EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, Rechtssachen C-94/04 und C-202/04 Cipolla / Portolese und Macrino und Capodarte / Meloni, Gebührenordnung, Rechtsanwälte, Dienstleistungsverkehr, Wettbewerbsrecht
Nach Auffassung von Generalanwalt Poiares Maduro beschränkt die Festlegung von Mindestgebühren für Rechtsanwälte den freien Dienstleistungsverkehr.
Rechtsprechung EuGH - Sachverhalt
Dem Rechtsstreit beim EuGH liegt folgender Sachverhalt zugrunde: In Italien schreibt eine Gebührenordnung für Rechtsanwälte bindende Mindest- und Höchstsätze der Anwaltsgebühren vor. Diese Gebühren werden alle zwei Jahre vom Nationalen Rat der Rechtsanwälte festgesetzt und anschließend vom Justizminister genehmigt. Der EuGH hat die Art und Weise, in der diese Gebührenordnung erlassen wurde, bereits in der Rechtssache Arduino geprüft und sie für mit dem gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht vereinbar erklärt. Der Gerichtshof stellte dazu seinerzeit fest, dass der italienische Staat die Regelung des fraglichen Tätigkeitsbereichs nicht privaten Wirtschaftsteilnehmern überlassen hatte, da der Nationale Rat der Rechtsanwälte dem Justizminister für die Gebührenordnung nur einen Entwurf vorlegte, den der Minister in eigener Entscheidung ändern oder dessen Inkrafttreten er aufschieben konnte. Im Anschluss an dieses Urteil wollten nunmehr zwei italienische Gerichte vom Gerichtshof wissen, ob andere Aspekte dieser italienischen Regelung mit dem Wettbewerbsrecht und dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar sind.
Rechtsprechung EuGH - Gebührenordnung und Wettbewerbsrecht
In den Schlussanträgen der verbundenen Rechtssache Cipolla (C-94/04) und Meloni (C-202/04) vom 1.2.2006 vertritt Generalanwalt Poiares Maduro die Auffassung, dass die Festlegung von Mindestgebühren für Rechtsanwälte zwar nicht gegen das Wettbewerbsrecht (Art. 81 i.V.m. Art. 10 EG) wohl aber gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) verstößt. Poiares Maduro bestätigt und konkretisiert die Rechtsprechung der Rechtssache Arduino (C-35/99) (s. EiÜ 08/02). Dort hatte der EuGH entschieden, dass eine Gebührenordnung mit dem europäischen Wettbewerbsrecht in Einklang steht, wenn zwar ein Berufsverband mit der Ausarbeitung eines Vorschlags für die Gebührenordnung betraut wurde, aber dem Staat die Befugnis verbleibt, über deren Zulässigkeit zu entscheiden. Der Generalanwalt bestätigt diesen Grundsatz und schlägt vor, ihn dahingehend auszuweiten, dass er auch auf außergerichtliche Rechtsdienstleistungen grundsätzlich Anwendung finden solle. Mindestgebühren, wie sie im italienischen Rechtssystem bestehen, halte er jedoch aus Sicht des freien Dienstleistungsverkehrs für unzulässig. Seiner Auffassung nach sicherten sie weder den Zugang zum Recht noch die Qualität der von Rechtsanwälten erbrachten Dienstleistungen. Er hält fest, dass auf jeden Fall außergerichtliche Mindestgebühren nicht gerechtfertigt sein können (Rn. 92). Stichhaltige Argumente für die Aufrechterhaltung von Mindestgebühren im deutschen Rechtssystem hat der DAV in seiner Stellungnahme zur Dienstleistungsrichtlinie Nr. 40/04 aufgeführt. Gleichzeitig nutzt der Generalanwalt die Gelegenheit, sich zu Erfolgshonoraren zu äußeren. Diese hält er für zulässig, da sie zu geringeren Gebühren als den Mindestgebühren führen können und zudem dem Anwalt das Kostenrisiko auferlegen, was den Zugang zum Recht für mittellose Parteien verbessert. Mit dem Urteil des EuGH ist innerhalb der nächsten neun Monate zu rechnen.HINWEIS: Die Ansicht des Generalanwalts ist für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Die Richter des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften treten nunmehr in die Beratung ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.
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