Strafbarkeit bei unterlassener Bemühungen um Beschaffung eines Reisepasses

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LG Waldshut-Tiengen, U. v. 05.12.2012 - 6 Ns 24 Js 4035/10 -.

Ein Ausländers macht sich wegen unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet ohne Pass oder Passersatz strafbar, wenn zumutbare Bemühungen unterlässt, sich einen Reisepass oder Passersatz
zu beschaffen.

Der Angeklagte hat sich wegen unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet ohne Pass oder Passersatz nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 AufenthG strafbar gemacht. Mit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens am 27.07.2000 war die bis dahin vorliegende Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG).

Der Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG beinhaltet ein echtes Unterlassungsdelikt, sodass  der Täter dieses nur verwirklichen kann, wenn er eine Rechtspflicht zum Handeln hat und er entgegen dieser Rechtspflicht ihm zumutbare Handlungen unterlässt. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn ihm eine Pass- oder Ausweisersatzbeschaffung nach § 48 Abs. 2 AuslG unzumutbar gewesen wäre. Grundsätzlich kommt ein Ausländer seiner Verpflichtung, die in § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausdrücklich geregelt ist (ebenso § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG), nur dann nach, wenn er zumindest einen entsprechenden Antrag bei der diplomatischen Vertretung seines Heimatsstaates stellt. Im Regelfall ist es nämlich jedem Ausländer zuzumuten, bei seinem Heimatsstaat einen Pass zu beantragen (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV), sofern er keinen Anspruch auf Erteilung eines deutschen Passersatzes hat. Ein Ausländer hat insbesondere dann nicht in zumutbarer Weise auf die Ausstellung eines Passes seines Heimatlandes hingewirkt, wenn er zu seiner Person falsche Angaben gemacht hat, mithin über seine Identität täuscht bzw. diese verschleiert (OLG München, Beschluss vom 21.11.2012 – 4 St RR 133/12 [juris]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.08.2012 – 1 Ss 210/12 [juris]; OLG Frankfurt NStZ-RR 2012, 220; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.09.2006 – 1 Ss 167/06 [juris]; OLG München NStZ 2006, 529; ebenso BayObLG NStZ-RR 2005, 21 zu § 92 Abs. 1 Nr. 2 AuslG); mithin hat der Angeklagte keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung in Form eines Ausweisersatzes nach § 48 Abs. 2 AufenthG (sogenannte qualifizierte Duldung).

Die Zumutbarkeit entfällt auch nicht deshalb, weil er ggf. eine Abschiebung in sein Heimatland zu gewärtigen hätte (OLG München, Beschluss vom 09.03.2010 – 4 St RR 102/09 [juris]).

Quelle: juris