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Die Vorschrift stimmte im Wesentlichen mit dem Gesetzentwurf (BT-Drucks. 15/420 S. 32) überein. Aufgrund des Vermittlungsverfahrens (BT-Drucks. 15/3479 S. 11) wurde in Abs. 3 S. 2 die Bezugnahme auf § 48 Abs. 4 durch eine solche auf § 46 Abs. 2 ersetzt. Durch das AuslRÄndG 2007 (Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher und asylrechtlicher Richtlinien der EU v. 19. 8. 2007 (BGBl. I 1970)) wurden in § 89 Abs. 1 S. 1 nach dem Wort „erhobenen“ die Wörter „und nach § 73 übermittelten“ eingefügt.
Die durch § 86 S. 1 eingeräumte Ermächtigung der Ausländerbehörde, personenbezogene Daten im Einzelfall zu erheben, ist nicht schrankenlos. Ihre Grenze findet sie jedenfalls in § 88 Abs. 1, wonach eine Übermittlung personenbezogener Daten und sonstiger Angaben nach § 87 unterbleibt, soweit besondere gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, eine Kollision zwischen gesetzlich widerstreitenden Pflichten aus anderen bereichsspezifischen Vorschriften zu vermeiden. § 88 Abs. 1 schreibt den Vorrang gesetzlich geregelter Geheimhaltungspflichten gegenüber den Übermittlungspflichten des § 87 Abs. 1 rechtsverbindlich fest (vgl. ausf. Petri, in: GK-AufenthG, § 88 Rn. 3 f, zitiert nach VG Bremen, B. v. 15.09.2011 – 4 V 732/11 –, juris).
Nach Abs. 1 genießen besondere gesetzliche Verwendungsregelungen Vorrang (diese sprachliche Neuschöpfung erfasst insbesondere die Amts- und Berufsgeheimnisse gem. § 39 BDSG:
(1) Personenbezogene Daten, die einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen und die von der zur Verschwiegenheit verpflichteten Stelle in Ausübung ihrer Berufs- oder Amtspflicht zur Verfügung gestellt worden sind, dürfen von der verantwortlichen Stelle nur für den Zweck verarbeitet oder genutzt werden, für den sie sie erhalten hat. In die Übermittlung an eine nicht-öffentliche Stelle muss die zur Verschwiegenheit verpflichtete Stelle einwilligen.
(2) Für einen anderen Zweck dürfen die Daten nur verarbeitet oder genutzt werden, wenn die Änderung des Zwecks durch besonderes Gesetz zugelassen ist.). Hierzu zählen insbesondere § 203 StGB, § 35 SGB Abs. 1 i.V.m. §§ 68 ff SGB X, § 65 SGB VIII, § 30 AO, § 138 BauGB, § 23 Nr. 2 BVerfSchG, Art 1 § 7 Abs. 2 G 10, § 16 BStatG. Die Vorschrift des § 68 SGB X betrifft nur Standarddaten, über die die Ausländerbehörde ohnehin verfügen wird, und § 69 SGB X kommt nicht in Betracht, da sie nur Offenbarungen betrifft, die zur Erfüllung einer Aufgabe eines Sozialleistungsträgers nach dem SGB erforderlich sind (Kunkel, ZAR 1991, 71). Wegen des Vorrangs der Verwiegenheitsbestimmungen sind z.B. Gesundheitsbehörden und öffentlichen Rehabilitationseinrichtungen weitestgehend nicht übermittlungspflichtig (Weichert, a.a.O., § 88 Rn. 3).
Von einem Arzt oder einer anderen in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4–6 und Abs. 3 StGB genannten Person einer öffentlichen Stelle zugänglich gemachte personenbezogene Daten dürfen nur nach Maßgabe von Abs. 2 übermittelt werden. Die Daten müssen diesen Personen als Geheimnis in ihrer beruflichen Funktion anvertraut worden oder sonst bekannt geworden sein (näher Nr. 88.2.4.1–88.2.5 AVwV); vgl. ebenda, Rn. 7).
In § 71 Abs. 2 SGB X sind die Offenbarungsbefugnisse den ausländerrechtlichen Vorschriften über Ausweisung oder Nichtverlängerung des Aufenthaltstitels bei Sozialhilfebezug angeglichen. Der fallbezogene Katalog des § 71 Abs. 2 SGB X umfasst meist präzise Bestimmungen, z.T. aber auch wenig aussagekräftige wie „das zu erwartende soziale Verhalten“ eines Jugendlichen oder Kindes (Nr. 1 Buchst d), die für den Ausländer ein erhöhtes Risiko bei der Inanspruchnahme von KJHG-Leistungen (dazu § 55 Abs. 2 Nr. 7) bedeuten (Schriever-Steinberg, ZAR 1991, 66). Zum Verhältnis von Offenbarungsbefugnis und -pflicht einerseits und den Mitteilungspflichten nach § 87 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 andererseits und zur Einschränkung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, § 76 SGB X und – für das Jugendamt – § 65 SGB VIII (vgl. Kunkel, ZAR 1991, 71 (75 f)).
Abs. 3 enthält eine bereichsspezifische Durchbrechung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) für den Fall, dass der Ausländer gegen eine der zahlreichen genannten Rechtsvorschriften oder Verbote verstößt.
Abs. 4 enthält eine Anwendungsklausel für die mit der Ausführung des AufenthG betrauten Behörden (beachte §§ 90) und für nicht-öffentliche Stellen (beachte hier §§ 27 ff, BDSG).
Hinsichtlich unbefugt weitergegebener Daten ist ein Verwertungsverbot in Betracht zu ziehen, das aus § 78 SGB X abgeleitet werden kann (ebenda, 71 (78)). Es greift ein bei unzulässiger Offenbarung von Sozialdaten, die vollständig oder z.T. nicht verwendet werden dürfen.
Die Erhebung von Sozialdaten durch die Ausländerbehörde beim Jugendamt über die Wahrnehmung des begleiteten Umgangsrechts eines ausländische Vaters mit seinen deutsche Kindern verstößt gegen § 65 Abs. 1 SGB VIII. Der Übermittlung dieser Daten steht § 88 Abs. 1 entgegen (VG Bremen, a.a.O.). Besondere gesetzliche Verwendungsbeschränkungen sind neben den besonderen Amts- und Berufsgeheimnissen insbesondere die Vorschriften über den Schutz von Sozialdaten i.S.d. § 35 SGB Abs. 1. Nach § 35 Abs. 1 S. 1 SGB I hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis). Nach § 35 Abs. 2 SGB I dürfen Sozialdaten nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des SGB X erhoben, verarbeitet und genutzt werden. Die Vorschriften des SGB X werden durch bereichsspezifische Sondervorschriften zur Datenerhebung und –verarbeitung ergänzt (Petri, a.a.O., § 88 Rn. 13).
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