Kinder- und Erziehungsgeld bei Aufenthaltsbefugnis bzw. Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen: bis zu 10 000 Euro Nachzahlung pro Kind sichern!
Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber in seinen im Dezember 2004 veröffentlichten Urteilen zum Kinder- und Erziehungsgeld für Ausländer aufgefordert, bis zum 1.1.2006 den gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden und daher verfassungswidrigen Ausschluss von erwerbstätigen Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis vom Kinder- und Erziehungsgeld zu beseitigen.
Das Bundeskabinett hat jetzt hierzu einen Gesetzentwurf beschlossen, den "Entwurf eines Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss" (Bundesrats-Drucksache 68/06 vom 27.01.06, externer Link zu *.pdf-Dokument).
Nach dem Gesetzentwurf ? der noch das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen muss und der Zustimmung des Bundesrates bedarf ? sollen rückwirkend ab 1.1.2006 auch Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis (AE) aus humanitären Gründen (§§ 22, 23, 23a, 25 Abs. 3-5 AufenthG ? im Mitgliederbereich) einen Anspruch auf Kindergeld, Erziehungsgeld sowie Unterhaltsvorschuss erhalten, sofern ihnen eine konkrete Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder aber generell die Erwerbstätigkeit erlaubt ist. Weiterhin ausgeschlossen bleiben sollen Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis, aber ohne Erlaubnis zu einer Erwerbstätigkeit. Als Erlaubnis zu einer Erwerbstätigkeit zählen die Erlaubnis zu einer konkreten Beschäftigung, die Erlaubnis zu einer selbständigen Tätigkeit, sowie die allgemeine Erlaubnis zur Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit.
Unabhängig von der Frage der Arbeitserlaubnis weiter von den genannten Familienleistungen ausgeschlossen bleiben sollen Ausländer mit AE nach §§ 24 und 25 Abs. 4 Satz 1 sowie mit Duldung und Aufenthaltsgestattung.
Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 16 oder 17 sollen den Anspruch erst nach fünf Jahren Aufenthalt erhalten, sofern sie dann in Deutschland berechtigt erwerbstätig sind, laufende Geldleistungen nach SGB III beziehen oder Elternzeit nach BErzGG in Anspruch nehmen. Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 2 für einen nur befristeteten, nicht verlängerbaren Beschäftigungsaufenthalt (z.B. Spezialitätenköche) sollen ? anders als bisher ? ausgeschlossen werden.
Zur Rückwirkung weist der Flüchtlingsrat Berin auf Folgendes hin: Kindergeld könne rückwirkend für das Jahr des Antragsdatums und die letzten 4 Kalenderjahre vor dem Antragsdatum beansprucht werden (diese Rückwirkung gelte generell im Kindergeldrecht nach EStG, sie ergebe sich aus §§ 169, 170 Abgabenordnung). Zudem könne das Kindergeld für den Zeitraum ab Antragsdatum beansprucht werden. Der Gesetzentwurf spreche den Kindergeld-Anspruch im Regelfall erst ab 1.1.2006 zu. Ein rückwirkender Anspruch von Ausländern, die die Voraussetzungen nach der o. g. Neuregelung sinngemäß erfüllten, könne nach dem Gesetzentwurf nur geltend gemacht werden, wenn ein Antrag auf Kindergeld vor Inkrafttreten der Neuregelung gestellt und bei Inkrafttreten noch nicht bestandskräftig abgelehnt worden sei. Gegen eine Ablehnung des Kindergeldes müsse immer "Einspruch" und gegen dessen Ablehnung ggf. Klage beim Finanzgericht ? verbunden mit einem Aussetzungsantrag ? eingelegt werden. Wer versäume, ein Rechtsmittel einzulegen, dessen Ablehnung werde (bezogen auf die Vergangenheit) trotz der BVerfG-Entscheidung unwiderbringlich bestandskräftig, er verliere dann unwiderbringlich bis zu etwa 10 000 Euro Kindergeld pro Kind.
Sinngemäß dasselbe gelte für Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss. Erziehungsgeld könne allerdings nur bis zu sechs Monate und Unterhaltsvorschuss nur einen Monat vor Antragstellung beansprucht werden. Beide Leistungen könnten selbstverständlich zudem ab Antragsdatum für den gesamten darauf folgenden Zeitraum beansprucht werden, sofern der Antrag noch nicht bestandskräftig abgelehnt worden sei. Das Rechtsmittel heiße bei Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss "Widerspruch". Die Klage auf Erziehungsgeld sei beim Sozialgericht, für den Unterhaltsvorschuss beim Verwaltungsgericht einzureichen.
Quelle: Flüchtlingsrat Berlin
Weitere Informationen unter http://www.fluechtlingsrat-berlin.de