I. Entstehungsgeschichte

II. Biometrische Daten, Angaben zu Alter, Identität und Staatsangehörigkeit

III. Feststellung von Alter, Identität und Staatsangehörigkeit

IV. Verwaltungsverfahren und Rechtsschutz

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I. Entstehungsgeschichte

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Die Vorschrift stimmte mit dem Gesetzentwurf vom 07.02.2003

icon Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Zuwanderungsgesetz - BT-Drucks. 15/420 v. 07.02.2003

im Wesentlichen überein.
Aufgrund des Vermittlungsverfahren (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) wurden der damalige Abs. 1 (heutige Abs. 2) um einige Angaben erweitert, Abs. 2 a (heutiger Abs. 4) eingefügt und in Abs. 3 (heutiger Abs. 5) das Wort „können“ durch „sollen“ ersetzt. Durch das Änderungsgesetz 2007 wurde durch Redaktionsversehen irrtümlich Abs. 3 Nr. 1 statt Abs. 2 Nr. 1 geändert und anstatt Abs. 5 Nr. 5 Abs. 3 Nr. 5 sowie anstatt Abs. 6 Satz 1 und 2 Abs. 4 Satz 1 und 2. Abs. 6 a wurde neu eingefügt.

icon Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union

Nachfolgend erfolgte durch das Gesetz zur Änderung des PassG zum 1. 11. 2007 die Einfügung des neuen Abs. 1, wodurch sich die Nummerierung der nachfolgenden Absätze erneut änderte.

icon Gesetz zur Änderung des Passgesetzes und weiterer Vorschriften

Zu denen damals daraus resultierenden Problemen bei Verweisen des § 95 Abs. 1 Nr. 5, 6 auf § 49, solange der Text nicht redaktionell angepasst wurde, näher bei Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Aufl., S. 479. Durch das UmsGes2011 wurde § 49 IX aufgrund des Rechtsstatus der Europäischen Union sprachlich angepasst.

II. Biometrische Daten, Angaben zu Alter, Identität und Staatsangehörigkeit

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Die Neuregelung des Abs. 1 schafft für alle Behörden, die nach dem AufenthG oder anderen Ges zur Identitätsprüfung oder zur Überprüfung der Echtheit eines biometriegestützten Reise- oder Ausweisdokumentes befugt sind, eine Rechtsgrundlage für die Prüfung auch anhand – soweit vorhanden – der auf dem Chip gespeicherten biometrischen Daten. Überprüft werden dürfen nur – soweit vorhanden – das Lichtbild, die Fingerabdrücke und die Iris. Die Daten werden in der Kontrollsituation durch Auslesen der Daten aus dem Speichermedium und durch Aufnahme entsprechender biometrischer Daten des Dokumenteninhalts gewonnen. Auf der Grundlage dieser Regelung kann die Identitätsprüfung anhand eines 1:1-Vergleichs der biometrischen Daten durchgeführt werden. Dieser Vergleich ermöglicht die Feststellung der Übereinstimmung der biometrischen Daten des Dokumenteninhalts mit den im Speichermedium des Dokumentes gespeicherten biometrischen Daten.
Die Identitätsüberprüfung anhand von biometrischen Daten muss von anderen Voraussetzungen als der weitergehenden Maßnahme der Identitätsfeststellung, der eine erkennungsdienstliche Behandlung zugrunde liegt, abhängig gemacht werden. Das Auslesen und Abgleichen von in Reise- und Ausweisdokumenten gespeicherten biometrischen Daten zum Zwecke der Identitätsüberprüfung steht gewissermaßen einem – generell – zu überprüfenden Sicherheitsmerkmal dieses Dokumentes gleich. Die biometrische Überprüfung kann daher – wie das Überprüfen aller anderen Sicherheitsmerkmale des Dokumentes, die ein Reise- und Ausweisdokument bietet – nicht vom Vorliegen der restriktiven Voraussetzungen zur Durchführung identitätsfeststellender Maßnahmen abhängig sein, sondern muss bereits dann statthaft sein, wenn eine Verpflichtung zur Vorlage des Dokumentes nach dem AufenthG oder nach anderen Gesetzen (insbesondere den Polizeigesetze der Länder) besteht (Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des PassG (BT-Drucks. 16/4138 v. 29. 1. 2007).

