§ 71 AufenthG

Verwaltungsvorschrift (Auszug)

Auszug aus der AVwV-AufenthG zu § 71:

> End

71.1 Zuständigkeit der Ausländerbehörden

71.1.1 Sachliche Zuständigkeit

71.1.1.0 Die Ausländerbehörden sind generell zuständig für alle aufenthalts- und passrechtlichen Maßnahmen nach dem Aufenthaltsgesetz und den hierzu ergangenen Vorschriften sowie nach aus-länderrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen i. S. v. § 1 Absatz 1 und den hierzu jeweils ergangenen Vorschriften (§ 71 Absatz 1).

71.1.1.1 Zu den aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen gehören auch die Zurückschiebung, die Abschiebung einschließlich deren Vorbereitung (z. B. Beschaffung von Heimreisedokumenten, Flugtickets, Festlegung des Reiseweges), Sicherung (z. B. Festnahme des Ausländers) und Durchführung sowie das Verbot der Ausreise und die Durchsetzung der Verlassenspflicht. Die Zuständigkeit der Ausländerbehörde für diese Maßnahmen lässt die vollstreckungsrechtlichen Vorschriften der Länder unberührt (zur Kostenerhebung vgl. § 67 Absatz 3).

71.1.1.2 Für die Zurückschiebung besteht eine gleichwertige Zuständigkeit zwischen den Ausländerbehörden, den Grenzbehörden und den Polizeien der Länder (§ 71 Absatz 1, Absatz 3 Nummer 1 und Absatz 5). Die Grenzbehörden sind für die Zurückschiebung an der Grenze zuständig. Die Polizeien der Länder sind neben den Ausländerbehörden für die Zurückschiebung originär zuständig. § 71 Absatz 5 erfordert grundsätzlich keine Beteiligung oder Mitwirkung der Ausländerbehörde (siehe Nummer 71.5.6), eine Unterrichtung der Ausländerbehörde ist jedoch sinnvoll. Im Einzelfall ist die Behörde zuständig, bei deren Aufgabenerfüllung eine Zurückschiebung geboten ist.

71.1.1.3 Die Zuständigkeit für passrechtliche Maßnahmen umfasst insbesondere die Ausstellung, Verlängerung und Einziehung von deutschen Passersatzpapieren gemäß § 4 AufenthV (z. B. Reiseausweis für Ausländer, Notreiseausweis, Reiseausweis für Flüchtlinge, Reiseausweis für Staatenlose). Zu den ausweisrechtlichen Maßnahmen gehören die Ausstellung und Einziehung des Ausweisersatzes (§ 48 Absatz 2) und der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung, sofern der Asylsuchende nicht (mehr) verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 63 Absatz 3 AsylVfG).

71.1.1.4 Die Ausländerbehörden können auch für Maßnahmen und Entscheidungen nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen i. S. v. § 1 Absatz 1 zuständig sein (z. B. SDÜ, § 19 AsylVfG; zur Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vgl. § 5 Absatz 1 Satz 2 AsylVfG).

71.1.1.5 Durch Landesrecht wird bestimmt, welche Behörden Ausländerbehörden i. S. v. § 71 Absatz 1 sind.

71.1.2 Örtliche Zuständigkeit

71.1.2.1 Die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörden wird durch Landesrecht bestimmt (z. B. LVwVfG; besondere Zuständigkeitsverordnung; Regelung in den Polizeigesetzen der Länder), soweit Bundesrecht keine besonderen Regelungen enthält (z. B. § 51 Absatz 2 Satz 3). Einzelne Aufgaben können nach Landesrecht auf eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden übertragen werden (§ 71 Absatz 1 Satz 2).

71.1.2.2 Stellt das Landesrecht hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörden auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Ausländers als Tatbestandsmerkmal ab, ist für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts maßgebend, wo der Ausländer sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Auf den Willen zur ständigen Niederlassung kommt es nicht an. Im Allgemeinen hat der Ausländer dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt, wo er seine alleinige Wohnung oder Hauptwohnung im melderechtlichen Sinne hat. Der Begriff der Hauptwohnung im melderechtlichen Sinne ist jedoch nicht mit dem Begriff des Mittelpunkts der Lebensbeziehungen deckungsgleich.

71.1.2.3 Nimmt ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt erlaubt im Bezirk einer anderen Ausländerbehörde und geht dadurch die Zuständigkeit auf die andere Ausländerbehörde über, erstreckt sich der Zuständigkeitswechsel auch auf bereits anhängige Verwaltungsverfahren, es sei denn, die Entscheidung der zuerst zuständigen Ausländerbehörde ist bereits ergangen (siehe Nummer 71.1.3).

