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Maßgeblich für die Lebensunterhaltsdeckung beim Familiennachzug ist nach der Familienzusammenführungsrichtlinie die Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 Buchstabe c RL 2003/86/EG. Die im Kapitel IV enthaltene Regelung über die Deckung des Lebensunterhalts von Familienangehörigen gehört über die Formulierung des Art. 4 Abs. 1 RL 2003/86/EG, "Vorbehaltlich der in Kapitel IV … genannten Bedingungen gestatten die Mitgliedstaaten gemäß dieser Richtlinie folgenden Familienangehörigen die Einreise und den Aufenthalt", zu den Nachzugsvoraussetzungen eines Rechtsanspruchs auf Familienzusammenführung.
Art. 7 Abs. 1 RL 2003/86/EG bestimmt:"
Artikel 7
(1) Bei Einreichung des Antrags auf Familienzusammenführung kann der betreffende Mitgliedstaat vom Antragsteller den Nachweis verlangen, dass der Zusammenführende über Folgendes verfügt:
a) Wohnraum, der für eine vergleichbar große Familie in derselben Region als üblich angesehen wird und der die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden allgemeinen Sicherheits- und Gesundheitsnormen erfüllt;
b) eine Krankenversicherung für ihn selbst und seine Familienangehörigen, die im betref-fenden Mitgliedstaat sämtliche Risiken abdeckt, die in der Regel auch für die eigenen Staatsangehörigen abgedeckt sind;
c) feste und regelmäßige Einkünfte, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaates für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreicht. Die Mitgliedstaaten beurteilen diese Einkünfte anhand ihrer Art und Regelmäßigkeit und können die Höhe der Mindestlöhne und -renten sowie die Anzahl der Familienangehörigen berücksichtigen." Diese Regelung sieht – anders als Art. 5 Abs. 1 RL 2003/109/EG – keine verbindliche Beachtung der Anforderungen vor, sondern räumt dem deutschen Gesetzgeber eine Gestaltungsoption („kann“) ein. Art. 7 Abs. 1 Buchstabe c RL 2003/86/EG ist im Rahmen von Familiennachzugsfällen nicht unmittelbar anwendbar, da die Richtlinie bereits mit dem zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Aufenthaltsgesetz insoweit in nationales Recht umgesetzt wurde, als die bisherigen Regelungen zur Lebensunterhaltssicherung auch auf Fälle anwendbar sein sollten, die unter die Familienzusammenführungsrichtlinie fielen. Die Annahme, dass nicht erst das Richtlinienumsetzungsgesetz, sondern bereits das zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Aufenthaltsgesetz als Umsetzungsakt anzusehen ist, wird durch die die formale Schranke des Art. 20 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 RL 2003/86/EG gestützt. Nach Art. 20 Abs. 1 Satz 2 RL 2003/86/EG setzen die Mitgliedstaaten die Kommission unverzüglich von einer Umsetzung (oder einer Teilum-setzung) in Kenntnis. Außerdem nehmen die Mitgliedstaaten, wenn sie gesetzliche Bestimmungen zur Transformation der Richtlinie erlassen, in diesen Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf die Richtlinie zur Familienzusammenführung Bezug. Gilt das Zitiergebot des Art. 20 Abs. 2 RL 2003/86/EG nur für den Fall, dass neue gesetzliche Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie erlassen werden (wie das Richtlinienumsetzungsgesetz), so ist die Mitteilungspflicht auch dann einschlägig, wenn der Mitgliedstaat die Auffassung vertritt, zur Umsetzung von einschränkenden Vorbehalten sei eine neue gesetzliche Regelung nicht erforderlich, da die bestehenden gesetzlichen Vorgaben den Vorbehalt ausreichend und richtlinienkonform ausfüllen würden. Die erfolgte Mitteilung an die Kommission führt als Umsetzungsakt für die Familien-zusammenführungsrichtlinie aber ausdrücklich auch schon das zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Aufenthaltsgesetz an, sodass auf die dort enthaltenen Regelungen über die Lebensunterhaltsdeckung zurückgegriffen werden muss.
Für die Annahme, dass es sich bei dem zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz um ein Transformationsgesetz handelt, spricht außerdem der Umstand, dass der Gesetzgeber unmittelbar an dem Gestaltungsprozess, der zur Richtlinie in der verabschiedeten Fassung geführt hat, beteiligt war und vielfach Beschränkungen durchgesetzt hat, um einen Konflikt mit dem bestehenden nationalen Ausländerrecht zu vermeiden.