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Die Verpflichtung zu den Angaben nach Abs. 2 Satz 1 besteht nur gegenüber den mit der Durchführung des Ausländerrechts betrauten Behörden innerhalb deren Zuständigkeiten nach § 71: Auslandsvertretung, Ausländerbehörde, Grenzbehörde, Länderpolizeien (vgl. Rn. 4 zu § 48). Verstöße sind nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 strafbewehrt. Die Vorschrift unterscheidet an mehreren Stellen deutlich zwischen Alter, Identität und Staatsangehörigkeit. Zum Zwecke der Identifizierung sind – außer Alter und Staatsangehörigkeit sowie unstreitig Name, Vorname, ggf. Geburtsname, Geburtsdatum und Geburtsort – in Orientierung an § 4 PassG auch anzugeben: Doktorgrad, Geschlecht, Familienstand, Geburtsort, Wohnort sowie erforderlichenfalls die Größe und die Farbe der Augen. Für Asylbewerber bestehen weitergehende Mitwirkungspflichten nach § 15 AsylVfG. Verstöße seitens der Asylbewerber gegen die Mitwirkungspflichten sind nicht strafbar oder ordnungswidrig, können aber erheblich für den Ausgang des Verfahrens sein (vgl. § 30 Abs. 3 Nr. 2, 5 AsylVfG).

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Die Pflicht zur Abgabe von Erklärungen zur Beschaffung von Heimreisedokumenten nach Abs. 2 besteht nicht nur gegenüber der Auslandsvertretung des von dem Ausländer angegebenen Heimatstaats. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Ausländers, weil der angegebene Staat die Staatsangehörigkeit nicht anerkennt, so kann bei jedem Staat die Ausstellung von Reisepapieren versucht werden, der ernsthaft als Heimatstaat in Betracht kommt. Maßgeblich sind in erster Linie die Angaben des Ausländers selbst. Die fehlende Bereitschaft eines Ausländers, der bestehenden Ausreisepflicht freiwillig nachzukommen und diese durch Abgabe einer entsprechenden "Freiwilligkeitserklärung" gegenüber der Auslandsvertretung ihres Heimatstaates zu dokumentieren, begründet keine Unzumutbarkeit im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG. Dem steht die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zur mangelnden Strafbarkeit der Weigerung, eine "Freiwilligkeitserklärung" abzugeben nicht entgegen (§ 48 Rn. 8f; § 95 Rn. 27; OLG Nürnberg, U. v. 16.01.2007 — 2 St OLG Ss 242/06 – juris Rn. 39 ff. zur Unzumutbarkeit; vgl. aber auch OLG Celle, U. v. 14.02.2007 – 21 Ss 84/06 – InfAuslR 2007, 255, wonach bereits der objektive Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG den Verstoß gegen § 49 Abs. 2 2. HS AufenthG nicht erfasst; so auch Hailbronner, a.a.O., A 1 § 95 Rn. 54). Denn die deutsche Rechtsordnung nimmt es hin, wenn sich ein Ausländer - wie die Kläger - zur Abgabe einer "Freiwilligkeitserklärung" gegenüber einer ausländischen Stelle außerstande sieht. Die Abgabe kann weder rechtlich erzwungen noch gegen den Willen des Ausländers durchgesetzt werden; an die verweigerte Abgabe können deshalb auch keine strafrechtlichen Sanktionen geknüpft werden.

