Der Beschluss des VG Düsseldorf vom 24.01.2011 - 27 L 1633/10 - bestätigt unsere Auffassung, dass schengenrechtliche Aufenthalte entsprechend §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB ohne Berücksichtigung des Tages der Einreise zu berechnen sind.
Maßgebliche Bestimmung bei der Berechnung der Aufenthaltsdauer für Positivstaater ist Art. 20 Abs. 1 SDÜ.
Danach dürfen sich sichtvermerksfreie Drittausländer in dem Hoheitsgebiet der Ver-tragsparteien frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c, d und e SGK aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen. Bei diesem Aufenthalt kann ein Aufenthalt am Stück von bis zu drei Monaten erfolgen oder, sofern mehrere Kurzaufenthalte innerhalb des Sechsmonatszeitraums stattfinden sollen, eine Gesamtzahl von bis max. 90 Tage innerhalb desselben Zeitraums verbraucht werden. Zur spannenden Frage, wann denn nun der Reisende den Tag der ersten Einreise setzt, erging das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Bot“ (Rs. C-241/05 vom 03.10.2006, veröffentlicht in Migrationsrecht.net). Danach ist Artikel 20 Absatz 1 SDÜ dahin auszulegen, dass der Begriff „erste Einreise“ im Sinne dieser Bestimmung außer der zeitlich ersten Einreise in den Schengen-Raum auch die erste Einreise dorthin nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten ab dieser zeitlich ersten Einreise sowie jede weitere erste Einreise umfasst, die nach Ablauf jeder neuen Frist von sechs Monaten ab einem vorangegangenen Datum der ersten Einreise erfolgt. Nicht ausdrücklich führte der EuGH zu der Frage aus, inwieweit nach Ende des jeweiligen Bezugzeitraums auch dann - etwa zwingend - eine Ausreise aus dem Schengenraum zu erfolgen hätte. Somit wird in Deutschland aus Verhältnismäßigkeitsgründen maßgeblich auf den Verbrauch der Aufenthaltstage abgestellt. Eine erneute Einreise kurz vor Ende eines Bezugszeitraums lässt daher die Lösung zu, dass der Reisende noch die restlichen Tage (bis max. 90) aufbrauchen kann, damit den Sechsmonatszeitraum überschreiten kann und erst dann wieder ausreisen muss.
Jedenfalls müsste also eine Ausreise nach Verbrauch der 90 Tage erfolgen, wobei eine Wiedereinreise bereits am nächsten Tag mit erneuten 90 Tagen möglich wäre, sofern auch ein erneuter Bezugszeitraum mit dieser nunmehr wieder ersten Einreise gesetzt würde. In Bezug auf die von der Kommission angeführte Gefahr der Umgehung der auf längerfristige Aufenthalte anwendbaren Regeln stellte der EuGH fest, dass Artikel 20 Abs. 1 SDÜ es nach seinem gegenwärtigen Wortlaut einem sichtvermerksfreien Staatsangehörigen eines Drittstaats zwar erlaubt, zwei nicht unmittelbar aufeinanderfolgende Aufenthalte zu kumulieren und sich dadurch nahezu sechs Monate im Schengen-Raum aufzuhalten, dass es aber Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers ist, diese Bestimmung gegebenenfalls zu ändern, wenn er der Auffassung ist, dass eine solche Kumulierung zu einem Verstoß gegen die für Aufenthalte von mehr als drei Monaten geltenden Regeln führen kann.
Zur Bestimmung der Frage, ob bereits der Einreisetag mitgezählt werden darf, wird auf den Juristischen Dienst des Rates hingewiesen, der in Bezug auf die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über Fristen ausführte, dass nach deren grundlegenden Bestimmungen der Tag, der die Frist auslöst, nicht mitgezählt wird und die Frist nie an einem arbeitsfreien Tag zu zählen beginnt, sondern erst am ersten darauf folgenden Arbeitstag (vgl. Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine, ABl. L 124 vom 8.6.1971, S. 1). Allerdings wird derzeit - entgegen der vorgenannten Fristenlösung - in Deutschland der Tag der Einreise, z.B. im Sinne der Bestimmungen aus Artikel 20 Absatz 1 SDÜ, mitgezählt, obgleich der Tag der Einreise auch nach § 187 Absatz 1 BGB nicht anzurechnen ist.
Redaktionelle Leitzätze zu VG Düsseldorf:
Zur Berechnung der Dauer des Kurzaufenthaltsrechts eines visumsfreien Drittstaatsangehörigen im Fall der zwischenzeitlichen Rückkehr:
- Die Annahme einer Duldungsfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG setzt voraus, dass der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in zeitlicher Nähe zu dem vorangegangenen rechtmäßigen Aufenthalt steht. Bei der näheren Bestimmung der zeitlichen Grenze sind die Um-stände des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des rechtmäßigen Voraufenthalts zu berücksichtigen.
- Der Zeitraum von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise, innerhalb dessen man sich drei Monate visumsfrei im Schengen-Raum aufhalten darf, ist entsprechend §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB ohne Berücksichtigung des Tages der Einreise zu berechnen.
- Zur Frage des maßgeblichen Zeitpunktes für die Bestimmung des Aufenthaltszwecks, nach dem sich richtet, ob der Ausländer im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG mit dem erforderlichen Visum eingereist ist.
Zur Entscheidung im Volltext:
VG Düsseldorf - 27 L 1633/10 - Beschluss vom 24.01.2011 (115.72 kB 2011-02-19 10:13:55)
Zur aktualisierten Kommentierung des Visakodex:
Kommentierung zum Visakodex (VO (EG) Nr. 810/2009 (6.92 MB 2011-02-19 10:36:47)