Neues aus der BGH-Rechtsprechung zum Haftrecht

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Veröffentlichung zuletzt erschienener BGH-Rechtssprechungen zum Haftrecht:

Alle wesentlichen Entscheidungen finden Sie fortgeschrieben in der Onlinekommentierung:

OK-MNet-FamFG zum Verfahrensrecht

OK-MNet-AufenthG zu § 62

1.
BGH, B. v. 20.02.2014 – V ZB 76/13 –
Das Rechtsmittel ist unbegründet. Rechtsfehlerfrei sieht das Beschwerdegericht die Haftanordnung als rechtswidrig an, weil es an einer Entscheidung über eine nachträgliche Befristung des Einreiseverbots bzw. einer neuen Rückkehrentscheidung fehlt.
Infolge der am 24. März 2005 durchgeführten Abschiebung traf den Betroffenen zwar ein - nicht an eine Einzelfallprüfung anknüpfendes - unbefristetes Einreiseverbot (§ 11 Abs. 1 AufenthG aF); eine nachträgliche Befristung des Einreiseverbots, wie sie § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nF auf Antrag vorsieht, ist nicht erfolgt. Nach Erlass der Beschwerdeentscheidung hat aber der Europäische Gerichtshof diese im nationalen Recht vorgesehene antragsabhängige Befristung als unvereinbar mit Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG angesehen, deren Umsetzung § 11 AufenthG dient (EuGH, InfAuslR 2013, 416 ff.). Geklärt hat er ferner, dass die Richtlinie auch auf die vor ihrem Inkrafttreten eingetretenen Wirkungen von Einreiseverboten Anwendung findet (EuGH, aaO, Rn. 40 f.). Weil bei richtlinienkonformer Anwendung von § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG die dort grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer von fünf Jahren auch den Zeitraum vor Inkrafttreten der Richtlinie 2008/115/EG einbeziehen muss (EuGH, aaO., Rn. 42), kann das Einreiseverbot nur noch unter den in § 11 Abs. 1 Satz 4 und Satz 7 AufenthG genannten besonderen Voraussetzungen aufrechterhalten werden, wenn es - wie hier -bereits seit mehr als fünf Jahren bestanden hat. Ob es danach ohnehin einer erneuten Rückkehrentscheidung bedurfte, kann dahinstehen, weil es jedenfalls an der Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Einreiseverbots fehlt.
Quelle: juris

2.
BGH, B. v. 06.03.2014 – V ZB 17/14 –
Hebt das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung der Abschiebungshaft auf, ohne über den zugleich gestellten Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung zu entscheiden, und geht aus den Gründen hervor, dass die Entscheidung bewusst unterblieben ist, scheidet eine Beschlussergänzung gemäß § 43 FamFG aus (Abgrenzung zu dem Senatsbeschluss vom 6. März 2014, V ZB 205/13).

Ein auf Beschlussergänzung gemäß § 43 FamFG gerichtetes Verfahren kommt hier nicht in Betracht. Denn das Beschwerdegericht hat den Antrag des Betroffenen auf Feststellung, dass der Haftanordnungsbeschluss ihn in seinen Rechten verletzt hat, nicht versehentlich übergangen (dazu Senat, Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 205/13) . Vielmehr ist eine Entscheidung aus der (unzutreffenden) rechtlichen Erwägung unterblieben, infolge der Aufhebung des Anordnungsbeschlusses bedürfe es einer solchen Feststellung nicht. Dies stellt kein Übergehen im Sinne von § 43 Abs. 1 FamFG dar. Ein Antrag ist nur „übergangen“, wenn er versehentlich nicht beachtet worden ist, nicht dagegen, wenn - wie hier - aus den Gründen hervorgeht, dass die Entscheidung bewusst unterblieben ist (vgl. zur gleichartigen Bestimmung zur Urteilsergänzung in § 321 ZPO: Senat, Urteil vom 16. Dezember 2005 - V ZR 230/04, NJW 2006, 1351 Rn. 9; vgl. auch Senat, Beschluss vom 12. Juli 2013 - V ZB 74/12, FamRZ 2013, 1572). In einem derartigen Fall scheidet eine Beschlussergänzung aus; die Beschwerdeentscheidung muss vielmehr - wie vorliegend mit der Rechtsbeschwerde auch geschehen - mit dem jeweils statthaften Rechtsmittel angefochten werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2009 - VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rn. 70; Urteil vom 20. September 2007 - I ZR 171/04, NJW-RR 2008, 851 Rn. 28). Hat ein in Abschiebungshaft befindlicher Ausländer die Beschwerde gegen die Haftanordnung zulässigerweise mit dem Antrag analog § 62 FamFG verbunden, festzustellen dass er durch die angefochtene Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden ist, muss das Beschwerdegericht über beide Anträge entscheiden. Die Anträge verfolgen nicht dasselbe Rechtsschutzziel. Ziel einer Beschwerde gegen die Haftanordnung ist die Beseitigung der Freiheitsentziehung. Ziel des Feststellungsantrags ist die Rehabilitierung des Betroffenen in Bezug auf den mit der Haftanordnung verbundenen Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens. Den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz bei Freiheitsentziehungen (Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) wird bei unrechtmäßigen Inhaftierungen nur entsprochen, wenn dem Rehabilitierungsinteresse umfassend Rechnung getragen wird. Vor diesem Hintergrund ist auf einen Antrag des Betroffenen die Verletzung seiner Rechte durch die Inhaftierung auch dann auszusprechen, wenn das Beschwerdegericht mit der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Haftanordnung die Freiheitsentziehung beendet (Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2012 - V ZB 238/11, FGPrax 2013, 39 Rn. 6, 7; Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39 Rn. 12). Der Feststellungsantrag ist begründet, da die Abschiebungshaft nicht hätte angeordnet werden dürfen. Der Haftantrag ist - wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt - unzulässig, da er keine ausreichenden Angaben zur Durchführbarkeit der Abschiebung enthält. Der Mangel wurde auch nicht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geheilt.
Quelle: juris

