Das BVerwG entschied heute zum Aufenthaltsrecht des Ausländers nach Rücknahme der Einbürgerung.
Die Niederlassungserlaubnis, die ein Ausländer vor seiner Einbürgerung als Deutscher besessen hat, lebt nicht wieder auf, wenn die deutsche Staatsangehörigkeit rückwirkend wegen einer durch Täuschung erwirkten Einbürgerung entzogen wird.
Vielmehr bedarf es der Erteilung eines neuen Aufenthaltstitels.
Dabei kommt in besonderen Fällen auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in entsprechender Anwendung der Regelung für ehemalige Deutsche (§ 38 Aufenthaltsgesetz – AufenthG) in Betracht. Dies setzt allerdings voraus, dass die frühere Niederlassungserlaubnis nicht ebenfalls durch Täuschung erwirkt war. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Frage, welche Rechtsfolgen die Rücknahme einer Einbürgerung für den weiteren Aufenthalt eines Ausländers in Deutschland hat, stellte sich dem Bundesverwaltungsgericht in zwei Verfahren. Das eine Verfahren betraf einen aus Pakistan stammenden Kläger, dem wegen der Ehe mit einer Deutschen der Aufenthalt in Deutschland erlaubt worden war. Er erhielt in der Folgezeit einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Gleichzeitig war er auch mit einer Frau in Pakistan verheiratet. Dies hatte er gegenüber den deutschen Behörden verschwiegen. Bekannt wurde dies erst nach der Einbürgerung des Klägers und führte zu deren Rücknahme. Der Kläger erhielt mit Rücksicht auf sein minderjähriges deutsches Kind eine (befristete) Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen. Seinen Antrag auf Wiedererlangung des ursprünglichen, unbefristeten Aufenthaltstitels (jetzt: Niederlassungserlaubnis) aus der Zeit vor der Einbürgerung lehnte die Ausländerbehörde ab. Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der frühere unbefristete Aufenthaltstitel mit der Einbürgerung unwirksam wird (§ 43 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz) und nach deren Rücknahme nicht wieder auflebt.
Dies ergibt sich vor allem aus der in § 38 AufenthG getroffenen Regelung, die bei Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft mit Wirkung für die Zukunft nicht vorsieht, dass der alte Aufenthaltstitel automatisch wieder auflebt. Diese Wertung des Gesetzgebers verlangt, Ausländer, deren Einbürgerung - etwa wegen einer vom Ausländer begangenen Täuschung - mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben wird, nicht besser zu stellen. Ein automatisches Wiederaufleben der alten Aufenthaltsberechtigung kommt deshalb nicht in Betracht. Aus den gleichen Gründen steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Neuerteilung einer Niederlassungserlaubnis in Anknüpfung an den früheren unbefristeten Aufenthaltstitel zu.
In dem zweiten Verfahren ging es um einen marokkanischen Staatsangehörigen, der 2001 zu seiner deutschen Ehefrau nach Deutschland gezogen war, im März 2006 eine Niederlassungserlaubnis erhalten hatte und Ende 2006 eingebürgert worden war. Die Einbürgerung wurde im September 2007 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, da sich herausstellte, dass sich die Eheleute bereits mehr als ein halbes Jahr vor der Einbürgerung des Klägers getrennt hatten und der Kläger dies im Einbürgerungsverfahren verschwiegen hatte. Seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als ehemaliger Deutscher nach § 38 AufenthG lehnte die Ausländerbehörde ab und drohte ihm die Abschiebung nach Marokko an. Der Verwaltungsgerichtshof hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen, da die Vorschrift in Fällen einer erschlichenen und mit Rückwirkung aufgehobenen Einbürgerung keinen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel vermittle. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Berufungsentscheidung aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Es hält die für ehemalige Deutsche geltende aufenthaltsrechtliche Regelung des § 38 AufenthG in Fällen einer Rücknahme der Einbürgerung für entsprechend anwendbar. Bei der Einführung der gesetzlichen Grundlage für eine - bis zum Ablauf von fünf Jahren mögliche - Rücknahme der Einbürgerung (§ 35 Staatsangehörigkeitsgesetz) im Jahre 2009 hat der Gesetzgeber die aufenthaltsrechtlichen Folgen für den Betroffenen nicht geregelt. § 38 Abs. 1 bis 3 AufenthG regelt allerdings der Sache nach alle Fälle des sonstigen Verlusts der Staatsangehörigkeit mit Wirkung für die Zukunft. Er ermöglicht eine adäquate Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auch in Fällen der Rücknahme der Einbürgerung mit Wirkung für die Vergangenheit. Die entsprechende Anwendung der Vorschrift verhindert, dass es allein aufgrund der Rücknahme der Einbürgerung zu einer automatischen Aufenthaltsbeendigung ohne Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall kommen kann. Dies erlaubt zwar nicht die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, ermöglicht in besonderen Fällen aber die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Diese Auslegung führt im Ergebnis auch nicht zu einer ungerechtfertigten Privilegierung von Ausländern, die - wie der Kläger des ersten Falles - nicht nur die Einbürgerung, sondern auch den früheren unbefristeten Aufenthaltstitel durch Täuschung erlangt haben. Da der Verwaltungsgerichtshof im Fall des marokkanischen Klägers weder Feststellungen zu den Umständen des Erwerbs der Niederlassungserlaubnis im März 2006 und der Täuschungshandlung im Einbürgerungsverfahren noch zu den sonstigen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen getroffen hat, war das Verfahren zur weiteren Aufklärung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.
BVerwG 1 C 2.10 und 16.10 - Urteile vom 19. April 2011
Vorinstanzen:
BVerwG 1 C 2.10:
VG Braunschweig, VG 5 A 88.06 - Urteil vom 23. November 2006 - OVG Lüneburg, OVG 12 LC 77.07 - Beschluss vom 30. September 2009 -
BVerwG 1 C 16.10:
VG Frankfurt am Main, 1 K 189.09.F(V) - Urteil vom 28. Mai 2009 - VGH Kassel, 9 A 2080.09 - Beschluss vom 18. Februar 2010 -
Quelle:
Pressemitteilung vom 19.04.2011, Nr. 33/2011
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!