Gesetz:
Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG)
Paragraph:
§ 6 Visum
Autor:
Holger Winkelmann
Stand:
Winkelmann in: OK-MNet-AufenthG (04.04.2013)

I. Entstehungsgeschichte

II. Allgemeines

1. Einfluss des Visakodex auf den Begriff des Visums
2. Flughafentransitvisum
3. Einreiserechte und Aufenthaltsfragen

> End


I. Entstehungsgeschichte

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Die bisherige Vorschrift (ZuwG2004; Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004, BGBl. 2004 I Nr. 41 v. 05.08.2004) entsprach im Wesentlichen dem damaligen GesEntw2003 (BT-Drs 15/420 S. 8).

icon Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Zuwanderungsgesetz – BT-Drucks. 15/420 – v. 07.02.2003

Im Vermittlungsverfahren wurden in Abs. 2 und 3 S. 1 die Wörter „pro Halbjahr“ durch die Passage „innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Tag der ersten Einreise an“ ersetzt und auch Abs. 1 S. 3 entsprechend geändert. Mit dem AuslRÄndG2007 wurde der Wortlaut nur an den neuen Aufenthaltstitel in § 9a angepasst. Die heutige Fassung entsprach dem UmsGes2011 (BT-Drs. 17/5470 S. 5; BR-Drs. 210/11 v. 15.04.2011),

icon Entwurf des 2. Richtlinienumsetzungsgesetzes von April 2011

der in Bezug auf § 6 zur Anpassung des innerstaatlichen Rechts an die Verordnung (EG) Nr. 810/2009 (ABl. EG EU L 243/1 v. 15. 9. 2009; anwendbar seit 5. 4. 2010) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft – so genannter Visakodex (VK), diente. Die AVwV-AufenthG (s.o.) sind insoweit in weiten Teilen überholt und bedürfen der Anpassung.

icon Visakodex

icon VO (EU) Nr. 977/2011 v. 03.10.2011 zur Änderung des VK durch das VIS

Das UmsGes 2013 (Gesetzentwurf der BuReg, BR-Drs. 97/13 v. 08.02.2013) führt zur sprachlichen Anpassung "Daueraufenthalt-EU" und zur Ergänzung des Abs. 4.

II. Allgemeines

1. Einfluss des Visakodex auf den Begriff des Visums

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In § 6 AufenthG2005 umschrieb die Vorschrift erstmals das Visum (ausführlich bei Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Aufl., S. 157 ff.) als eigenständigen Aufenthaltstitel i.S.d. damaligen §§ 2 Abs. 5, 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 AufenthG (vgl. § 4; nicht anwendbar auf Unionsbürger: § 11 Abs. 1 FreizügG/EU). Aufenthaltserlaubnis und Visum sind nach der Konzeption des AufenthG jeweils eigenständige Aufenthaltstitel. Nach § 4 Abs. 1 S. 2 AufenthG werden die Aufenthaltstitel als Visum (§ 6), Aufenthaltserlaubnis (§ 7), Niederlassungserlaubnis (§ 9), Blaue Karte EU (§ 19a) oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU (§ 9a) erteilt (OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 24.11.2011 – OVG 2 B 21.10 –, juris;

„Nicht zu überzeugen vermag die in Teilen der Literatur vertretene Auffassung, dass mit dem Visum im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG, das einen eigenständigen Aufenthaltstitel darstelle, lediglich das kurzfristige Schengen-Visum gemeint sei, nicht aber das nationale Visum nach § 6 Abs. 4 AufenthG, bei dem es sich um einen Unterfall des jeweiligen, später im Inland zu erteilenden Aufenthaltstitels handele (vgl. Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, 5. Aufl. 2010, § 4 Rn. 50; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: September 2011, § 4 Rn. 8). Denn weder dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG noch den Gesetzesmaterialen lässt sich etwas dafür entnehmen, dass mit dem dort unter Bezugnahme auf „§ 6“ genannten Visum nur das Schengen-Visum (§ 6 Abs. 1 bis 3 AufenthG) und nicht auch das nationale Visum (§ 6 Abs. 4 AufenthG) gemeint sein sollte“.

