Beteiligung der Staatsanwaltschaft

Die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG vor Vollzug einer Abschiebung stellt eine Verfahrensregelung dar, die allein der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses dient und kein subjektives Recht des Ausländers begründet

BVerwG, U. v. 14.12.2016 - 1 C 11.15 - Rn. 24; Bestägiung von BVerwG, U. v. 05.05.1998 - 1 C 17.97 - BVerwGE 106, 351 für die Rechtslage nach § 64 Abs. 3 AuslG 1990

Die Regelung des § 64 Abs. 3 AuslG 1990 ist wortgleich in § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG übernommen worden. In § 72 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ist nur ein weiteres Beteiligungserfordernis in Fällen des Zeugenschutzes hinzugetreten, dessen Regelungszweck hier nicht zu beurteilen ist. Zudem ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zum Aufenthaltsgesetz, dass § 72 Abs. 4 AufenthG der vorausgegangenen Regelung des § 64 Abs. 3 AuslG 1990 entspricht (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 94).

Zwar hat der Bundesgerichtshof im Verfahren über die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungshaft entschieden, dass die Abschiebungshaft einen schwerwiegenden Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darstellt, weshalb er in seinen Rechten verletzt ist, wenn die Abschiebungshaft unter Verletzung der einschlägigen Rechtsvorschriften - wie hier von § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG - angeordnet wurde.

BGH, B. v. 03.02.2011 - V ZB 224/10 - NVwZ 2011, 767 Rn. 12

Zugleich hat der Bundesgerichtshof jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von 1998 zu § 64 Abs. 3 AuslG 1990 klargestellt, dass sich seine Entscheidung nur auf die Rechtmäßigkeit des Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht des Ausländers durch die vom Amtsgericht veranlasste Inhaftierung bezieht und nicht auf die Abschiebung als ausländerbehördliche Maßnahme.

Die BGH-Rechtsprechung zur Abschiebungshaft ist auf die ausländerbehördliche Abschiebung nicht zu übertragen.

BVerwG, U. v. 14.12.2016 - 1 C 11.15 - Rn. 26

"Ein maßgeblicher Unterschied zwischen diesen beiden staatlichen Zwangsmaßnahmen liegt darin, dass die Abschiebungshaft in den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz bei Freiheitsentziehungen nach Art. 104 Abs. 1 GG eingreift, der für Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) wie im Fall einer Abschiebung nicht gilt. Daher kann sich ein Betroffener gegen Maßnahmen, die - wie die Abschiebung - keine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darstellen, nur wenden, wenn sie objektiv rechtswidrig sind und ihn in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ergibt sich danach aus dem einfachen Recht - hier: § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG a.F. -, dass eine bestimmte verfahrensrechtliche Anforderung ausschließlich dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt ist, ist ein dieses verletzendes Handeln der Verwaltung zwar objektiv rechtswidrig. Gleichwohl fehlt es aber an der Verletzung eines subjektiven, dem Einzelnen zustehenden Rechts im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der den Verwaltungsgerichten die Aufhebung eines nur objektiv rechtswidrigen Verwaltungsaktes verwehrt und insoweit in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auch die allgemeine Handlungsfreiheit begrenzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. November 2005 - 1 B 58.05 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 14 Rn. 4). Dies gilt auch dann, wenn die Rechtmäßigkeit der Maßnahme inzident in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu prüfen ist. Denn kann der Betroffene mangels Verletzung in einem eigenen subjektiv-öffentlichen Recht nicht die Aufhebung einer objektiv rechtswidrigen Maßnahme erreichen, kann er den ihn nicht in eigenen Rechten verletzenden Mangel auch nicht in einem Folgeverfahren rügen, in dem es inzident darauf ankommt, ob die Maßnahme zu einer Verletzung in eigenen Rechten geführt hat."