III. Feststellung von Alter, Identität und Staatsangehörigkeit

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Zweifel über Person, Alter oder Staatsangehörigkeit bestehen, wenn diese nicht eindeutig bekannt sind (ähnlich § 6 Abs. 3 Satz 2 PassG; für Asylbewerber gelten §§ 16, 18 Abs. 5 AsylVfG als spezielle Vorschriften). Zu den für Einreisegestattung, Titelerteilung, Verteilung nach § 15 a oder Duldungserteilung (Abs. 3 Nr. 1) oder andere Durchführungsmaßnahmen benötigten Personalien gehören insbesondere die von Abs. 2 erfassten Daten. Vor Erlass einer Verteilungsentscheidung nach § 15 a Abs. 1 AufenthG ist die Einholung eines medizinischen Altersgutachtens in der Regel nicht erforderlich, wenn eine fachkundige behördliche Alterseinschätzung ergibt, dass der Ausländer entgegen eigenen Angaben das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat (OVG BB, B. v. 13.07.2009 – OVG 3 S 24.09 –, Rn. 7, juris). A.A. OLG München, B. v. 25.05.2011 – 12 UF 951/11 –, Winkelmann, MNet zur Amtsermittlungspflicht in Kindschaftssachen nach § 151 Abs. 1 Nr. 5 FamFG mit Kommentar von Heinhold.

icon OLG München – 12 UF 951/11 – B. v. 25.05.2011

Ein besonderes Maß brauchen die Zweifel nicht zu erreichen. Es müssen aber Unsicherheiten bestehen. Routinemäßige Untersuchungen prophylaktischer Art sind unzulässig, wenn sie allgemein ohne einen Verdacht gegen die Richtigkeit der mündlichen Angaben des Ausländers und der Eintragungen in dessen Passpapieren angeordnet werden. Im Einzelfall kann Misstrauen angebracht sein, bei entsprechenden praktischen Erfahrungen und Erkenntnissen auch gegenüber Angehöriger bestimmter Staaten oder Volksgruppen (vgl. Abs. 5 Nr. 5 und 6), nicht jedoch gegenüber allen Ausländern unterschiedslos und ohne Ansehen ihrer Herkunft.

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Bei Asylbewerber sind ED-Maßnahmen auch ohne Zweifel an Staatsangehörigkeit, Alter oder Identität zwingend vorgeschrieben (vgl. § 16 AsylVfG). Zu den Maßnahmen zur Feststellung und Sicherung der Identität können insb. gehören: Prüfung der mitgeführten Dokumente, Durchsuchung des Ausländers und seiner Sachen, eingehende Befragung des Ausländers, Befragung von Dritten, Anfragen bei Behörden, Vorführung bei einer Vertretung des (vermuteten) Herkunftsstaates und Aufforderung entsprechenden Urkunden beizubringen (vgl. auch Westphal/Stoppa, a.a.O., S. 486).

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Während ED-Maßnahmen nach Abs. 3 und 4 zwingend vorgeschrieben, aber bei Abs. 3 an (begründete) Zweifel im Einzelfall gebunden sind, sind in Abs. 5 die Anlässe angeführt, die im Regelfall Feststellungs- und Sicherungsmaßnahmen rechtfertigen; sie sind nur dann zu unterlassen, wenn atypische Verhältnisse solche Maßnahmen als entbehrlich erscheinen lassen (anders noch § 41 Abs. 3 AuslG: Ermessen). Damit setzt Abs. 5 anders als Abs. 3 keine Identitätszweifel im Einzelfall voraus. Vor allem aber geht es nicht um die Feststellung oder Sicherung von Lebensalter und Staatsangehörigkeit, sondern nur um die Identität. In beiden Fallgruppen sind Maßnahmen betroffen, die den Aufenthalt entweder verhindern oder beenden oder legalisieren. Ein öffentliches Interesse an der Feststellung und Sicherung der Identität besteht in allen Fallkonstellationen, es ist allerdings unterschiedlich gelagert. Bei der Erlaubnis von Einreise und Aufenthalt (auch Beantragung eines nationalen Visums; Abs. 5 Nr. 5) ist die Kenntnis der genauen Identität für den zukünftigen Aufenthalt in Deutschland wichtig. Dagegen begründen den Aufenthalt verhindernde oder beendende Maßnahmen deshalb ein entsprechendes öffentliches Interesse, weil entweder die Überstellung an einen anderen Staat sonst nicht erfolgen kann oder damit bei einer Wiedereinreise die Identität ohne größeren Zeit- und Kostenaufwand geprüft und ermittelt werden kann. Wenn für die Fallkonstellationen des Abs. 5 keine Identitätszweifel verlangt sind, dann beruht dies nach alledem auf der Überzeugung des Gesetzgebers, dass die Identität in diesen Fällen generell für künftige Gelegenheiten festgestellt und festgehalten werden soll (vgl. dazu auch die nicht auf Zweifelsfälle abstellende Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 15/420 S. 89). Um unzulässige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht zu verhindern, muss unter diesen Umständen jeweils sorgfältig die Frage einer atypischen Konstellation geprüft werden. Nach Abs. 6 a sind Maßnahmen i.S.d. Abs. 5 Nr. 5 (Beantragung eines nationalen Visums) nur das Aufnehmen von Lichtbildern und das Abnehmen von Fingerabdrücken.

