Das Kind ausländischer Eltern erwirbt durch die Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren hier rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Auf diese Frist ist auch ein Aufenthalt zu Studienzwecken anzurechnen, wenn er sich später zu einem Daueraufenthalt verfestigt hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 26. April 2016 (BVerwG 1 C 9.15) entschieden.
Die Eltern der im Mai 2013 im Bundesgebiet geborenen Klägerin sind israelische Staatsangehörige. Ihr Vater kam 1999 zu Studienzwecken nach Deutschland. Nach Heirat einer Deutschen erhielt er 2004 eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, 2006 nach Trennung von seiner deutschen Ehefrau eine Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken und 2010 nach erfolgreichem Abschluss seines Medizinstudiums eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung. Seit September 2011 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die Beklagte stellte 2013 fest, dass die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt im Inland erworben habe, weil der Aufenthalt ihres Vaters zeitweilig nur zu Studienzwecken erlaubt gewesen sei. Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg.
Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Revision der am Verfahren beteiligten Landesanwaltschaft Bayern zurückgewiesen. Nach dem in § 4 Abs. 3 Satz 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) verankerten Geburtsortprinzip (ius soli) erwirbt ein Kind ausländischer Eltern durch Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil hier über einen verfestigten Aufenthalt verfügt. Dies setzt u.a. voraus, dass er seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Ein gewöhnlicher Aufenthalt liegt vor, wenn der Ausländer sich im Inland nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit aufhält. Die Rechtmäßigkeit des gewöhnlichen Aufenthalts kann sich auch aus einer Aufenthaltserlaubnis zu Ausbildungszwecken ergeben. Dem steht nicht entgegen, dass diese nur für einen bestimmten, seiner Natur nach vorübergehenden Aufenthaltszweck erteilt wird. Denn seit dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes im Jahre 2005 können auch Aufenthaltstitel zu Ausbildungszwecken in einen Daueraufenthalt münden. Damit genügen sie den an die Rechtmäßigkeit eines gewöhnlichen Aufenthalts zu stellenden Anforderungen im Staatsangehörigkeitsrecht, wenn sie dem Ausländer einen Zugang zu einer dauerhaften Aufenthaltsposition eröffnet haben.
Vorliegend hatte der Vater der Klägerin bei deren Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit über acht Jahren im Inland, da trotz wechselnder Aufenthaltszwecke ein Ende seines Aufenthalts zu keinem Zeitpunkt abzusehen war. Der gewöhnliche Aufenthalt war in dieser Zeit auf der Grundlage der ihm erteilten Aufenthaltstitel auch bis auf eine Unterbrechung von wenigen Tagen im Jahre 2008 rechtmäßig. Diese auf einer verspäteten Antragstellung beruhende Unterbrechung ist nach § 12b Abs. 3 StAG unbeachtlich.
BVerwG 1 C 9.15 - Urteil vom 26. April 2016
Quelle: Presseerklärung des BVerwG