Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass unter altem Recht ausgewiesene Unionsbürger auch nach dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 nicht in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten dürfen. Sie haben aber Anspruch auf Befristung des durch die Ausweisung ausgelösten und weiterhin geltenden Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Der Kläger, ein französischer Staatsangehöriger, erstrebt die Aufhebung seiner Ausweisung aus dem Jahr 1995. Die Stadt Trier hatte ihn aus Deutschland ausgewiesen, nachdem er mehrfach insbesondere wegen Vermögensdelikten bestraft worden war. Die dagegen erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht rechtskräftig abgewiesen.
Im November 2005 beantragte der Kläger vom Ausland aus die Aufhebung der Ausweisung, weil sich die Rechtslage mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zu seinen Gunsten geändert habe. Unionsbürger könnten jetzt nicht mehr ausgewiesen werden. Diesen Antrag lehnte die Stadt Trier ab. Nach erfolgloser Klage vor dem Verwaltungsgericht und Zurückweisung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht hatte die Revision teilweise Erfolg.
Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat entschieden, dass das auf § 8 Abs. 2 AuslG 1990 beruhende Einreise- und Aufenthaltsverbot einer „Altausweisung“ trotz der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Neuregelungen im Zuwanderungsgesetz wirksam bleibt. Er hat damit eine in der Rechtsprechung der Oberverwaltungs¬gerichte umstrittene Rechtsfrage geklärt, die für die ausländerrechtli¬che Praxis erhebliche Bedeutung besitzt. Maßgebend war, dass die Regelungen, die die Rechtsstellung der Ausländer im Aufenthaltsgesetz und die der Unionsbürger vorrangig im Freizügigkeitsgesetz/EU ausgestalten, in der Weise ineinander greifen, dass hier auch für Unionsbürger die Übergangsregelung des § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG heranzuziehen ist. Nach dieser Vorschrift bleiben u.a. die vor dem 1. Januar 2005 getroffenen Ausweisungen einschließlich ihrer Rechtsfolgen wirksam. Das Freizügigkeitsgesetz/EU enthält demgegenüber keine anderslautende Übergangsregelung für Unionsbürger, deren Freizügigkeitsrecht wie im Falle des Klägers zuvor durch Ausweisung beschränkt worden war. Es verweist vielmehr auf das Aufenthaltsgesetz.
Da sich somit die Rechtslage nicht zugunsten des Klägers geändert hat, blieb seine auf Aufhebung der Ausweisung gerichtete Verpflichtungsklage erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil dennoch teilweise aufgehoben und den Rechtsstreit an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen, weil über den in dem Begehren des Klägers enthaltenen Antrag auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung noch keine Entscheidung getroffen worden war. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 Freizügigkeitsgesetz/EU, der auf „Altausweisungen“ entsprechend anzuwenden ist, wird das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf Antrag befristet. Über diesen Antrag hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr unter Beurteilung der gegenwärtig noch vom Kläger ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu entscheiden. Dabei hat es zu berücksichtigen, dass das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht einen hohen Rang besitzt.
BVerwG 1 C 21.07 – Urteil vom 4. September 2007
Quelle: Presseerklärung des BVerwG