Das Visum (Mehrzahl Visa, Visen) ist dem Grunde nach eine Einreiseerlaubnis, die allerdings nicht den Anspruch auf Einreise in sich birgt (s. § 15; Art 30 VK). Nach den Bestimmungen des europäischen Reiserechts (SDÜ, SGK, VK) sowie dem deutschen Recht vermittelt das Visum (i.S.e. Aufenthaltstitels) i.R.d. jeweiligen Berechtigungsinhalts auch ein Aufenthaltsrecht für einen Kurzaufenthalt (nach dem SDÜ, SGK) sowie für einen längerfristigen Aufenthalt nach nationalem Recht (hierzu ausführlich Winkelmann, ZAR 2010, 213, 270).

icon 25 Jahre Schengen - Winkelmann, ZAR 7/8 2010

Das Visum wird auch als Sichtvermerk bezeichnet und konnte bislang als so genanntes Schengen-Visum i.S.v. Art. 10 f. SDÜ (Typ A, B oder C) oder als nationales Visum (Typ D, s. u. IV) erteilt werden. Eine besondere Form war das Visum Typ D+C (so genanntes "Hybrid-Visum") auf der Basis des Art. 18 Abs. 2 SDÜ, das vor dem längerfristigen Aufenthalt (Berechtigungsinhalt Typ D, s. u. IV.) einen vorangeschalteten Kurzaufenthalt (Typ C) ermöglichte (seit 5. 4. 2010 nicht mehr vorgesehen. Der VK löste ab diesem Datum die Gemeinsame Konsularische Instruktion (GKI) ab und ersetzte die Art. 9–17 SDÜ. Nach Art. 56 Abs. 3 SGK gelten Bezugnahmen auf die gestrichenen Artikel und die aufgehobenen Rechtsakte als Bezugnahmen auf den VK und sind nach der Entsprechungstabelle in Anhang 13 zum VK zu lesen; Winkelmann, Kommentierung zum Visakodex, MNet. Die GKI war nicht mehr als eine innerdienstliche Vorschrift, Huber, AufenthG, § 6 Rn. 2.

