer langjährigen Freiheitsstrafe rechnen. Die Zeit des Aufenthalts in einer türkischen Haftanstalt, die der Ahndung seiner Straftat diente, kann assoziationsrechtlich nicht als von berechtigten Gründen getragen angesehen werden. Zudem ist im hier vorliegenden Fall die Berufung des Klägers auf die Rechtsposition des Art. 7 ARB 1/80 missbräuchlich. Dem Begehren des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht der zwingende Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz entgegen. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einer Vereinigung angehört, die den Terrorismus unterstützt, ist nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger nach wie vor gefährlich ist, weil er bereit war, sein Leben für den "Kalifatstaat" einzusetzen und sich von seiner Tat und den Zielen dieser Organisation bis heute nicht distanziert hat.