Gliederung

Verwaltungsvorschrift (Auszug)

Zu § 9b – Anrechnung von Aufenthaltszeiten

9b.0.1
§ 9b ist eine Spezifizierung der in § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 enthaltenen Tatbestandsvoraussetzung der notwendigen Voraufenthaltszeit von fünf Jahren mit Aufenthaltstitel. Hiermit wird Artikel 4 Absatz 2 und 3 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Nummer L 16 S. 44, so genannte Daueraufenthalt-Richtlinie) umgesetzt. § 85 ist wegen dieser Sonderregelung nicht anwendbar.

9b.0.2
Die Regelaussage wird in § 9b Satz 4 getroffen: Grundsätzlich unterbrechen Auslandsaufenthalte die Aufenthaltszeit, es sei denn, in § 9b wird etwas anderes geregelt.

9b.1.1.1
Nach § 9b Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a) wird der Auslandsaufenthalt von Ausländern, die sich im Rahmen einer vorübergehenden Entsendung aus beruflichen Gründen im Ausland aufgehalten haben, als Zeit eines Inlandsaufenthalts angerechnet (Artikel 4 Absatz 3, Unterabsatz 3 Daueraufenthalt-Richtlinie). Solche beruflich bedingten Auslandsaufenthalte führen vor allem höher qualifizierte Ausländer, wie etwa Wissenschaftler, qualifizierte Dienstleister oder Führungskräfte der Wirtschaft durch. Voraussetzung für die Anrechnung nach dieser Vorschrift ist zum einen, dass berufliche und nicht private Gründe den Hauptanlass für den Auslandsaufenthalt bildeten. Grundsätzlich darf die Dauer jedes Auslandsaufenthalts sechs Monate nicht überschreiten, es sei denn, die Ausländerbehörde hat eine verlängerte Wiedereinreisefrist nach § 51 Absatz 1 Nummer 7 bestimmt. Der Wortlaut macht deutlich, dass auch mehrmalige, die vorgegebenen Fristen nicht überschreitende Auslandsaufenthalte aus beruflichen Gründen als Zeiten eines Inlandsaufenthalts angerechnet werden können. Mit der Bezugnahme auf die Entscheidung der Ausländerbehörde nach § 51 Absatz 1 Nummer 7 wird klargestellt, dass Auslandsaufenthalte, die nach dieser Vorschrift zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führen würden, zumindest nach § 9b Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a) nicht (auch nicht bis zu sechs Monaten) anrechnungsfähig sind. § 9b Satz 1 Nummer 2 bleibt hiervon unberührt.

9b.1.1.2
§ 9b Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b) regelt die Anrechnung für Auslandsaufenthalte aufgrund nicht beruflicher Zwecke (vgl. Artikel 4 Absatz 3, Unterabsatz 1 Daueraufenthalt-Richtlinie). Jeder einzelne Auslandsaufenthalt darf nicht länger als sechs Monate dauern. Zudem darf – anders als bei Auslandsaufenthalten aus beruflichen Zwecken – die Gesamtdauer der Auslandsaufenthalte für übrige Zwecke zehn Monate nicht überschreiten.

9b.1.2.1
Durch § 9b Satz 1 Nummer 2 wird die für die Niederlassungserlaubnis geltende Regelung in § 9 Absatz 4 Nummer 1 sinngemäß auf die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG angewandt. Ehemaligen Inhabern einer Niederlassungserlaubnis, deren Aufenthaltstitel durch einen Auslandsaufenthalt erloschen ist, wird mit der Anrechnungsvorschrift der Wiedererwerb der Rechtsstellung unter erleichterten Voraussetzungen ermöglicht. Dasselbe gilt für Ausländer, die zwar keine Niederlassungserlaubnis, aber eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besaßen.

9b.1.2.2
Die Anrechnung ist nach Artikel 4 Absatz 3, Unterabsatz 2 i.V.m. Absatz 1 Daueraufenthalt- Richtlinie zulässig. Denn die Privilegierung von ehemals niedergelassenen Ausländern nach § 9 Absatz 4 stellt einen „spezifischen Grund" i. S. d. Artikels 4 Absatz 3, Unterabsatz 2 der Richtlinie dar, da sie über eine enge Beziehung zu Deutschland verfügen. Zudem werden nur Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet bis zu maximal vier Jahren angerechnet. Zugleich wird damit die zwingend ausgestaltete Vorgabe des Artikels 9 Absatz 5 Daueraufenthalt- Richtlinie umgesetzt, wonach nach einem Verlust der Rechtsstellung eines dauerhaft Aufenthaltsberechtigten, der nicht auf schuldhaftes Verhalten zurückzuführen ist, ein vereinfachtes Verfahren für die Wiedererlangung der Rechtsstellung vorzusehen ist. Die Regelung ist derart formuliert, dass Inhaber einer Niederlassungserlaubnis, die vor der Umsetzung der Richtlinie erloschen ist, mit erfasst werden, weil sie bereits nach der Regelung des bisherigen § 9 Absatz 4 Nummer 1 eine vergleichbare Vergünstigung im Hinblick auf die Niederlassungserlaubnis beanspruchen konnten.