icon Kommentierung zum Visakodex (VO (EG) Nr. 810/2009

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Nach Art. 2 EUVisumVO (s. näher unter Rn. 6) gilt als Visum eine von einem Mitgliedstaat ausgestellte Genehmigung oder eine getroffene Entscheidung, die für die Einreise zum Zwecke eines Kurzaufenthalts oder zur Durchreise (ohne Flughafentransit) erforderlich ist. I.S.d. Sprachgebrauchs des VK wurde der Begriff präzisiert und an den schengenrechtlichen Bedeutungsgehalt angepasst sowie um den Anwendungsbereich der Durchreise durch die internationale Transitzonen der Flughäfen von Mitgliedstaaten erweitert (vgl. nunmehr auch in § 6 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Dies bedeutet aber lediglich, dass bei Erteilung eines Visums im vorgenannten Sinne neben dem Aufenthalt zugleich eine Durchreise durch den Transitbereich möglich ist. Von einem einheitlichen Visum wird gesprochen, wenn es sich um ein für das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gültiges Visum handelt. In Abgrenzung dazu ist der Begriff „Visum für einen Flughafentransit“ in Art. 2 Nr. 5 VK eigenständig definiert und berechtigt nur zur Durchreise durch die internationalen Transitzonen eines oder mehrerer Flughäfen der Mitgliedstaaten und nicht zur Einreise (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 3 AufenthV). Der VK erstreckt sich auf die Erteilung von Schengen-Visa für den kurzfristigen Aufenthalt, Durchreisevisa und Visa für den Flughafentransit; daher wurden alle Verweise auf nationale Visa (Visa der Kategorie D) gestrichen. Ausnahmen, Verlängerungen und Voraussetzungen eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt ergeben sich nicht aus EU-Recht, sondern aus dem innerstaatlichen Recht. § 6 verdeutlicht diese Rechtslage und nutzt den Spielraum des deutschen Gesetzgebers zu eigenständigen Regelungen über das nationale Visum in Abs. 3. Mit Einführung des VK wurden die Kategorien der Schengenvisa geändert. Geblieben ist das Visum Typ C für den kurzfristigen Aufenthalt in der bisherigen Bedeutung. Entfallen ist hingegen das Visum Typ B für Transitzwecke, das nunmehr als Kategorie C-Visum mit dem Vermerk „Transit“ in der Bemerkungszeile ausgestellt wird. Ebenso wurde das Visum vom Typ D+C abgeschafft sowie die Möglichkeit der Erteilung von Sammelvisa (entgegen der deutschen Auffassung). Insoweit bedurfte es einer Änderung des § 6 AufenthG2005. An der Grenze können die Grenzbehörde Ausnahmevisa (AV) ausstellen, die als Aufenthaltstitel gelten (§§ 71 Abs. 3 Satz 2, 14 Abs. 2, 6 Abs. 4 AufenthG); s. u. III Nr. 6. Der Sichtvermerk war früher eine besondere Form der Aufenthaltsgenehmigung (Aufenthaltsbewilligung; § 5 AuslG2002), ausgestellt vor der Einreise durch die Auslandsvertretung. Seine Bedeutung hatte aber im Zuge der Schaffung eines EU-weiten Visumregimes einen Wandel (s. o.) erfahren. Es steht selbständig neben anderen Titeln, konzentriert sich aber nach europäischem Verständnis auf das Überschreiten der (Außen-)Grenzen für einen kurzfristigen Aufenthalt (§ 4 ; § 5 AufenthG). Das Ineinandergreifen des europäischen Visumrechts, das sich vom Vertragsrecht des SDÜ über das Gemeinschaftsrecht („Schengener Besitzstand“) zum Unionsrecht entwickelt hatte und nunmehr zusammen mit der EUVisumVO, dem SGK sowie dem VK die Einreisen in die daran teilnehmenden Staaten vollständig regelt, kommt darin zum Ausdruck, dass § 6 überwiegend nur auf das vorrangige EU-Recht verweist (statische Verweisung), ohne dessen Inhalt im Einzelnen wiederzugeben (allgemein dazu Maor, ZAR 2005, 185). Die Regelungen im bisherigen Abs. 1 Satz 2 und 3 konnten daher entfallen, da die dort genannten Erteilungsvoraussetzungen für räumlich beschränkte Schengen-Visa nunmehr im VK normiert sind. Die Erteilung von Schengen-Visa für die mehrfache Einreise mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu fünf Jahren ist in den einschlägigen Vorschriften des VK abschließend geregelt (vgl. Art. 24 Abs. 2 VK), so dass es im AufenthG keiner eigenen Regelung mehr bedurfte und der Abs. 2 in seiner bisherigen Fassung entbehrlich machte (vgl. Begründung in BT-Drs. 17/5470 S. 38.).

