Tenor
Der Antrag der Klägerin zu 2. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Klägerinnen begehren die Erteilung eines Schengenvisums für die Klägerin zu 1. Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn die Klage bietet keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Es kann dahinstehen, ob den Klägerinnen das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Erteilung eines Besuchsvisums fehlt, weil der ursprünglich geplante Besuchszeitraum (14. Juni bis 12. Juli 2009) längst abgelaufen ist und es für einen in der Zukunft liegenden neuen Besuchszeitraum an dem erforderlichen vorherigen Antrag bei der Botschaft fehlt. Denn auch wenn das Begehren der Klägerinnen aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes weiterhin als Verpflichtungsbegehren bzw. unter dem Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr als Fortsetzungsfeststellungsantrag zulässig wäre, wäre die Klage jedenfalls unbegründet. Die Versagung des Besuchsvisums war rechtmäßig und verletzte die Klägerinnen nicht in ihren Rechten; sie haben keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Besuchsvisums (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in entsprechender Anwendung). Das begehrte Besuchsvisum ist zu versagen, denn es bestehen begründete Zweifel an der Rückkehrbereitschaft der Klägerin zu 1. sowie an dem Wahrheitsgehalt der von ihr vorgelegten Belege und an der Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen. Außerdem hat sie nicht den Nachweis erbracht, dass sie über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die Dauer des geplanten Aufenthalts verfügt.
Maßgeblich für die Prüfung des Klagebegehrens ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
Rechtsgrundlage für die Erteilung des streitgegenständlichen Schengen-Visums ist nunmehr die Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (– Visakodex, VK –, ABl. EU L 243 S. 1), die in den hier maßgeblichen Teilen seit dem 5. April 2010 gilt (Art. 58 Abs. 2 VK).
Die in § 6 AufenthG getroffenen Regelungen sind deshalb nicht mehr anwendbar, soweit sie die Erteilung von Schengen-Visa betreffen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Juni 2010 – 2 B 16.09 – bei juris, Rdn. 22). Des Weiteren ist die Entscheidung über die Erteilung eines Visums für einen Aufenthalt im Schengen-Raum von höchstens drei Monaten je Sechsmonatszeitraum (vgl. Art. 2 Nr. 2 Buchstabe a VK), das – wie das vorliegend begehrte Visum – für das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gültig sein soll (sog. „einheitliches Visum“, vgl. Art. 2 Nr. 3 VK), im Visakodex nunmehr als gebundene Entscheidung ausgestaltet. D.h., die nach Art. 21 bzw. Art. 32 VK zu prüfenden materiellen Erteilungsvoraussetzungen bzw. Versagungsgründe unterliegen in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle (vgl. OVG Berlin-Brandenburg a.a.O. bei juris Rdn 23). Nach Art. 21 Abs. 1 Halbsatz 1 VK ist bei der Prüfung eines Antrages auf ein einheitliches Visum festzustellen, ob der Antragsteller die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 Absatz 1 Buchstaben a, c, d und e des Schengener Grenzkodexes (Verordnung [EG] Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen, ABl. EU L 105 S. 1, – SGK –, zuletzt geändert durch Art. 2 Verordnung [EG] Nr. 265/2010 vom 25. März 2010, ABl. L 85 S. 1) erfüllt. Art. 5 Absatz 1 Buchstabe c Halbsatz 1 SGK sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger u.a. den Zweck des beabsichtigten Aufenthalts belegen muss. Entsprechend bestimmt Art. 21 Abs. 3 Buchstabe b Halbsatz 1 VK, dass das Konsulat bei der Kontrolle, ob der Antragsteller die Einreisevoraussetzungen erfüllt, prüft, ob die Angaben des Antragstellers zum Zweck des beabsichtigten Aufenthalts begründet sind. Und Art. 32 Abs. 1 Buchstabe a Ziffer ii VK schreibt vor, dass das Visum verweigert wird, wenn der Antragsteller den Zweck des geplanten Aufenthalts nicht begründet. Um die Überprüfung seiner diesbezüglichen Angaben zu ermöglichen, hat der Antragsteller bei der Beantragung eines einheitlichen Visums u.a. Unterlagen mit Angaben zum Zweck der Reise vorzulegen (Art. 14 Abs. 1 Buchstabe a VK), wobei Anhang II zum Visakodex eine „nicht erschöpfende“ Liste von Belegen enthält, deren Vorlage das Konsulat von dem Antragsteller verlangen kann (Art. 14 Abs. 3 VK). Gemäß Art. 21 Abs. 1 Halbsatz 2 VK ist bei der Prüfung eines Antrages auf ein einheitliches Visum insbesondere zu beurteilen, ob bei dem Antragsteller das Risiko der rechtswidrigen Einwanderung besteht und ob er beabsichtigt, vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu verlassen. Nach Art. 32 Abs. 1 VK wird das Visum u.a. verweigert, wenn der Antragsteller als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung eingestuft wird (Buchstabe a Ziff. vi), oder begründete Zweifel an der an der Echtheit der von dem Antragsteller vorgelegten Belege oder am Wahrheitsgehalt ihres Inhalts, an der Glaubwürdigkeit seiner Aussagen oder an der von ihm bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen (Buchstabe b). Ausgehend von den in Art. 21 Abs. 1 und 32 Abs. 1 VK getroffenen Regelungen fehlt es an den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Visumserteilung, wenn nach dem Ergebnis einer umfassenden Risikobewertung begründete Zweifel an der Absicht des Antragstellers bestehen, das Visum zum angegebenen Aufenthaltszweck zu nutzen und fristgemäß den Schengen-Raum zu verlassen. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab wird durch Art. 32 Abs. 1 Buchstabe b VK vorgegeben. Diese Bestimmung spricht zwar unmittelbar nur die Gefahr einer nicht rechtzeitigen Ausreise an. Hinsichtlich des noch schwerer wiegenden Risikos einer rechtswidrigen Einwanderung können jedoch keine höheren Anforderungen gelten. Im Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung ist unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage aller verfügbaren Informationen (vgl. Art. 21 Abs. 9 Satz 2 VK) eine Prognoseentscheidung zur Wahrscheinlichkeit einer nicht rechtzeitigen Ausreise oder rechtswidrigen Einwanderung zu treffen, die Schwere der mit einer illegalen Migration verbundenen Gefahr in den Blick zu nehmen und dabei – soweit einschlägig – der besondere Schutz zu beachten, den Ehe und Familie nach Art. 6 GG, Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) und Art. 7 der Grundrechte-Charta (GRCh, ABl. EU 2010 C 83 S. 389) genießen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Juni 2010 a.a.O. Rdn. 31).
