LG Passau zur Rechtswidrigkeit der Zurückschiebungshaft wegen formeller und materieller Fehler

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Beschlüsse des LG Passau (B. v. 24.07.2012 - 2 T 113/12 - ; B. v. 13.08.2012 - 2 T 129/12 -) zur Rechtswidrigkeit der Haftanträge der zuständigen Behörde (hier: Bundespolizei) und der Rechtwidrigkeit der Haftanordnung zur Durchsetzung der Zurückschiebung.

Trotz zahlreicher höchstrichterlicher Entscheidungen tun sich die für die Haftantragstellung zuständigen Behörden weiterhin schwer, insbesondere formell rechtmäßige Haftanträge zu stellen.

Dies wird zudem auch nicht durch Nachbesserungsverpflichtung im erstinstanziellen Verfahren geheilt. In den beiden Beschwerdeentscheidungen des LG Passau wurden insgesamt drei formelle und materielle Problemkreise gerügt:

1. Antrag:

Unzureichend ist die Verwendung universell einsetzbarer Leerformeln, die über die Durchführbarkeit der Zurückschiebung im konkreten Fall nichts aussagen. Die Begründung des Haftantrags muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein. Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das land bezogene Ausführungen erforderlich, in das der Betroffene abgeschoben werden soll. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende land üblicherweise möglich sind. Erforderlich sind vor allem aber auch konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können.

2. Anhörung:

Der Zeitpunkt, zu dem das Gericht des ersten Rechtszugs dem Betroffenen nach § 23 II FamFG den Haftantrag der beteiligten Behörde zuzuleiten hat, bestimmt sich einerseits danach, was zu der dem Richter im Freiheitsentziehungsverfahren obliegenden Sachaufklärung erforderlich ist, andererseits danach, was den Betroffenen in die Lage versetzt, das ihm von Verfassungs wegen zukommende r Gehör effektiv wahrzunehmen. Ist der Betroffene ohne vorherige Kenntnis des Antragsinhalts nicht in der Lage, zur Sachaufklärung beizutragen u seine Rechte wahrzunehmen, muss ihm der Antrag vor der Anhörung übermittelt werden. Dagegen genügt die Eröffnung des Haftantrags zu Beginn der Anhörung, wenn dieser einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt betrifft, zu dem der Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne weiteres auskunftsfähig ist. Was noch als ein einfacher u überschaubarer Sachverhalt einzustufen ist, bemisst sich nach Lage des Einzelfalles u ist restriktiv auszulegen. Dies kann dann nicht der Fall sein, wenn der Haftantrag mit den zusätzlichen Ausführungen zur Begründung der Haft bei Jugendlichen in 6 Seiten umfangreiche Angaben zur Eurodac-Recherche, zum Asylverfahren, zu den Anforderungen an die Haftbedingungen bei Jugendlichen u zur Zustimmung der zuständigen StA zur Zurückschiebung enthält.

3. Verhältnismäßigkeit der Haft bei Minderjährigkeit:

Ferner hat das Amtsgericht auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 62 Abs. 1 AufenthG) missachtet. Gerade bei minderjährigen Ausländern kommt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Anordnung von Sicherungshaft wegen der Schwere des Eingriffs besondere Bedeutung zu. Es ist insbesondere zu prüfen, ob nicht anstelle von Haft in Betracht kommt, den Ausländer in einer Einrichtung für Jugendliche unterzubringen, ihm Meldepflichten aufzuerlegen oder anderweitig in seiner Bewegungsfreiheit räumlich zu beschränken.

Zu den Entscheidungen:

icon LG Passau - 2 T 113/12 - Beschluss vom 24.07.2012 und - 2 T 129/12 - Beschluss vom 13.08.2012 (292.24 kB 2012-09-05 13:43:42)

Zur detaillierten Betrachtung wird auf den Onlinekommentar verwiesen:

OK-MNet-AufenthG zu § 62