LG Traunstein; Aussetzung der Zurückschiebungshaft bei Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten

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LG Traunstein, Beschluss vom 07.11.2013 - 4 T 4162/13 -.

Sachverhalt:

 

Auf Antrag. der beteiligten Ausländerbehörde vom 17.10.2013 ordnete das Amtsgericht Rosenheim mit Beschluss vom 17.10.2013 Haft zur Sicherung der Zurückschiebung gegen die Betroffene bis längstens 10.12.2013 an. Hiergegen legte die Betroffene mit Schriftsatz ihres Verfahrersbevollmächtigten vom 28.10.2013 Beschwerde ein.

 

Entscheidung:

Die Aussetzung der Vollziehung der Freiheitsentziehung beruht auf §§ 64 Abs. 3, 424 Abs. 1 FamFG. Die Kammer vertritt weiterhin die Ansicht, dass dem Vollzug der Zurückschiebungshaft Art. 16 Abs. 1 der EU-Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) nicht entgegensteht, da der deutsche Gesetzgeber Art. 16 Abs. I der Richtlinie durch § 62 a AufenthG europarechtskonform umgesetzt hat. Mittlerweile ist jedoch festzustellen, das, sich der Ansicht des Bundesgerichtshofs, der "dazu neigt''', dass nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie eine Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten nicht schon dann zulässig sei, wenn in der föderalen Untergliederung des Mitgliedstaats, in der die Abschiebungshaft vollzogen wird, keine speziellen Hafteinrichtungen vorhanden sind (vgl. BGB, Beschluss vom 11.07.2013, Az. V ZB 40/11), immer mehr Instanzgerichte anschließen. Ungeachtet der Ansicht der Kammer besteht somit derzeit eine zweifelhafte Rechtslage. Der Bundesgerichtshof hat mehrfach entschieden, dass die Aussetzung der Vollziehung von Sicherungshaft jedenfalls dann geboten ist, wenn die Rechtslage zweifelhaft ist (vgl. BGB, Beschluss vom 26.05.2010, Az. V ZB 93/10, BGH, Beschluss vom 07.03.2012, Az. V ZB 41/12). Maßgeblich für die Entscheidung der Kammer ist vorliegend, dass bei einer Abwägung der betroffenen Interessen das Freiheitsrecht des Ausländers die mit der Sicherungshaft beabsichtigte Sicherung der Zurückschiebung überwiege .

 

Kommentar:

Das Landgericht hat im vorliegenden Fall, eines von Rechtsanwalt Peter Fahlbusch aus Hannover erstrittenen Beschlusses des Landgerichts Traunstein in einer Zurückschiebungshaftsache, ausdrücklich - entgegen seiner eigenen bisherigen Überzeugung - die einstweilige Aussetzung der Haft angeordnet.

Es begründet diesen Schritt damit, dass aufgrund inzwischen mehrerer Entscheidungen anderer Landgerichte, keine Abschiebungshaft in Justizvollzugsanstalten mehr zuzulassen, eine "zweifelhafte Rechtslage" entstanden sei. Diese gebiete nach der Rechtsprechung des BGH die Aussetzung der Haft.

 

Mit dem Richtungswechsel des LG Traunstein steht die Abschiebungshaft in Justizvollzugsanstalten in Bayern auf zunehmend tönernen Füßen. Allein in der JVA München-Stadelheim legten seit Anfang Oktober rund 50 Gefangene Beschwerde gegen ihre Inhaftierung ein; in über 85 % der bereits entschiedenen Fälle führte dies zur Entlassung.

 

Angesichts der entstandenen unsicheren Rechtslage ist der Vollzug von Abschiebungshaft in normalen Gefängnissen auch in anderen Bundesländern nicht mehr zu rechtfertigen. Menschen in Abschiebungshaft sind nicht mit gewöhnlichen Kriminellen gleichzusetzen und dürfen nicht wie solche behandelt werden.

 

Hintergrund der aktuellen Entscheidung sind die gravierenden Zweifel, die der Bundesgerichtshof an der Durchführung von Abschiebungshaft in deutschen Justizvollzugsanstalten geäußert hatte. Diese Praxis verstoße mutmaßlich gegen die EU-Rückführungsrichtlinie, welche spezielle Abschiebungshafteinrichtungen fordert und Ausnahmen nur zulässt, wenn es solche Einrichtungen im jeweiligen EU-Mitgliedstaat nicht gibt. Der BGH hatte die Frage im Sommer dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorgelegt. In Folge dessen hatten in den letzten Wochen bereits Landgerichte in München, Nürnberg und Görlitz Haftanordnungen außer Vollzug gesetzt.

 

Siehe zur Problematik im Onlinekommentar:

 

OK-MNet-AufenthG zu § 62a AufenthG

 
Nach einer Einsendung von
 

Heiko Habbe

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