Ausgehend von diesem Maßstab bestehen begründete Zweifel an der Rückkehrbereitschaft der Klägerin zu 1. Aufgrund der erkennbaren äußeren Umstände spricht vieles dafür, dass sie ein Besuchsvisum zur Begründung eines auf Dauer angelegten Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland missbrauchen würde. Die Angaben der Klägerinnen zum Aufenthaltszweck sind nicht glaubhaft. Dass es sich bei der Klägerin zu 2. um die Tochter der Klägerin zu 1. handelt, begegnet erheblichen Zweifeln. Denn die Identität der Klägerin zu 2. ist nicht geklärt. Diese reiste – soweit ersichtlich erstmals – im Mai 1998 unter dem Namen M., geb. 10.3.1970, – nach ihren Angaben mit einem Visum – ein. Sie wurde ausgewiesen; für ihre Ausreise am 22. März 1999 stellte die mongolische Botschaft ihr unter den o.g. Personalien ein Passersatzpapier Nr. 06867 aus. Im August 1999 reiste sie erneut – mit einem bis 31. August 1999 befristeten Schengenvisum – ein, nun unter den Personalien C., geb. 6.12.1967. Nach Angaben der Klägerin zu 2. im späteren Asylverfahren benutzte sie hierbei einen echten Pass mit falschen Personalien, den sie gekauft haben will. Am 18. Oktober 1999 wurde sie abgeschoben. Am 28. März 2001 reiste sie erneut ein und stellte am 12. April 2001 unter den Personalien D., geb. 10.3.1970, in Trier einen Asylantrag, der im Juli 2001 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Sie heiratete am 3. August 2001 den Staatsangehörigen von Mosambik A.. Am 26. Dezember 2002 wurde die gemeinsame Tochter J. geboren, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Am 13. Januar 2005 stellte die Mongolei ihr einen Pass mit den Personalien D., geb. 10. März 1970 aus, woraufhin sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhielt. Vor diesem Hintergrund bestehen erhebliche Zweifel, ob die im Antragsverfahren eingereichten Personenstandsdokumente, die ein Mutter-Tochter-Verhältnis belegen sollen, inhaltlich richtig sind. Denn augenscheinlich ist die Klägerin zu 2. erfahren darin, echte, aber inhaltlich falsche mongolische Dokumente zu beschaffen und hat davon wiederholt Gebrauch gemacht, wenn es ihren Interessen diente.
Verstärkt werden die Zweifel dadurch, dass die Klägerin zu 1. bereits im Jahr 2006 ein Schengenvisum für einen Besuch „von Familienangehörigen oder Freunden“ beantragt hatte. Als einladende Person gab sie seinerzeit „B.“ in Berlin an. In der Spalte „Kinder“ im Antragsformular trug sie – wie auch in ihrem streitgegenständlichen Antrag – einen 1969 geborenen G. ein, jedoch keine weiteren Kinder, insbesondere nicht die Klägerin zu 2., die seinerzeit ebenfalls schon in Berlin lebte. Mit Remonstrationsbescheid vom 12. Januar 2007 lehnte die Beklagte seinerzeit das Visum mit der Begründung ab, der Reisezweck sei unglaubhaft, weil nicht glaubhaft dargelegt worden sei, wie die Klägerin zu 1. sich mit der sie einladenden „Freundin“ in Deutschland verständigen wolle. Das Visum ist unabhängig von dem oben ausgeführten auch abzulehnen, weil begründete Zweifel daran bestehen, dass die Verpflichtungserklärung, die die Klägerin zu 2. zu Gunsten der Klägerin zu 1. im März 2009 abgegeben hat, inhaltlich der Wahrheit entsprach (Art. 32 Abs. 1 Buchstabe a iii und Buchstabe b VK). Im September 2007 hatte sie die Stundung der Heranziehung zu den Abschiebungskosten in Höhe von rund 1.000 € beantragt. Sie hoffe, in einem Jahr zu Ratenzahlung in der Lage zu sein. Eine Zahlung der Abschiebungskosten ist in der beigezogenen Ausländerakte der Klägerin zu 2. bis heute nicht festzustellen. Zufolge ihrer Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen im Rahmen des vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahrens waren im Juli 2010 noch 517 € offen und betragen die monatlichen Raten 25 €. Mit ihrem Prozesskostenhilfeantrag macht sie geltend, die Gerichts- und Anhaltskosten nicht zahlen zu können. Es ist nicht nachvollziehbar, wie sie bei diesen wirtschaftlichen Verhältnissen im März 2009 glaubhaft machen konnte, die in der Verpflichtungserklärung übernommenen finanziellen Verpflichtungen erfüllen zu können. Diese Erklärung belegt das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Eingeladenen, der bei Vorliegen einer solchen Kostenübernahmeerklärung keine eigenen Mittel nachweisen muss (Art. 21 Abs. 5 Satz VK).