71.1.2.4 In Fällen, in denen der Ausländer (z. B. Grenzarbeitnehmer) keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet mehr besitzt, sich aber weiterhin in dem Land seines früheren gewöhnlichen Aufenthalts aufhält, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach den Vorschriften dieses Landes.

71.1.2.5 Wird ein Aufenthalt entgegen einer räumlichen Beschränkung oder einer Wohnsitzauflage begründet, beschränkt sich die Zuständigkeit der für den Ort des Aufenthalts zuständigen Ausländerbehörde auf die Durchsetzung unaufschiebbarer Maßnahmen. Unaufschiebbare Maßnahmen, für die sich nach Landesrecht eine so genannte Eilzuständigkeit ergeben kann, sind insbesondere
– die Zurückschiebung und die Abschiebung, wenn sie anderenfalls vereitelt oder wesentlich erschwert würden,
– die Beantragung von Abschiebungshaft (§ 62), soweit dies von der zuständigen Ausländerbehörde nicht oder nicht rechtzeitig erfolgen kann,
– die Einbehaltung des Passes (§ 48 Absatz 1) sowie
– die Durchsetzung der räumlichen Beschränkung.

71.1.2.6 Die Befugnis zur Ingewahrsamnahme des Ausländers mit dem Ziel der Beantragung von Abschiebungs- oder Zurückschiebungshaft richtet sich nach § 62 Absatz 4 (vgl. Nummer 58.0.0 und 62.4). Die Befugnis zur Durchsetzung der räumlichen Beschränkung durch Behörden der Länder richtet sich nach Landesrecht.

71.1.2.7 Die Zuständigkeit der Ausländerbehörden nach § 71 Absatz 1 umfasst auch die Prüfung, ob insbesondere bei unaufschiebbaren Maßnahmen eine andere Ausländerbehörde mit der Aufgabenerledigung im Wege der Amtshilfe betraut wird. Bei dieser Prüfung sind im Rahmen der Abschiebung neben den verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Amtshilfe folgende Gesichtspunkte maßgebend:

71.1.2.7.1 – Soweit die Abschiebung voraussichtlich innerhalb von längstens zwei Wochen (vgl. § 62 Absatz 2 Satz 2) vollzogen werden kann, würde eine Rückführung des Ausländers in den Bezirk der nach Landesrecht örtlich zuständigen Ausländerbehörde zu einer vermeidbaren Verzögerung führen. Deshalb hat in diesen Fällen die Ausländerbehörde des Aufgriffsortes die weiteren im Bundesgebiet zur Sicherung der Abschiebung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dazu gehören die Beantragung und der Vollzug der Abschiebungshaft und die Überführung des Ausländers bis zur Grenzbehörde. Die Buchung des Beförderungsmittels für die Abschiebung ist keine unaufschiebbare Maßnahme. Insoweit wird die Ausländerbehörde des Aufgriffsortes stets im Wege der Amtshilfe tätig.

71.1.2.7.2 – Soweit auf Antrag der Ausländerbehörde des Aufgriffsortes die Abschiebungshaft angeordnet und länger als eine Woche vollstreckt wird und weitere Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts erforderlich sind, veranlasst diese Behörde insbesondere dann die Durchführung der Abschiebung, wenn nur sie gegenüber den Vollstreckungsbeamten nach Landesrecht den Vollstreckungsauftrag erteilen kann.

71.1.2.7.3 – Sobald sich herausstellt, dass die Abschiebung voraussichtlich nicht innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann, endet grundsätzlich eine Amtshilfepflicht zur Abschiebung. Der Ausländer kann der zuständigen Ausländerbehörde rücküberstellt werden; die Modalitäten sind zwischen der örtlich zuständigen Ausländerbehörde und der die Amtshilfe leistenden Ausländerbehörde zu klären. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg (Stadtstaaten) können von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wenn die Sicherungshaft (§ 62 Absatz 2) bereits vier Wochen dauert. Es ist jedoch sicherzustellen, dass die Abschiebung nicht vereitelt, erschwert oder verzögert wird.