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Im Jahre 2010 (Statistik der EU-Kommission: http://ec.europa.eu/home-affairs/policies/borders/docs/Totals%202010.xls.)wurden von Deutschland (fette Zahlen. Zahl in Klammern = Gesamtzahl aller Schengen-Staaten) insgesamt rd 1,8(13,4) Mio. Visa ausgestellt. Von deutschen Behörden im Inland wurden davon 7.526 Visa ausgestellt. Die Ablehnungsrate lag bei 7,43(5,53)%. Dabei entfielen auf das Visum Typ A 6.141(14.591), Typ B (bis 04.04.2010): 2.455(58.178), Typ C 1.602.513(11.842.761), räumliche beschränkte Visa 117.745(448.949), nationale Visa Typ D 142.684(1.034.070). Auf das abgeschaffte Hybrid-Visum „D+C“ entfielen: 0(38.271). Die deutschen Auslandsvertretungen erteilten im Jahr 2012 insgesamt 326 069 Visa mit ein- bzw. mehrjähriger Gültigkeitsdauer (2011: 237 953; Steigerungsrate: + 37 Prozent). Darunter fielen 210 599 Jahresvisa (154 000; + 37 Prozent), 56 808 Zweijahresvisa (41 205; + 38 Prozent), 51 806 Dreijahresvisa (38 694; + 34 Prozent) sowie 6 856 Fünfjahresvisa (4 054; + 69 Prozent). Der Anteil der Visa mit einer Gültigkeitsdauer zwischen einem und fünf Jahren am Gesamtvisaaufkommen betrug 18,36 Prozent. In 2012 betrug die Zahl der Remonstrationen 28 526. In 1.856 Fällen wurden gegen ablehnende Visumbescheide Klage erhoben. Die Zahl der auf Kurzaufenthalte (Schengenvisa) entfallenden Klagen belief sich dabei auf 576.
Weltweit wurden 2012 knapp 2 Mio Visa von 2,1 Mio beantragten erteilt (bei rd 138.000 Ablehnungen entsprach das einer Quote von rd 7 Prozent). Auf Schengenvisa entfielen 1,8 Mio Erteilungen bei einer Ablehnungsquote von rd 23 Prozent. Die Beantragungsrate von Schengenvisa stieg im Vergleich zu 2011 um rd 10 Prozent. Die Gesamteinnahmen für erteilte Visa belief sich auf rd 93 Mio €.
(Antw. der BuReg, Drs. 17/12755 v. 14.03.2013).

2. Flughafentransitvisum

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Das Visum Typ A (Flughafentransitvisum) war schon im AufenthG2005 kein Aufenthaltstitel, da es folgerichtig nicht zur Einreise berechtigte (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1, 2 AufenthG2005 und § 26 AufenthV2005). Das Unionsrecht unterscheidet nun nicht mehr zwischen Visa zur Durchreise und zum Aufenthalt als eigene Visakategorien (Art. 2 Nr. 2a VK). Zudem wird verdeutlicht, dass Flughafentransitvisa eine eigene Visakategorie darstellen (Art. 2 Nr. 2b VK). Daher war Abs. 1 entsprechend zu ändern. Damit verweist Abs. 1 lediglich auf die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen des VK. Mit Abs. 1 Nr. 2 erhält das Flughafentransitvisum erstmals eine gesetzliche Legitimation im AufenthG. Bislang war dieses Visum lediglich in § 26 AufenthV genannt allerdings ohne Verordnungsermächtigung in § 99 AufenthG. § 99 Abs. 3a wurde mit dem AufenthG2011 neu eingeführt und § 26 AufenthV angepasst:

(3a) Das Bundesministerium des Innern wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt ohne Zustimmung des Bundesrates nach Maßgabe von Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 die Staaten festzulegen, deren Staatsangehörige zur Durchreise durch die internationalen Transitzonen deutscher Flughäfen im Besitz eines Visums für den Flughafentransit sein müssen.

Anhang IV zum VK enthält eine Liste von derzeit 12 Drittländern

  • Afghanistan,

  • Bangladesch,

  • Demokratische Republik Kongo,

  • Eritrea,

  • Äthiopien,

  • Ghana,

  • Iran,

  • Irak,

  • Nigeria,

  • Pakistan,

  • Somalia und

  • Sri Lanka.