9b.1.3
Nach § 9b Satz 1 Nummer 3 werden auch Zeiten, in denen der Ausländer freizügigkeitsberechtigt war, angerechnet. Dies ist einerseits notwendig, da Artikel 4 Absatz 1 Daueraufenthalt- Richtlinie als Anspruchsgrundlage u. a. auf den rechtmäßigen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates abstellt. Dies ist aufgrund des Zwecks der Daueraufenthalt-Richtlinie andererseits auch geboten, da diese die Rechtsstellung der Daueraufenthaltsberechtigten an die der Freizügigkeitsberechtigten angleicht. Eine Schlechterstellung der Freizügigkeitsberechtigten ist nicht beabsichtigt. Daher erfüllen nicht nur Inhaber eines Aufenthaltstitels, sondern auch Drittstaatsangehörige, die sich vor Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Nr. 42–61 GMBl 2009 Seite 951 Aufenthaltsgesetz als Freizügigkeitsberechtigte im Bundesgebiet aufgehalten haben, diese Voraussetzung.

9b.1.4
Mit § 9b Satz 1 Nummer 4 wird die Anrechnung von Studienzeiten und Zeiten der Berufsausbildung nach Artikel 4 Absatz 2, Unterabsatz 2 Daueraufenthalt-Richtlinie umgesetzt. Es wird dabei lediglich festgelegt, in welchem Umfang die Dauer des Studiums und der Berufsausbildung auf die erforderlichen Zeiten nach § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 angerechnet werden können. Nicht geregelt ist hingegen die Frage, ob Zeiten vor einem Auslandsaufenthalt, der zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis geführt hat, nach Wiedereinreise zur Berechnung der erforderlichen Zeiten angerechnet werden können. Grundsätzlich sind diese vollständig neu zu erbringen, wenn eine Aufenthaltserlaubnis einmal erloschen ist. Die einzige Regelung, die dazu führt, dass früher erbrachte Zeiten angerechnet werden, ist in Nummer 2 enthalten. § 9b Satz 1 Nummer 4 gilt auch für Zeiten, die vor dem 1. Januar 2005 liegen (z. B. Aufenthaltsbewilligung zum Zweck des Studiums nach § 28 AuslG).

9b.1.4.1
Zu Aufenthalten zum Zweck des Studiums gehören neben den Aufenthalten nach § 16 Absatz 1 sowohl Aufenthalte zum Zweck der Studienbewerbung nach § 16 Absatz 1a als auch Aufenthalte zur Suche eines angemessenen Arbeitsplatzes nach erfolgreichem Abschluss des Studiums nach § 16 Absatz 4. Auf den erfolgreichen Abschluss des Studiums kommt es dabei nicht an.

9b.2
Durch § 9b Satz 2 wird das Anrechnungsverbot des Artikels 4 Absatz 2, Unterabsatz 1 Daueraufenthalt- Richtlinie umgesetzt, wonach Diplomaten und andere Personen, die insbesondere nach den Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen (WÜK) eine besondere Rechtsstellung genießen, nicht in den Anwendungsbereich der Daueraufenthalt-Richtlinie fallen.

9b.3
Mit § 9b Satz 3 wird von der Möglichkeit nach Artikel 4 Absatz 3, Unterabsatz 2 der Richtlinie Gebrauch gemacht, Unterbrechungen aus „spezifischen Gründen" oder aufgrund „zeitlich begrenzter Ausnahmesituationen" für unschädlich für den Erwerb der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu erklären. Die spezifischen Gründe liegen bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 51 Absatz 2 bis 4 vor. Unterbrechungen des Aufenthaltes, die nach diesen Vorschriften im jeweiligen Einzelfall nicht zum Erlöschen eines Aufenthaltstitels geführt haben, aber auch nicht nach § 9b Satz 1 anrechenbar sind, unterbrechen den Zeitraum nach § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 nicht. Die davor liegenden Zeiträume eines Aufenthalts mit einem Aufenthaltstitel werden zur Anspruchsentstehung berücksichtigt. Beispielsweise führt damit eine Ausreise zur Ableistung des Pflichtwehrdienstes im Heimatstaat (§ 51 Absatz 3) nicht zu einem neuen Lauf der Frist nach § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 (vgl. Nummer 51.3).

9b.4
In § 9b Satz 4 wird in Übereinstimmung mit den zwingenden Vorgaben der Daueraufenthalt- Richtlinie klargestellt, dass in allen verbleibenden – also den nicht in den in § 9b Satz 1 bis 3 geregelten – Fällen eine Ausreise dazu führt, dass der Aufenthalt unterbrochen ist. Die Zeiten vorheriger Aufenthalte können daher nicht mehr angerechnet werden.