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Diese Notwendigkeit wird schon beim ersten ges Tatbestand deutlich. Versuchte oder vollendete Einreise mit falschen Papieren kann gewiss im Einzelfall Identifizierungsmaßnahmen rechtfertigen. Ob hierfür schon der Verdacht einer weiteren unerlaubten Einreise nach Zurückweisung oder Aufenthaltsbeendigung taugt, muss aber als zweifelhaft erscheinen, auch wenn dieser durch Tatsachen begründbar ist. Zumindest reichen als Grundlage Erfahrungen allgemeiner Art nicht aus; es müssen schon personenbezogene Verdachtsmomente vorliegen. Da ED-Maßnahmen u.a. das allgemeinen Persönlichkeitsrechts und die körperliche Unversehrtheit beeinträchtigen können, müssen strenge Anforderungen auch an die Notwendigkeit solcher Eingriffe gestellt werden. Im letzteren Fall bestehen insoweit Bedenken, als die Vorschrift dahin ausgelegt werden könnte, dass Maßnahmen anlässlich jeder Abschiebung getroffen werden dürfen.

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Noch weiter geht die Verpflichtung zu ED-Maßnahmen bei vollziehbarer Ausreisepflicht, falls eine Zurückschiebung oder Abschiebung in Betracht kommt; denn dabei braucht nicht einmal der begründete Verdacht einer unerlaubten Wiedereinreise zu bestehen. Diese Annahme kann eigentlich immer nahe liegen, es sei denn, der Ausländer weist eigene konkrete Ausreisevorbereitungen nach. Da Zurückschiebung sowie Abschiebung und Abschiebungsandrohung nach dem System der §§ 57, 58, 59 praktisch immer verfügt werden, kann der Ausländer Sicherungsmaßnahmen nur dann entgehen, wenn er Deutschland vor Ablauf der Ausreisefrist verlässt oder den festen Ausreisewillen mit dem Nachweis von Ort, Zeit und Verkehrsmittel belegt. Damit ist die Schwelle zum pauschalen Verdacht und zur Routinekontrolle erreicht, wenn nicht überschritten und der mit ED-Maßnahmen verbundene Eingriff in das Persönlichkeitsrecht kaum noch zu rechtfertigen. Deshalb sind an die Anwendung der Sollregel im Blick auf das Übermaßverbot strenge Anforderungen zu stellen. Wenn keine personenbezogenen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die gewonnenen und nach Maßgabe des § 89 aufbewahrten Daten bei einer künftigen Einreise bedeutsam sein können, ist eine ED-Maßnahme unzulässig.

