Aus dem Gebot, die Rechtsstellung von selbstständig Erwerbstätigen aus der Türkei nicht zu verschlechtern, ergibt sich für diesen Personenkreis keine Befreiung von der Visumpflicht für die Einreise nach Deutschland. Das hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts am 19.02.2015 (BVerwG 1 C 9.14) in Leipzig entschieden.
Der Entscheidung lag der Visumantrag eines türkischen Staatsangehörigen aus dem Jahr 2010 zugrunde, der als selbstständiger Unternehmer auf dem Gebiet der Software-Beratung tätig ist und seinen Geschäftssitz in Istanbul hat. Er hatte den Auftrag erhalten, für ein deutsches Softwareunternehmen bei deren Kunden in Duisburg, technische Spezifikationen auszuarbeiten. Das hierfür beantragte Schengen-Visum für Geschäftsreisen bis zu 45 Tagen hatte das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Istanbul abgelehnt. Hiergegen wandte sich der Geschäftsmann und machte geltend, er dürfe ohne Visum einreisen. Dies ergebe sich aus Artikel 41 Absatz 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG/Türkei (ZP), das im Jahr 1973 in Deutschland in Kraft getreten ist.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass sich aus Artikel 41 Absatz 1 ZP zwar ein Verbot der Verschlechterung der Rechtsstellung für Erbringer von Dienstleistungen aus der Türkei ergibt. Im konkreten Fall liegt aber keine derartige Verschlechterung vor. Denn türkische Staatsangehörige bedurften schon im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verschlechterungsverbots im Jahr 1973 eines Visums, wenn die Einreise zum Zweck einer Erwerbstätigkeit erfolgte (§ 1 Absatz 2 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 10. September 1965). Die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen - wie hier die Erarbeitung technischer Spezifikationen im Softwarebereich - fällt auch unter den Begriff der Erwerbstätigkeit. Etwas anderes galt nach der im Jahr 1973 maßgeblichen Rechtslage nur für die Dienstleistung durch Arbeitnehmer für ein Unternehmen mit Sitz in der Türkei, nicht aber für Selbstständige.
BVerwG 1 C 9.14 - Urteil vom 19. Februar 2015
Quelle: Presseerklärung des BVerwG