71.1.2.8.1 Für Asylantragsteller ist nach Maßgabe des AsylVfG die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk der Ausländer zu wohnen verpflichtet ist. Die Zuständigkeit für die Durchsetzung der Verlassenspflicht richtet sich bei Asylbewerbern nach § 59 Absatz 3 AsylVfG. Durch die Ausweisung eines Ausländers wird unbeschadet landesrechtlicher Vorschriften nicht die Zuständigkeit zur Vollstreckung einer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder von einer anderen Ausländerbehörde erlassenen, von der Ausweisung unabhängigen Abschiebungsandrohung begründet.

71.1.2.8.2 Stellt der Ausländer während der Abschiebungshaft einen Asylerstantrag oder wird auf Grund eines Asylfolgeantrages ein weiteres Asylverfahren durchgeführt, ist der Ausländer mit Ausnahme der in § 14 Absatz 3 AsylVfG genannten Fälle aus der Abschiebungshaft zu entlassen und an die zuständige Aufnahmeeinrichtung weiterzuleiten (siehe Nummer 50.1.2.1 Satz 2, 5. Spiegelstrich und § 19 Absatz 1 AsylVfG). Solange das Asylverfahren (einschließlich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, hat die Behörde des Aufgriffsorts- den Ausländer nach der Haftentlassung in die jeweils zuständige Aufnahmeeinrichtung zu verbringen. Sofern das Asylverfahren innerhalb der Haftzeit unanfechtbar abgeschlossen wird, wird der Ausländer nach seiner Entlassung an die zuständige Ausländerbehörde verwiesen, die den Ausländer aufgegriffen und in Haft gebracht hat bzw. in deren Zuständigkeitsbereich die Festnahme erfolgte.

71.1.2.8.3 § 71 Absatz 7 Satz 2 AsylVfG weist unabhängig von einer landesrechtlichen Zuständigkeitsregelung auch der Ausländerbehörde Aufgaben zu, in deren Bezirk sich der Asylfolgeantragsteller aufhält. Diese Vorschrift gilt nur für Ausländer, die einen Asylfolgeantrag gestellt haben und deren Aufenthaltsbeendigung ohne erneute Abschiebungsandrohung oder -anordnung zulässig ist. Die Zuständigkeit der Behörde des Aufgriffsortes ist beschränkt auf Maßnahmen zur Sicherung und Durchführung der Aufenthaltsbeendigung oder der Durchsetzung der Verlassenspflicht nach § 12 Absatz 3 (siehe Nummer 71.1.4.4).

71.1.2.8.4 Die Zuständigkeit erstreckt sich nicht auf die Erteilung einer Duldung und die Beförderung des Ausländers von der Grenzübergangsstelle zum Zielort der Abschiebung im Ausland; insoweit wird auch die nach § 71 Absatz 7 Satz 2 AsylVfG zuständige Ausländerbehörde in Amtshilfe für die nach Nummer 71.1.2.8.1 Satz 1 zuständige Behörde auf Grund einer Kostenübernahmeerklärung tätig.

71.1.2.8.5 Die Ausländerbehörde des Aufgriffsortes (§ 71 Absatz 7 Satz 2 AsylVfG) kann sich ihrer Zuständigkeit durch Überstellung an die im übrigen zuständige Ausländerbehörde begeben; von dieser Möglichkeit kann grundsätzlich jedoch nur unter denselben Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden, unter denen außerhalb der Fälle des § 71 Absatz 7 Satz 2 AsylVfG die Ausländerbehörde des Aufgriffsortes die Amtshilfe ablehnen kann (siehe Nummer 71.1.2.7.3).

71.1.3 Zuständigkeit bei Ortswechsel

71.1.3.1 Geht die Zuständigkeit nach einem ordnungsgemäßen Ortswechsel des Ausländers auf eine andere Ausländerbehörde über, hat diese Ausländerbehörde über den Antrag auf einen Aufenthaltstitel zu entscheiden, der bei der früher zuständigen Ausländerbehörde gestellt und über den noch nicht entschieden worden ist. Die nunmehr zuständige Ausländerbehörde hat die Ausländerakte bei der früher zuständigen Ausländerbehörde nach amtlichem Muster anzufordern. Der Ausländer ist von der Ausländerbehörde des Zuzugsorts über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten.

71.1.3.2 Beantragt der Ausländer einen Aufenthaltstitel und ist danach sein neuer Aufenthaltsort nicht feststellbar, ist der Antrag auch wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses abzulehnen. Erfolgt ein Wechsel der Zuständigkeit erst nach Ablehnung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und ist eine Entscheidung in der Widerspruchssache noch nicht getroffen worden, kommt eine von der bisherigen Entscheidung abweichende Entscheidung durch die neu zuständige Ausländerbehörde nur im Einvernehmen mit der bisher zuständigen Ausländerbehörde in Betracht (z. B. nach Änderung der Sach- und Rechtslage).