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Eine Sonderstellung nimmt die Überstellung an einen sicheren Drittstaat ein. Der Anlass zum behördlichen Einschreiten ist hier tatbestandsmäßig nicht weiter begrenzt. Vor allem ist der Verdacht einer Wiedereinreise nicht vorausgesetzt. Damit ist eine weitere sehr umfassende Verpflichtung für ED-Maßnahmen geschaffen, die nur an eine den Aufenthalt verhindernde oder beendende Maßnahme anknüpft. Betroffen sind Ausländer, die keinen Asylantrag stellen (sonst gilt § 18 Abs. 5 AsylVfG) und in einen sicheren Drittstaat i.S.d. § 26 a Abs. 2 AsylVfG zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden sollen. Da ihre Rückführung in einen anderen Staat keine Schwierigkeiten aus diesem Grund erwarten lässt, werden mit ihrer ED-Behandlung ausschließlich präventive Zwecke verfolgt. Infolgedessen bedarf es auch hier der genaueren Untersuchung einer atypischen Fallkonstellation.

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Dies gilt auch in den Fällen der Schutzgewährung nach §§ 23, 24, 29 Abs. 3. Dagegen kann bei Erfüllung der Tatbestände der §§ 5 Abs. 4 und 73 Abs. 4 sowie bei einem Antrag auf ein längerfristiges Visum und belegbaren Schwierigkeiten mit der Rückführung in bestimmte Staaten ein überwiegendes öffentliches Interesse an ED-Maßnahmen auch im Einzelfall i.d.R. anerkannt werden.

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Die zulässigen Zwecke umschreibt das Gesetz zwar abschließend, aber sehr weitreichend: nach Abs. 3 Feststellung von Identität, Alter und Staatsangehörigkeit, dagegen nach Abs. 5 Feststellung und Sicherung (nur) der Identität. Zu den Anlässen zählen die Erteilung und die Verlängerung von Aufenthaltstitel oder Duldung ebenso wie die Vorbereitung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Dennoch ist mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stets danach zu fragen, ob die jeweilige Maßnahme für den jeweiligen Zweck aus dem jeweiligen Anlass erforderlich und noch angemessen ist.

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Die Art der zulässigen Maßnahmen (Rn. 4) bestimmt das Ges in Abs. 6 bis 9 genauer als noch in §§ 41, 41 a AuslG und wiederum anders als in § 16 AsylVfG. Diesem abgestuften Maßnahmenkatalog liegt zugrunde, dass auch die Auswahl und der Einsatz der Mittel zur Identifizierung dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit unterliegen. Zunächst sind diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die den Ausländer am wenigsten beeinträchtigen. Daher muss in erster Linie Aufklärung bei anderen Behörden oder auch bei Privatpersonen, Arbeitgebern oder anderen Stellen gesucht werden. Das Gesetz verlangt dies aber nur zum Zwecke der Feststellung der Identität, nicht also dann, wenn die Identität gesichert oder Alter oder Staatsangehörigkeit festgestellt werden sollen.

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Erweisen sich andere Aufklärungsversuche als erfolglos, kommen als jeweils milderes Mittel zunächst nur Fingerabdrücke und Lichtbildaufnahmen und sodann die Feststellung körperlicher Merkmale durch Messungen in Betracht. Was genau unter den weiter für zulässig erklärten „ähnlichen Maßnahmen“ zu verstehen ist, ist nicht sicher. Die in § 81 b StPO bezeichneten Maßnahmen sind z.T. mit empfindlichen und riskanten körperlichen Eingriffen verbunden und deshalb nur im äußersten Fall zugelassen. Nur wenn diese Einschränkungen strikt beachtet werden, bestehen grds. verfassungsrechtlichen Bedenken nicht.

