Rechtsprechung Ausländerrecht: HessVGH, Bleiberecht, Schutz des Familienle-bens, Art. 8 EMRK, Verwur

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Entscheidung HessVGH zum Ausländerrecht: Kein dauerhaftes Bleiberecht aus Art. 8 EMRK nach geduldetem Aufenthalt

Nach einem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Juli 2006, Aktenzeichen 7 UE 509/06, haben Ausländer, die sich seit Jahren in der Bun-desrepublik Deutschland aufhalten und zur Ausreise aus dem Bundesgebiet ver-pflichtet sind, nicht allein deshalb einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis, weil ihnen eine freiwillige Ausreise aufgrund der Dauer ihres Auf-enthaltes und einer Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse aus ihrer Sicht nicht zumutbar ist.

Lebenssachverhalt: Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Kosovo

Mit dieser Entscheidung wurde die Klage einer sechsköpfigen Familie aus dem Kosovo, deren Mitglieder die Erteilung von Aufenthaltstiteln für einen dauer-haften Verbleib im Bundesgebiet beantragt hatten, in zweiter Instanz abgewie-sen. Nachdem zunächst sämtliche Asylanträge der im Jahr 1992 bzw. 1994 einge-reisten Eltern und der damals zehn, acht und fünf Jahre alten Kinder unan-fechtbar abgelehnt worden waren, blieb auch der Asylantrag des 1995 im Bun-desgebiet geborenen vierten Kindes ohne Erfolg. Nach Abschluss der Asylver-fahren hielt sich die Familie geduldet im Bundesgebiet auf, d. h. auf eine zwangsweise Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung der Kläger im Wege einer Abschiebung nach Serbien bzw. in den Kosovo wurde von der Ausländerbehörde verzichtet.

Neben und unabhängig von ihrer Anerkennung als Asylberechtigte beantragten die Kläger im Jahr 2001 die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für einen dauerhaften Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Anträge begrün-deten sie mit ihrer sozialen und wirtschaftlichen Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse, die ihrer Auffassung nach zur Folge habe, dass sie auf-grund ihrer persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen ein Privat-leben nur noch im Bundesgebiet und nicht mehr in ihrem Heimatland führen könnten. Im November 2002 lehnte die Ausländerbehörde die Anträge ab, weil der Lebensunterhalt der Familie ohne zusätzliche  Sozialhilfeleistungen  nicht gesichert sei. Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt zunächst teilweise Erfolg. Auf die Berufung der Aus-länderbehörde wurde das erstinstanzliche Urteil vom Hessischen Verwaltungsge-richtshof abgeändert und die Klage abgewiesen.


Reintegration in die Lebensverhältnisse des Heimatlandes als Schranke des Schutz des Privatlebens nach Art. 8 EMRK

Seine ablehnende Entscheidung begründet der Verwaltungsgerichtshof damit, dass die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nicht erfüllt seien. Zwar könne eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungshindernis deshalb vorliege, weil die Abschiebung eines Ausländers rechtlich unmöglich sei. Ein solches rechtliches, von den Ausländerbehörden zu beachtendes Abschiebungshindernis könne jedoch nicht angenommen werden, weil einem Ausländer allein aufgrund der Dauer seines Aufenthalts in der Bun-desrepublik Deutschland und seiner Integration in die hier herrschenden Le-bensverhältnisse eine freiwillige Ausreise subjektiv, d. h. aus seiner Sicht nicht zumutbar sei. Es deute nichts auf eine Absicht des Gesetzgebers hin, den zahlreichen zur Ausreise verpflichteten Ausländern, die nicht abgeschoben, sondern langjährig im Bundesgebiet geduldet worden seien, mit dem seit 1. Januar 2005 geltenden Aufenthaltsgesetz nunmehr einen dauerhaften Aufent-haltstitel erteilen zu wollen. Vielmehr sei auch nach dieser Gesetzesänderung eine Abschiebung u. a. nur dann rechtlich unmöglich, wenn sich eine solche Unmöglichkeit aufgrund vorrangigen Rechts, namentlich der Grundrechte des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Kon-vention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergeben könne. Dies sei bei den seit 13 bzw. 11 Jahren im Bundesgebiet lebenden Klägern je-doch nicht der Fall. Weder im Hinblick auf den langen Aufenthalt noch hin-sichtlich der nicht abgeschlossenen Schul- und Berufsausbildungen der Kinder sei ein unzulässiger Eingriff in die das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie den Schutz von Leben und Gesundheit garantierenden Grundrechte der Kläger erkennbar. Insbesondere seien die Kläger ihrem Heimat-land nicht in einer Weise entfremdet, dass eine Reintegration nicht möglich erscheine.


Kein Anspruch auch Aufenthalt nach der Bleiberechtsregelung für erwerbstätige Ausreisepflichtige aus Bosnien-Herzegowina und der Bundesrepublik Jugoslawien

Auch ein Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der "Bleibe-rechtsregelung für erwerbstätige Ausreisepflichtige aus Bosnien-Herzegowina und der Bundesrepublik Jugoslawien" nach dem Erlass des Hessischen Ministeri-ums des Innern und für Sport vom 12. Juni 2001 besteht nach der Entscheidung des Gerichts nicht, weil es an einer ausreichenden Sicherung des Lebensunter-halts durch eine legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Sozialhilfemittel zum insoweit maßgeblichen Stichtag 10. Mai 2001 gefehlt habe; die Familie sei nach wie vor auf ergänzende Sozialhilfeleistungen angewiesen.

Die Revision gegen das Urteil hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen. Gegen diese Nichtzulassungsentscheidung steht den Klägern die Beschwerde zu, über die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu entscheiden hätte.

Die Kläger haben sich im März 2003 mit einer Petition an den Hessischen Land-tag gewandt, über die noch nicht entschieden ist.