71.1.3.3 Ob eine Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts Auswirkungen auf die örtliche Zuständigkeit hat, richtet sich nach den landesrechtlichen Regelungen. Der Ausländer unterliegt in diesen Fällen der Verlassenspflicht nach § 12 Absatz 3 bzw. § 59 AsylVfG mit dem Ziel der Rückkehr in den Bereich der räumlichen Beschränkung des Aufenthalts.

71.1.4 Zuständigkeit im Falle der zwischenzeitlichen Ausreise

71.1.4.1 Grundsätzlich endet die Zuständigkeit der Ausländerbehörde, wenn der Ausländer seine Ausreisepflicht erfüllt hat (§ 50 Absatz 1) oder in den Fällen des § 51 Absatz 1 Nummer 6 und 7. Hinsichtlich eines Wiedereinreisebegehrens richtet sich die Zuständigkeit nach § 71 Absatz 2.

71.1.4.2 Bei unerlaubter Wiedereinreise (§ 14 Absatz 1) nach einem früheren Aufenthalt im Bundesgebiet sind für die Zurückschiebung neben der Grenzbehörde (§ 71 Absatz 3) auch die Ausländerbehörden (z. B. Ausländerbehörde des Aufgriffsortes) und die Polizeien der Länder nach Landesrecht örtlich zuständig. In diesem Fall ist unerheblich, welche Ausländerbehörde vor der Ausreise des Ausländers aus dem Bundesgebiet zuständig war.

71.1.4.3 Die Ausschreibung eines abgeschobenen Ausländers im INPOL und SIS begründet unbeschadet landesrechtlicher Regelungen keine Zuständigkeit der ausschreibenden Ausländerbehörde für Maßnahmen gegen den Ausländer im Falle seiner unerlaubten Wiedereinreise.

71.1.4.4 Eine Zuständigkeit der während des früheren Aufenthalts des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde besteht fort in den Fällen des § 71 Absatz 7 Satz 1 AsylVfG. Die Ausländerbehörde des Aufgriffsortes (§ 71 Absatz 7 Satz 2 AsylVfG) kann sich in diesen Fällen ihrer Zuständigkeit nur entledigen, wenn aus besonderen Gründen (z. B. wegen einer Anhörung bei der zuständigen Außenstelle des Bundesamtes) eine Überstellung erforderlich ist; im Übrigen kann sie sich ihrer Zuständigkeit nur unter den Voraussetzungen begeben, unter denen die Amtshilfe hinsichtlich der weiteren Durchführung der Aufenthaltsbeendigung nicht in Betracht kommt (siehe Nummer 71.1.2.7.3).

71.1.4.5 In den Fällen des Aufgriffs durch die Grenzbehörde sowie der Rücküberstellung an die Grenzbehörde durch andere Staaten ist die Grenzbehörde für die Zurückschiebung (§ 57 Absatz 2) sowie für alle erforderlichen unaufschiebbaren Maßnahmen zuständig (Festnahme, Beantragung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung). Kommen die in § 71 Absatz 3 Nummer 1 genannten Maßnahmen nicht in Betracht, gilt:

71.1.4.5.1 – Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach den landesrechtlichen Vorschriften, die für die Ausländerbehörde gelten, in deren Bezirk der Ausländer aufgegriffen oder überstellt wird.

71.1.4.5.2 – Sofern die Zuständigkeit der während des früheren Aufenthalts im Bundesgebiet zuständigen Ausländerbehörde in den Fällen des § 50 Absatz 4 fortbesteht, werden andere Ausländerbehörden (z. B. des Aufgriffs-, Überstellungs- oder Haftorts) nur im Wege der Amtshilfe tätig (siehe Nummer 71.1.2.5).

71.1.4.5.3 – Wird durch die Grenzbehörde Haft zur Sicherung der Zurückschiebung beantragt, ist in den Fällen einer Asylfolgeantragstellung die Ausländerbehörde, deren Bezirk den Haftort umfasst, nach der Inhaftierung des Ausländers gemäß § 71 Absatz 7 Satz 2 AsylVfG auch zuständige Behörde. Eine Zuständigkeit der Ausländerbehörde des Aufgriffs- bzw. Überstellungsorts nach § 71 Absatz 7 Satz 2 AsylVfG wird nur begründet, wenn der Ausländer sich im Zeitpunkt der Folgeantragstellung in deren Bezirk aufhält. Die nach § 71 Absatz 7 Satz 2 AsylVfG auch zuständige Behörde kann sich ihrer Zuständigkeit nur unter den Voraussetzungen entledigen, unter denen hinsichtlich der weiteren Durchführung der Aufenthaltsbeendigung die Amtshilfe abgelehnt werden kann (siehe Nummer 71.1.2.7.3).