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Sprachaufzeichnungen sind zur Feststellung des Herkunftsstaats oder der Herkunftsregion (nicht also für andere Zwecke) nach vorheriger Unterrichtung des Ausländers zugelassen, aber nicht vorgeschrieben (ebenso wie nach § 16 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG). Daher bleibt Raum für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Aufzeichnung des gesprochenen Worts ist nur zulässig, wenn die erhofften Feststellungen für die anstehende aufenthaltsrechtliche Entscheidung oder Maßnahme bedeutsam ist (nicht selbstverständlich für die Herkunftsregion), wenn andere Aufklärungsmittel versagen und wenn die Aufzeichnung und deren Auswertung wahrscheinlich Aussicht auf Erfolg hat. Dazu muss prognostiziert werden, dass die Auswertung der Aufzeichnungen mit einiger Wahrscheinlichkeit die Zuordnung zu einem Staat oder einer Region ermöglichen wird.

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Sprachaufzeichnungen haben sich in den letzten Jahren als grds geeignetes Mittel zur Klärung der Herkunft erwiesen, Rückschlüsse von der Sprache auf die Herkunft lassen sich aber nur mittels geschulten Sachverstands und ausreichender Erfahrung ziehen (dazu näher m.w.N. § 16 AsylVfG Rn. 10–20; Heinhold, InfAuslR 1998, 299; Jobs, ZAR 2001, 173). Vor allem ist ein genauer Vergleich der Eigenheiten der Sprechweise des Ausländers mit den typischen Merkmalen der in Betracht kommenden Sprachumfelder anzustellen. Dazu bedarf es vor allem bei den als schwierig geltenden Nachfolgestaaten der ehemaligen Kolonialreiche in Afrika und Asien einer genauen Kenntnis des Verhältnisses der Stammes- oder Landessprachen zu Englisch, Spanisch und Französisch.

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Bei Personen über 14 Jahren müssen nach Abs. 8 Abdrücke der zehn Finger genommen werden, wenn sie bei der unerlaubten Einreise aufgegriffen und nicht zurückgewiesen werden (können) und wenn die Identität (nicht also Alter und Staatsangehörigkeit) gesichert werden soll. Diese Maßnahme ist zwingend vorgeschrieben und nicht wie die nach Abs. 5 nur im Regelfall. Dasselbe gilt nach Abs. 9, wenn sich Ausländer über 14 Jahren ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalten und Anhaltspunkte für einen Asylantrag in einem EU-Mitgliedstaat vorliegen. Die Anhaltspunkte können aus den Angaben des Ausländers, aus bei ihm vorgefundenen Unterlagen (Passeintragungen, Fahrkarten, Einkaufsquittungen aus Nachbarländern u.a.) oder aus einer für manche Herkunftsländer typischen Reiseroute gewonnen werden. Die Identitätssicherung bei evtl. Asylbewerber dient auch der Zuständigkeitsbestimmung nach der VO/EG 343/2003.

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Die besondere Lage Minderjähriger und vor allem unbegleitet einreisender Minderjähriger ist nicht berücksichtigt (dazu umfassend Peter, ZAR 2005, 11). Infolge der bei 14 Jahren gezogenen Altersgrenze unterliegen den ED-Maßnahmen auch Minderjährige. Gem. Abs. 6 Satz 2 2. HS gehen Zweifel an der Vollendung des 14. Lebensjahres zu Lasten des Ausländers. Die Beweislast wird in nicht offensichtlichen Missbrauchsfällen auf die Minderjährigen verlagert, was zum Widerspruch mit dem rechtstaatlich gebotenen Schutz von Minderjährigen führen kann. Die Mittel zur Altersbestimmung waren ohnehin Gegenstand kontroverser politischer Vorschläge (vgl. BT-Drucks. 14/8414 S. 22). Die röntgenologische Untersuchung des Handwurzelknochens und des Kiefers war im Gesetz bis zum 27. 8. 2007 weder erwähnt noch ausgeschlossen. Die Röntgenstrahlung am Menschen ist aber nach § 25 Abs. 1 Satz 1 VO über den Schutz vor Röntgenstrahlen nicht für den Zweck der Altersbestimmung bei Ausländern vorgesehen und kann damit auch nicht als „ähnliche Maßnahme“ nach Abs. 4 Satz 1 anerkannt werden (Peter, a.a.O.). Dadurch war die Ergänzung des Gesetzgebers in Abs. 6 notwendig. Gegen die Feststellung des Alters im Rahmen der so genannten forensischen Altersdiagnostik bestehen gleichwohl rechtlichen Bedenken (s. hierzu näher: Schmehling, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 101, Heft 18 v. 30. 4. 2004 und Institut für Rechtsmedizin – Charité Universitätsmedizin Berlin; § 62 Rn. 87). Die Kombination der einzelnen medizinischen Methoden (körperliche Untersuchung, Röntgen der linken Hand, Gebissuntersuchung und ggf. Röntgen des Schlüsselbeins) sollen eine annähernd Erfolg versprechende Streubreite von +/- 1 Jahr ergeben. Nach Abs. 3 steht nur ein eingeschränktes Methodenspektrum zur Verfügung: Begutachtung mit Erfassung der Körpermaße, Reifezeichen, Entwicklungsstörungen und Erhebung des Zahnstatus und Nutzung ggf vorhandener Untersuchungsergebnisse. Die Einzelmethoden ergeben kaum eine gerichtsverwertbare Aussage, die nach § 26 FamFG (Amtsermittlungspflicht) zur Unaufklärbarkeit führen können (in dubio pro libertate), da die Aussagekraft eine Schwankungsbreite von mehreren Jahren haben dürfte. Daher wird für die Anordnung der Altersfeststellung insgesamt weiterhin als problematisch gesehen.