Um das allgemeine Ziel der Harmonisierung aller Aspekte der Visumpolitik erreichen zu können, wurde unterbunden, dass einzelne Mitgliedstaaten für Personen mit bestimmten Staatsangehörigkeiten ein Flughafentransitvisum vorschreiben können (vgl. Begründung in KOM(2006) 403 endg v. 19.07.2006), deren Staatsangehörige zur Durchreise durch die Transitzone der Flughäfen aller Schengen-Staaten ein Visum für den Flughafentransit benötigen.
Von der Flughafentransitpflicht sind nach Art 3 V VK generell befreit:

  • Inhaber einheitlicher Visa, nationaler Visa oder Aufenthaltstitel der Mitgliedstaaten;

  • Visuminhaber von Staaten des EWR oder von Japan, Kanada sowie den USA; das gilt auch bei Rückreise aus diesen Ausstellerstaaten nach Aufenthalt

  • Drittstaatsangehörige die über einen von Andorra, Kanada, Japan, Monaco, San Marino oder den Vereinigten Staaten von Amerika ausgestellten, in Anhang V zum VK aufgelisteten gültigen Aufenthaltstitel verfügen, welcher die vorbehaltlose Rückübernahme des Inhabers garantiert;

  • Freizügigkeitsberechtigte;

  • Diplomatenpassinhaber und

  • Flugbesatzungsmitglieder nach ICAO-Abkommen.

Bei der Erstellung des VK sind im Gesetzgebungsverfahren während der gleichzeitigen Änderung der GKI (s. Rn. 10) handwerkliche Fehler unterlaufen, die nun durch eine Änderung des VK behoben werden sollen (COM(2011) 516 final v. 30.08.2011. S. dazu auch geplante Änderung der EUVisumVO: COM(2011) 290 final v. 24.05.2011). Dies ist auch nur über den VK aus Verordnungstext möglich, da das Handbuch zum VK keine Bindungswirkung in gesetzlicher Hinsicht entfaltet. So müssen Art. 3 Abs. 5 b und c VK dahingehend geändert bzw. präzisiert werden, dass

  • sich die Ausnahme vom Visumerfordernis ebenfalls auf Staaten bezieht, die die Schengen-Regularien nicht oder noch nicht voll anwenden (derzeit Irland und Großbritannien, Bulgarien, Rumänien sowie Zypern (zukünftig (geplant ab 1. Juli 2013) auch Kroatien gem. Beitrittsvertrag vom 9. Dezember 2011));

  • die Rückreise in Bezug auf Art. 3 Abs. 5 c VK von Drittstaaten über Mitgliedstaaten nur visafrei ist, wenn diese aus den Ausstellerstaaten (hier: Japan, Kanada und USA) erfolgt;

  • die Erwähnung des EWR sodann überflüssig wird.

Die Verordnung eröffnet darüber hinaus die Möglichkeit, dass die einzelnen Schengen-Staaten für Staatsangehörige weiterer Staaten die Flughafentransitvisumpflicht vorsehen können. Nach Art. 3 Abs. 2 - 4 VK können einzelne Mitgliedstaaten im dringlichen Fall eines Massenzustroms rechtswidriger Einwanderer verlangen, dass Staatsangehörige anderer als der in Art. 3 Abs. 1 VK genannten Drittstaaten zur Durchreise durch die internationalen Transitzonen der in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen Flughäfen im Besitz eines Visums für den Flughafentransit sein müssen. Diese Staaten werden durch das Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt durch Verordnung ohne Zustimmung des Bundesrates festgelegt (vgl. § 26 AufenthV sowie Anlage C AufenthV; s. Art. 3 Abs. 2, 4 VK).
Die Festlegung der Staaten sowie die Aufhebung der Pflicht zur Einholung eines Flughafentransitvisums wird gemäß Art. 53 Abs. 1 b VK der Kommission (vor Wirksamwerden) mitgeteilt (vgl. Begründung in BT-Drs. 17/5470, S. 54). Die Mitteilungen werden jährlich zum Zwecke der Aufnahme des betreffenden Drittstaats in die Liste in Anhang IV i.R.d. in Art. 52 Abs. 1 VK genannten Ausschusses überprüft. Wird der Drittstaat nicht in die Liste in Anhang IV aufgenommen, kann der betreffende Mitgliedstaat die Visumpflicht für den Flughafentransit aufheben oder beibehalten, sofern die in Art. 3 Abs. 2 VK festgelegten Bedingungen erfüllt sind. Die Liste der Drittstaatsangehörigen, die nur in einigen Schengenstaaten visumpflichtig für den Flughafentransit sind, ist in Anlage 7b

