AACHEN - Mit Beschluss vom 3. Juni 2005 hat sich das Sozialgericht Aachen (Az. S 19 AY 6/05 ER) für die Gewährung von Leistungen auf Sozialhilfeniveau (Alg II, Sozialhilfe oder Grundsicherung) nach § 2 Abs.1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ausgesprochen, auch wenn zuvor nicht Leistungen nach dem AsylbLG, sondern nach BSHG und GsiG gewährt wurden. Sinn und Zweck der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2005 sei keine Einschränkung des Kreises der Berechtigten der erweiterten Leistungen gewesen.
Der 45jährige Antragsteller hält sich seit 1989 in der Bundesrepublik Deutschland auf und verfügte seit 1994 über eine Aufenthaltsbefugnis. Spätestens seit diesem Zeitpunkt bezog er erst Sozialhilfe, später Leistungen der Grundsicherung für arbeitsunfähige Menschen. Nachdem dem Antragsteller im Jahr 2000 eine Niere implantiert wurde, ist er auf eine immunsupressive Therapie angewiesen, um ein Abstoßung des eingesetzten Organs zu verhindern.
Im März diesen Jahres hatte das Sozialamt abgelehnt, die Kosten für diese Behandlung zu übernehmen. Nach seiner Ansicht gelte für den Antragsteller seit dem 1. Januar 2005 wieder das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) nach dem für eine immunsupressive Therapie kein Mehrbedarf vorgesehen sei. Dessen Anwendbarkeit stehe ?so das Sozialamt- auch nicht die Tatsache nicht entgegen, dass der Antragsteller unter Geltung der bis zum 31.12.2004 maßgeblichen Fassung von § 2 Abs. 1 AsylbLG (a. F.) aufgrund seiner über sechsmonatigen gültigen Aufenthaltsbefugnis nicht leistungsberechtigt nach diesem Gesetz, sondern nach den Bestimmungen des BSHG gewesen sei. Nach dieser Vorschrift erhalten Personen, die drei Jahre lang die deutlich geringeren Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten haben, Bezüge in Höhe des SGB II (Alg II), bzw. XII (Sozialhilfe), da die Gewährung von derartig geringen Leistungen mit dem Menschenwürdegrundsatz in Konflikt steht, insbesondere wenn der Aufenthalt in Deutschland nicht nur kurzfristig ist. Voraussetzung für die Gewährung der höheren Leistungen nach den SGB ist jedoch, dass der oder die Betroffene die längere Verweildauer in Deutschland nicht rechtsmissbräuchlich verursacht hat.
Dem ist das Sozialgericht entgegengetreten. Nach Auffassung des Gerichts sind auch Leistungen nach den SGB II, bzw. XII zu leisten, wenn ein Leistungsbezieher zwar keine drei Jahre Leistungen nach § 3 des AsylbLG, jedoch andere Leistungen bezogen hat, die diesen Leistungen vorrangig waren. So verhielt es sich im vorliegenden Fall. Der Antragsteller bezog
Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 AsylbLG, der die dreijährige Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG voraussetze, greife nicht durch, da Sinn und Zweck von § 2 des AsylbLG in der alten wie in der aktuellen Fassung darin bestehe, diejenigen Leistungsberechtigten besser zu stellen, die sich für eine bestimmte Dauer in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und die die Dauer ihres Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Mit der Neufassung des Paragraphen ab 1. Januar 2005 sollte lediglich der Anreiz zur missbräuchlichen Asylantragsstellung weiter eingeschränkt werden (Bundestagsdrucksache (BT-Drucks.) 15/420, S. 120). Eine weitere Änderung des Kreises des Personenkreises, welche zukünftig ausschließlich die abgesenkten Leistungen nach dem AsylbLG erhalten war vom Gesetzgeber mit der Änderung des AsybLG hingegen nicht beabsichtigt (BT-Drucks. 15/420 a.a.O.). Vielmehr sollte mit Ausnahme der Missbrauchsfälle grundsätzlich auf alle Fälle von § 1 AsylbLG weiterhin das BSHG nach 36 Monaten weiter Anwendung finden (BT-Drucks. 15/420, S. 121). Bei den weiteren Änderungen des AsylbLG handelte es sich um die erforderlichen redaktionellen Anpassungen des AsylbLG an das neue AufenthG, welches zum 01.01.2005 das bisherige AuslG ersetzt hat. Auch die Vorschrift des
§ 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG, auf die sich der Antragsgegner bei der Ablehnung des Antrags stützt, hat zum
01.01.2005 nur eine redaktionelle Änderung erfahren (BT-Drucks. 15/420, S. 120).
Nach Auffassung des Gerichts lag es nicht in der Absicht des Gesetzgebers durch die Änderungen des AsylbLG zum 1. Januar 2005 grundsätzlich alle Personen, die bereits vor dem 31 Dezember 2004 anstelle von Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG langjährig gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG Leistungen in entsprechender Anwendung des BSHG bezogen haben, diese Privilegierung ab dem 01.01.2005 nachträglich zu entziehen und ab diesem Zeitpunkt nur noch Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG zu gewähren. Es findet sich an keiner Stelle der Gesetzesbegründung und auch nicht im Gesetz selbst ein Hinweis darauf, dass alle Leistungsberechtigten, die sich bereits seit geraumer Zeit nicht rechtsmissbräuchlich im Bundesgebiet aufhalten und die bereits vor dem 01.01.2005 einen langjährigen Anspruch nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit den Vorschriften des BSHG gehabt haben, durch die infolge der Änderung der Ausländergesetze notwendig gewordenen redaktionellen Änderungen des AsylbLG ihre bisherigen Ansprüche verlieren sollten, um sich dann von neuem einen entsprechenden Anspruch durch erneuten Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG für 36 Monate zu erwerben. Vielmehr sollen nur Ausländer schlechter gestellt werden, die rechtsmissbräuchlich die Dauer ihres Aufenthalts selbst beeinflusst haben.
Der Entscheidung des SG Aachens ist vollends zuzustimmen. Schon die allgemeine Gewährung der niedrigen Sätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist im Hinblick auf den Menschenwürdegrundsatz nicht unbedenklich. Lebt jemand indes bereits 15 Jahre in unserem Land und erhält wegen Arbeitsunfähigkeit Sozialleistungen, so kann ihn die Änderung seines Status infolge einer Gesetzesänderung nicht auf das Leistungsniveau eines neu eingetroffenen Asylbewerbers abstufen. Im Sozialrecht für Migranten sind oft Bestrebungen erkennbar, die Leistungen einzuschränken und ungeachtet des Zieles der Gesetze nach ?preiswerten? Lösungen für Gemeinden und sonstigen Träger zu suchen.
Weitere Informationen:
Lesen Sie auch unseren Artikel über die Bundesrats-Initiative zur Streichung von § 2 AsylbLG
Für Informationen zu den Auswirkungen von Hatz IV auf Migranten und Migrantinnen und auf Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG lesen Sie unsere Abhandlung Hartz IV und Zuwanderungsgesetz - Reformflut für arbeitslose Migranten.