3.
BGH, B. v. 06.03.2014 – V ZB 205/13 –
Hebt das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung der Abschiebungshaft auf und unterlässt dabei versehentlich eine Entscheidung über den aktenkundigen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung, so ist der Beschluss gemäß § 43 FamFG auf Antrag nachträglich um eine Sachentscheidung zu ergänzen; wird ein solcher Ergänzungsantrag nicht gestellt, entfällt die Rechtshängigkeit des Feststellungsantrags mit Fristablauf (Abgrenzung zu dem Senatsbeschluss vom 6. März 2014, V ZB 17/14). Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Betroffene neben der Aufhebung der Haftanordnung in entsprechender Anwendung von § 62 Abs. 1 FamFG die Feststellung der Rechtswidrigkeit beantragen (Beschlüsse vom 30. August 2012 - V ZB 12/12, InfAuslR 2013, 37 und vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39 Rn. 12 f.). Hebt das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung der Abschiebungshaft auf, ohne zugleich über den aktenkundigen Feststellungsantrag zu entscheiden, so ist die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nur dann zulässig, wenn aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass das Gericht über den Feststellungsantrag bewusst nicht entschieden hat (dazu Senat, Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 17/14, zur Veröffentlichung bestimmt). Enthalten die Entscheidungsgründe dagegen - wie hier - keine Ausführungen zu dem Feststellungsantrag, ist davon auszugehen, dass die Entscheidung über diesen Antrag versehentlich unterblieben ist. Dann ist der Beschluss des Beschwerdegerichts gemäß § 43 FamFG insoweit auf Antrag nachträglich um eine Sachentscheidung zu ergänzen; nur letztere kann ggf. mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden. Wird ein solcher Ergänzungsantrag nicht gestellt, entfällt die Rechtshängigkeit des Feststellungsantrags mit Ablauf der in § 43 Abs. 2 FamFG bestimmten Frist von zwei Wochen. Er kann dann lediglich zum Gegenstand eines neuen Verfahrens gemacht werden; anders liegt es nur, wenn er im Wege einer zulässigen Erweiterung erneut in das noch anhängige Verfahren eingeführt werden kann (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl., § 43 Rn. 12; zu § 321 ZPO BGH, Versäumnisurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 133/04, NJW-RR 2005, 790, 791 f.).
Quelle: juris

4.
BGH, B. v. 06.03.2014 – V ZB 121/13 –
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist unzulässig. Sie ist nach § 70 Abs. 4 FamFG nicht statthaft. Nach dieser Vorschrift findet die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht statt. Dazu gehören auch Entscheidungen im Verfahren über einstweilige Anordnungen in Freiheitsentziehungssachen (Senat, Beschlüsse vom 11. November 2010 - V ZB 123/10, juris Rn. 3 und vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 4 f.). Eine solche Entscheidung liegt hier vor. Zwar kann im Einzelfall zweifelhaft sein, ob die Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im regulären Verfahren ergangen ist, etwa dann, wenn der einzige Hinweis auf eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung die Nennung des § 427 FamFG ist. Ist die Entscheidung aber als einstweilige Anordnung bezeichnet oder wird ihr Ausspruch mit dem Hinweis auf ein Vorgehen im Wege der einstweiligen Anordnung eingeleitet, folgt hieraus eindeutig, dass der Richter nicht im regulären Verfahren, sondern im Wege der einstweiligen Anordnung vorgehen will. Dafür ist es ohne Bedeutung, ob sich der Richter mit den Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung näher befasst oder ob er eine Entscheidung getroffen hat, die in dem gewählten Verfahren nicht oder nicht mit dem getroffenen Ausspruch hätte ergehen dürfen (Senat, Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, juris). So liegt es hier. Die Entscheidung des Amtsgerichts auf Anordnung von Zurückschiebungshaft, die die Hafthöchstdauer nach § 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG von sechs Wochen nicht überschreitet, ist mit den Worten eingeleitet: „... wird im Wege der einstweiligen Anordnung folgendes angeordnet: Dies entspricht dem Antrag der beteiligten Behörde, der ausdrücklich auf eine „vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 427 i.V.m. §§ 49-57 FamFG" zur Sicherung der Zurückschiebung gerichtet war.
Quelle: juris