  • Indien,

  • Jordanien (mit Einschränkungen),

  • Libanon,

  • Myanmar,

  • Süd Sudan,

  • Syrien und

  • Türkei (mit Einschränkungen)

enthalten (abgedruckt u.a. in den Visavorschriften der Schweiz unter:

http://www.bfm.admin.ch.)

zum Visa-Handbuch abgedruckt. Danach sind in Bezug auf Deutschland weitere 8 Staaten aufgeführt (insoweit ist die Änderung gem. Anlage C zu § 26 AufenthV durch ÄndGes2011 nicht aktuell, da zwischenzeitlich Süd Sudan der Kommission gemeldet wurde, Winkelmann, Kommentierung zum Visakodex, a.a.O.). Unabhängig davon, dass das Vorliegen der Voraussetzungen („dringende Fälle von Massenzustrom“) weiterhin fraglich scheint, hatte Deutschland bis zum Inkrafttreten des AufenthG2011 die Anforderungen für die Einführung einer Transitvisumpflicht nicht erfüllt. Zwar hatte Deutschland der Kommission die Entscheidung der Einführung der Transitvisumpflicht für die Türkei mitgeteilt, aber erst jetzt die Rechtsgrundlagen (s.o.) für die Visumpflicht im nationalen Recht geschaffen. Das Fehlen der Rechtsgrundlage für die Transitvisumpflicht führte auch dazu, dass die nach § 46 Nr. 1a AufenthV erhobene Gebühr von 60 € bislang rechtsgrundlos erhoben wurde

Nachricht in MNet vom 29.01.2011.

3. Einreiserechte und Aufenthaltsfragen

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Die EUVisumVO trat am 10.04.2001 in Kraft. Die Verordnung stellt eine Weiterentwicklung des Schengener Besitzstandes dar und basiert auf Art. 62 Nr. 2 b i) EG-Vertrag. Die Verordnung wurde zuletzt durch VO (EG) Nr. 1244/2009 des Rates vom 30. November 2009 geändert (ABl.EU L 336 vom 18.12.2009, S. 1–3. S. geplante Änderung der EUVisumVO: COM(2011) 290 final v. 24.05.2011). Die Bedeutung der EUVisumVO mit den Anhängen I und II (s.o. Rn. 3) liegt insbesondere in der Bestimmung der beiden Staatengruppen, deren Staatsangehörige eines Visums bedürfen oder von der Visumpflicht befreit sind. Visum und Visumbefreiung betreffen nicht einen bestimmten Aufenthalt in dem Hoheitsgebiet, sondern nur das Überschreiten der Außengrenzen „für“ einen kürzeren Aufenthalt bzw. „zum Zwecke“ eines solchen Aufenthalts (Art. 1 Abs. 2, Art. 2 EUVisumVO). Nur der Grenzübertritt ist also in dieser EU-VO geregelt. Die Berechtigung zum anschließenden Aufenthalt in dem Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten ergibt sich aus Art. 19 und 20 SDÜ (ausführlich zur EUVisumVO, Winkelmann, ZAR 2010, 213, 218, a.a.O.). Visumbefreiungen ergeben sich nicht nur aus dem Anhang II der EUVisumVO, sondern aus dem Verordnungstext selbst, bzw. im Umkehrschluss dazu. Gem. Art. 1 Abs. 2, 2. Spiegelstrich sind Schüler als Anhang I – Staatsangehörige mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU unmittelbar visumbefreit. Das gleiche gilt für Flüchtlinge und Staatenlose sowie andere Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Landes besitzen, mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, die Inhaber eines von diesem Mitgliedstaat ausgestellten Reisedokuments sind gem. Art. 1 Abs. 2, 3. Spiegelstrich. Begünstigte der letztgenannten Gruppe sind derzeit Flüchtlinge mit Reiseausweis für Flüchtlinge (Rechtsstellung von 1946/1951), Staatenlose mit Reiseausweis für Staatenlose (Rechtsstellung von 1954) oder andere Personen ohne Staatsangehörigkeit (de-facto Staatenlose). §§ 18 und 22 AufenthV regeln in Ergänzung zur EUVisumVO Überhangtatbestände. Um den nationalen Besonderheiten Rechnung zu tragen, enthält Art. 4 EUVisumVO Ausnahmen von der Visumpflicht, die über Öffnungsklauseln im Verordnungstext der Regelung durch den nationalen Gesetzgeber zugänglich werden. Diese nationalen Besonderheiten werden im Amtsblatt der EU veröffentlicht (so am 20.03.2008: Mitteilung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl.EU C 74/40).