71.1.4.6.1 Ein erfolgloser Ausreiseversuch (d. h. der Ausländer ist nicht in der Lage, der Ausreisepflicht nachzukommen, weil er bei der Einreise in einen anderen Staat an der Grenze zurückgewiesen und etwa der Grenzbehörde überstellt wird) führt zu keiner Beendigung oder Unterbrechung des Aufenthalts im Bundesgebiet und damit unbeschadet landesrechtlicher Vorschriften auch zu keiner Änderung der bisherigen Zuständigkeit.

71.1.4.6.2 Wird der Ausländer nach erfolglosem Ausreiseversuch durch die Grenzbehörde aufgegriffen, ist diese für die in § 71 Absatz 3 Nummer 1 genannten Maßnahmen zuständig. Die örtliche Zuständigkeit für die Abschiebung richtet sich nach den landesrechtlichen Vorschriften, die bis zum Scheitern des Ausreiseversuchs Anwendung gefunden haben. Ist die Ausländerbehörde des Aufgriffsortes danach nicht zuständig, kann diese lediglich im Wege der Amtshilfe mit weiteren unaufschiebbaren Maßnahmen betraut werden (siehe Nummer71.1.2.5 ff.).

71.1.5 Zuständigkeit in Fällen eines Auslandsaufenthalts

71.1.5.1 Für die Bestimmung der Wiedereinreisefrist nach der Ausreise nach § 51 Absatz 1 Nummer 7 ist grundsätzlich die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk der Ausländer zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Fehlt es an einem gewöhnlichen Aufenthalt, ist die Ausländerbehörde zuständig, die den Aufenthaltstitel zuletzt erteilt oder verlängert hat.

71.1.5.2 Für die Befristungsentscheidung nach § 11 Absatz 1 Satz 3 ist, sofern eine Ausweisung verfügt worden ist, grundsätzlich die Ausländerbehörde zuständig, die diese Maßnahme erlassen hat (vgl. Nummer 11.1.3.2.1). Ist keine Ausweisung, jedoch – ggf. mehrfach – eine Abschiebung oder Zurückschiebung erfolgt, ist die Behörde zuständig, die zuletzt die Abschiebung oder Zurückschiebung veranlasst hat.

71.1.5.3 Für die Erteilung der Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 2) ist die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhalten will. Nach § 72 Absatz 1 Satz 2 ist die Ausländerbehörde, die den Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben hat, in der Regel zu beteiligen (vgl. Nummer 72.1.1 f.).

71.1.5.4 Für Seeleute, die sich nicht im Bundesgebiet aufhalten, ist die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk die Reederei ihren Sitz hat, die sie beschäftigt. Für Maßnahmen und Entscheidungen gegenüber Seeleuten ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet ist die Ausländerbehörde des von dem Schiff angelaufenen Hafens zuständig.

71.1.6 Zuständigkeit für die Kostenerfassung

Die Behörde, die im Wege der Amtshilfe oder nach § 71 Absatz 7 Satz 2 AsylVfG für die Sicherung und Durchführung der Abschiebung eines Ausländers tätig wird, hat alle von einem privaten Kostenschuldner (§ 66 Absatz 1 bis 4) zu tragenden Kosten zu erfassen und diese Kostenaufstellung der für die Maßnahme örtlich zuständigen Ausländerbehörde zuzuleiten. Diese Ausländerbehörde fertigt eine Gesamtaufstellung über alle Kosten, die der Kostenschuldner nach § 67 Absatz 1 und 2 zu erstatten hat. Die Amtshilfe umfasst auch die Anordnung einer Sicherheitsleistung (§ 66 Absatz 5). Der Leistungsbescheid (§ 67 Absatz 3) wird – soweit erforderlich – von der für die Maßnahme zuständigen Ausländerbehörde erlassen (vgl. auch Nummer 67.3.2.2.1 bis 67.3.3).