IV. Verwaltungsverfahren und Rechtsschutz

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Zuständig sind die in Rn. 2 bezeichneten Behörden. Damit sind auch mehrmalige ED-Maßnahmen grds. zulässig, sofern sie sich als notwendig erweisen (z.B. wegen Unvollständigkeit, Unsicherheit oder zwischenzeitlicher neuer Erkenntnisse). ED-Maßnahmen sind, ohne dass das Gesetz dies ausdrücklich erklärt, auch gegen den Willen des Ausländers zugelassen. Er hat sie nämlich zu dulden. Die Anordnung der ED-Maßnahmen erfolgt durch Verwaltungsakt. Eine zwangsweise Durchsetzung sieht die Vorschrift nicht vor. In Betracht kommen daher Zwangsgelder und unmittelbarer Zwang nach allg. Vorschriften (§§ 11, 12 (L)VwVG sowie UZwG). Zuwiderhandlung ist strafbar (§ 95 Abs. 1 Nr. 6). Zum sonstigen Verfahren und zum Datenschutz vgl. § 89. Nach § 82 Abs. 3 AufenthG soll die Behörde u.a. auf die Mitwirkungsverpflichtung des Ausländers hinsichtlich der Feststellung seiner Identität (§ 49 AufenthG) hinweisen. Dem Wortlaut ist allerdings nicht zu entnehmen, dass auch ein Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen etwaiger Verstöße gegen diese Mitwirkungsverpflichtung erforderlich ist (OLG München, B. v. 30.06.2009 – 4StR RR 007/09, 4 St RR 7/09 – Rn. 19, juris. S. § 95 Rn. 52f).

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Gegen die Anordnung von ED-Maßnahmen sind die Rechtsbehelfe des Widerspruch und der Anfechtungsklage gegeben (§§ 42 Abs. 1, 68 VwGO), die aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 1 VwGO; vgl. § 84 Abs. 1). Gegen den behördlich angeordneten Sofortvollzug ist der Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld sowie unmittelbarer Zwang zur Durchsetzung der Duldungspflicht (§§ 11, 12 (L)VwVG sowie UZwG) stellen Vollstreckungsakte dar; die Suspensivwirkung der gegen sie gerichteten Rechtsmittel ist z.T. durch Landesrecht ausgeschlossen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Der Anspruch auf Vernichtung und Löschung kann mit der allg. Leistungsklage durchgesetzt werden; Vernichtung und Löschung sind Realakte. Gegenüber einer unberechtigten Weitergabe von Daten ist die allg. Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) zulässig.

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