icon Mitteilung zu EU-VisumVO über Ausnahmen zur Visumpflicht - C-74/40 - v. 20.03.2008

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Die Abgrenzung gegenüber dem einheitlichen Visum ist von dessen Regelungsgehalt abhängig, der nicht nur durch die Kurzfristigkeit, sondern auch dadurch bestimmt ist, dass es über die Berechtigung zu einer Erwerbstätigkeit keine Aussage trifft (Fehrenbacher, ZAR 2002, 58). Die Zulassung zur Erwerbstätigkeit ist nicht ein-, aber auch nicht ausgeschlossen. Damit steht es den Mitgliedstaaten frei, dem Inhaber eines Schengen-Visums eine Erwerbstätigkeit zu gestatten (dazu Westphal/Stoppa, ZAR 2002, 315). Diese nationale Berechtigung folgt aber nicht aus dem Schengen-Visum (Welte, ZAR 2002, 320) und entfaltet auch keine Wirkungen über den Aufenthaltstaat hinaus. Gegenstand des Schengen-Visums sind nur die Einreise und über Art. 19 SDÜ auch der Aufenthalt in dem gesamten Hoheitsgebiet selbst (s. zuvor). Ob eine Erwerbstätigkeit zugelassen wird, obliegt allein dem Aufenthaltsstaat. Diese Entscheidung gehört nicht zum Berechtigungsinhalt des Schengen-Visums (so schon Nr. 1.3.1.2.2 AAH-SDÜ; Hailbronner, § 6 AufenthG Rn. 36; NdsOVG, B. v. 27. 2. 2002 – 11 ME 65/02 –).

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Die hierüber zwischenzeitlich aufgekommenen Unsicherheiten (dazu näher Hailbronner, § 6 AufenthG Rn. 36) beschäftigen sich mit der Frage, inwieweit die Absicht der Aufnahme der Erwerbstätigkeit (vgl. § 14 Rn. 12 , 14; vgl. auch OLG Hamm, B. v. 21.01.2010 –15 Wx 58/09, I-15 Wx 58/09 –, juris; Hofmann/Hoffmann, AuslR, 2008, § 6 Rn. 2.) oder die Absicht zur Einreise zwecks längerfristigen Aufenthalts (so nämlich VGH Bw, B. v. 14.09.2011 – 11 S 2438/11 – im Fall des Kindernachzugs,

icon VGH Baden-Württemberg – 11 S 2438/11 – B. v. 14.09.2011;

