Vietnamesen, Zigarettenschmuggel, Rechtsanwalt, Gerichtsreportage, Verena Mayer

Anzeige Werbung Kanzleien Anzeige

Wer es im Beruf zu etwas bringen will, muss sich richtig vermarkten. Das ist auch bei  Berufsverbrechern so, selbst dann, wenn sie wie Waldemar C. gerade achteinhalb Jahre wegen Raubes im Gefängnis sitzen. Eine Haftstrafe ist für den Berufsverbrecher ja nur eine Form der Auszeit, und da gilt es, am Ball zu bleiben und sich für neue Herausforderungen ins Gespräch zu bringen. Waldemar C. hat daher im Untersuchungsgefängnis schon mal einem Wächter den Schlüsselbund weggerissen und ist damit in Richtung Ausgang gerannt. Im Hof Nummer 1 sprang er dann auf eine Tischtennisplatte und ließ sich von den Mithäftlingen gebührend beklatschen. Weiter wäre er gar nicht gekommen - in jeder Justizvollzugsanstalt gibt es elektronisch gesicherte Schleusen - aber alle haben Waldemar C. gesehen, und er hat im Gefängnis großen Eindruck  hinterlassen. Sich Respekt zu verschaffen, ist schließlich das A und O jeder Karriere, das gilt besonders für eine junge Führungskraft wie Waldemar C.

Und eine Führungskraft ist er wirklich. Kaum zwanzig Jahre alt, hatte er bereits einen Spitzenposten in der Zigarettenschmuggler-Branche inne. Man könnte es ?Controlling? nennen, was Waldemar C. da gemacht hat; jedenfalls musste er dafür sorgen, dass nachts im deutsch-polnischen Grenzgebiet effizient gearbeitet wurde. Es war ein internationales Unternehmen, das er leitete, ein polnisch-vietnamesisches Joint-Venture-Unternehmen genau gesagt; aus Polen kam das Schmuggelgut, und die Vietnamesen kauften es, um es an ihre Straßenhändler in Berlin zu liefern. Das Geschäft lief gut, an die zwanzig Millionen Zigaretten gingen so an der deutschen Steuerbehörde vorbei.

Das hat Waldemar C. allerdings nicht vor das Amtsgericht gebracht, sondern die Aktion im Untersuchungsgefängnis, die damit endete, dass sich Waldemar C. mit vier herbeigeeilten Justizvollzugsobersekretären in die Haare kriegte. Angeklagt ist er nun wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, ein Fluchtversuch an sich ist ja nicht strafbar.

Sympathisch sieht er aus, der 28 Jahre alte Waldemar C. Er hat kurzes blondes Haar, der Körper ist gut trainiert, das Gesicht auf gefällige Art durchschnittlich. Zwar wurde er in einen Anstalts-Blaumann gesteckt und muss Fußfesseln tragen, doch er macht das Beste aus der Situation: In einer Art Jogging-Gangart kommt er federnd in den Gerichtssaal gehüpft, dazu lächelt er gewinnend; dieser Mann hat genau jenes dynamische Auftreten, das immer am Stellenmarkt gesucht wird. Kein Wunder, dass Waldemar C. in seinem Beruf von Anfang an für die großen Projekte zuständig war. Im Jahr 2000 sollte es etwa darum gehen, eine größere Summe für Investitionen zu aquirieren. Waldemar C. und sein Kollege Marek setzten sich dazu mit einem vietnamesischen Geschäftspartner in Verbindung und sagten, sie hätten 15 000 Zigaretten auf Lager, er solle schon einmal das Geld beschaffen. Der Mann tat wie geheißen, und nachdem er Marek das Geld auf den Tisch gezählt hatte, rief Marek Waldemar C. an, doch der kam nicht mit den Zigaretten, sondern mit einer Waffe und schnappte sich das Geld. Mit 300 000 Mark machten sich die beiden von dannen, nicht ohne im Treppenhaus noch ein paar Schüsse abgeben zu haben. Auch soll Waldemar C. daran beteiligt gewesen sein, dass ein polnischer Zuhälter mit einem 25 Kilogramm schweren Gewicht an den Beinen in die Oder geworfen wurden. Das Verfahren läuft noch, in Berlin wurde Waldemar C. aber bereits wegen Raubes verurteilt.

Im Gefängnis traf er etliche Kollegen aus seinem Zigarettenschmuggler-Ring, die zur selben Zeit wie er verhaftet worden waren. Die sollten nun sehen, wer hier das Sagen hatte, und als im vergangenen Juni seine tägliche Stunde Hofgang gekommen war, stürzte sich Waldemar C. auf einen Justizangestellten, griff sich den Schlüsselbund und trat seinen Marsch durch die Abteilungen an. Aus den vergitterten Fenstern wurde ihm dabei zugejubelt, und am Ende gab Waldemar C. auf der Tischtennisplatte nicht etwa klein bei, sondern wehrte sich bei seiner Festnahme so heftig, dass die Beamten ihn in der Waagrechten zurück in seine Zelle tragen mussten. Dafür hat er im Gefängnis bereits einen Monat Dauerarrest bekommen und wird nun zu weiteren vier Monaten Haft verurteilt, aber für ihn war es eine ?Galavorstellung?, wie es der Richter in der Urteilsbegründung ausdrückt. Waldemar C. räumt alles ein, entschuldigt sich professionell bei den Beamten und nimmt das Urteil sofort an. ?Solche Auftritte müssen nicht sein?, mahnt abschließend der Richter. Doch Waldemar C. lächelt nur und nimmt wieder seine Jogging-Haltung ein. Beim Hinausgehen reckt er siegessicher den Daumen hoch.

  (Hier finden Sie weitere Gerichtsreportagen von Verena Mayer)