Westphal/Stoppa, a.a.O., S. 223; Renner/Dienelt, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 14 Rn. 14; HessVGH, B. v. 29.09.2003 - 12 TG 2339/03 -, juris.) bereits beim Außengrenzübertritt zum Wegfall der Visumbefreiung bei sichtvermerksbefreiten Drittausländern führt (so BT-Drs 15/420 S. 1.; vgl. zu § 14 Rn. 17, Nr. 14.1.2.1.1.7.1 AVwV-AufenthG). Für das Schengen-Visum sind die Sicherung des Lebensunterhalts und die Fähigkeit zum legalen Erwerb der notwendigen Mittel vorausgesetzt (Art. 5 Abs. 1c, Abs. 3, Art. 34 SGK). Ausweislich der Kompetenzzuweisung in Art. 62 Nr. 2 b i) EG-Vertrag regelt die Verordnung lediglich die Frage eines Visumerfordernisses für die Einreise zu einem geplanten Aufenthalt von bis zu drei Monaten (Kurzaufenthalt) und regelt nicht den anschließenden Aufenthalt. Die Visumbefreiung für so genannte Positivstaater richtet sich für die Einreise über eine EU-Außengrenze in erster Linie nach Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Anhang II EUVisumVO und für die Einreise über eine EU-Binnengrenze, mithin Schengenbinnengrenze und den anschließenden Aufenthalt im Bundesgebiet nach Art. 20 Abs. 1 SDÜ.

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Die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels wird im Grundsatz durch § 15 AufenthV (Gemeinschaftliche Regelung der Kurzaufenthalte) wiedergegeben und hat somit lediglich deklaratorische Bedeutung. Vorbehaltlich weiterer Regelungen in den §§ 16 ff. AufenthV sind diese europarechtlichen Regelungen also abschließend. Für die Einreise und den Kurzaufenthalt sind die Staatsangehörigen der in Anhang II der EUVisumVO in der jeweils geltenden Fassung genannten Staaten vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels nicht befreit, sofern sie im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausüben (§ 17 Abs. 1 AufenthV). Dass § 17 Abs. 1 AufenthV nicht von „ausüben wollen“ spricht, mit der Folge, dass der Gesetzgeber hier lediglich die tatsächliche Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unter Visumerfordernis stellen wollte, lässt die grammatische Auslegung zu (im Sinne einer Bestimmung der Erforderlichkeit eines Visums zur Einreise in die EU nur anhand objektiver Kriterien vgl. etwa HTK-AuslR, § 14 zu Abs 1 Nr. 2, 3/2009, Nr 3.1; Hailbronner, AuslR, § 14 Rn. 11 ff., 18 ff. Hofmann/Hoffmann, a.a.O., § 14 Rn. 8), muss aber nach der ratio legis verworfen werden. Denn die Öffnungsklausel des Art. 4 Abs. 3 EUVisumVO sieht vor, dass die Mitgliedstaaten für Personen, die während ihres Aufenthalts einer Erwerbstätigkeit nachgehen, Ausnahmen von der Visumbefreiung gem. Art. 1 Abs. 2 vorsehen können. Diese Befreiung bezieht sich de lege lata nur auf die Einreise. Inhalt und Reichweite des Befreiungstatbestands werden damit nicht allein durch den Wortlaut, sondern vor allem durch den Kontext der Regelung, insbesondere die der EUVisumVO zugrunde liegende Normierungskompetenz bestimmt (VGH BW, B. v. 14.09.2011 – 11 S 2438/11 –, a.a.O., Rn. 8). Den weiteren (Kurz)Aufenthalt regelt das SDÜ s.o. Im § 4 AufenthG wird daher konsequent das Erfordernis eines Aufenthaltstitels für alle (Dritt-) Ausländer festgeschrieben, die sich in der Bundesrepublik Deutschland kurzfristig oder auch längerfristig aufhalten, es sei denn, dass – insbesondere durch das Recht der Europäischen Union – Ausnahmen bestimmt werden oder worden sind.

> Nachfolgende Kommentierung

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COM(2011) 516 final v. 30.08.2011. S. dazu auch geplante Änderung der EUVisumVO: COM(2011) 290 final v. 24.05.2011