71.2 Zuständigkeit der deutschen Auslandsvertretungen

71.2.1 Über die Erteilung eines Visums (nationales Visum, Schengen-Visum) entscheiden die vom Auswärtigen Amt zur Visumerteilung ermächtigten diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretungen (Auslandsvertretungen), in deren Amtsbezirk der Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Zuständigkeit der Auslandsvertretung ist nur für Ausländer gegeben, die sich im Ausland aufhalten. Die Zuständigkeit der Auslandsvertretung entfällt daher, wenn der Ausländer in das Bundesgebiet zum Zweck der Aufenthaltsnahme eingereist ist. Für die Erteilung von Schengen-Visa sind neben den deutschen Auslandsvertretungen auch die Auslandsvertretungen der Schengener Vertragsstaaten nach Maßgabe des SDÜ zuständig. Für die Verlängerung eines Visums nach der Einreise des Ausländers ist die Ausländerbehörde zuständig (§ 6 Absatz 3). Unterhält die Bundesrepublik Deutschland in einem Staat keine oder keine zur Visumerteilung ermächtigte Auslandsvertretung oder kann die zuständige Auslandsvertretung vorübergehend keine Visa erteilen, richtet sich die Zuständigkeit für die Visumerteilung zu kurzfristigen Aufenthalten nach der Vertretungsregelung der Schengen-Staaten.

71.2.2 Das Visum kann mit Ermächtigung der zuständigen Auslandsvertretung oder des Auswärtigen Amtes ausnahmsweise auch von einer anderen als der für den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Auslandsvertretung erteilt werden.

71.2.3 Die Zuständigkeit der Auslandsvertretungen gemäß Nummer 71.2.1 umfasst auch Anordnungen nach § 47, die Rücknahme und den Widerruf eines Visums, die Feststellung, dass ein Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 6 oder 7 erloschen ist, sowie die Feststellung und Bescheinigung, dass ein Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist.

71.2.4 Belastende Verwaltungsakte der deutschen Auslandsvertretungen sind nach § 68 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 VwGO nicht mit dem Widerspruch angreifbar (vgl. § 52 Nummer 2 Satz 4 VwGO hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts im Klageverfahren).

71.3 Zuständigkeit der mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs betrauten Behörden

71.3.0 Die ausländerrechtliche Zuständigkeit der mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs betrauten Behörden (Grenzbehörden) regelt § 71 Absatz 3 Nummer 1 bis 8 und Absatz 4. Dies umfasst auch die Eintragung von Kontrollstempeln in den Pass oder Passersatz.

71.3.1.1 Für die Zurückweisung ist ausschließlich die Grenzbehörde zuständig (Absatz 3 Nummer 1; siehe Nummer 15.0.1).

71.3.1.2.1 Die Grenzbehörde ist nach Absatz 3 Nummer 1 für die Zurückschiebung von Ausländern zuständig, die beim oder nach dem unerlaubten Grenzübertritt an der Grenze, d. h. im (Binnen)Grenzraum sowie auf einem als Grenzübergangsstelle zugelassenen oder nicht zugelassenen Flughafen bzw. Flug oder Landeplatz, See oder Binnenhafen aufgegriffen werden (siehe Nummer 57.0.2; zur Zurückschiebung durch die Polizeien der Länder vgl. Nummer 71.5.1.1 f.). Die Grenzbehörde kann das Verfahren an die örtlich zuständige Ausländerbehörde abgeben, wenn die Zurückschiebung nicht innerhalb von einer Woche nach Beendigung der Zurückschiebungshaft durchgeführt werden kann. Soweit die Zuständigkeit einer Ausländerbehörde nach Nummer 71.1.2.1 nicht besteht, ist die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk der Ausländer aufgegriffen wurde.

71.3.1.2.2 Die Grenzbehörde ist auch zuständig für die Zurückschiebung von Ausländern, die in das Bundesgebiet bereits eingereist sind, sich danach weiter fortbewegen und in einem anderen Grenzraum oder auf einem als Grenzübergangsstelle zugelassenen oder nicht zugelassenen Flughafen bzw. Flug oder Landeplatz, See oder Binnenhafen angetroffen werden (z. B. Einreise über die deutschfranzösische Grenze und Aufgriff des Ausländers an der deutschdänischen Grenze). Bei Asylbewerbern gelten §§ 18, 18 a AsylVfG.

71.3.1.2.3 Die Grenzbehörde, die eine Zurückschiebung angeordnet hat, ist nach Absatz 3 Nummer 1 für die Befristungsentscheidung nach § 11 Absatz 1 Satz 3 zuständig. Die Ausländerbehörde, deren Zuständigkeit bestand oder besteht (in deren Bezirk sich der Ausländer aufhalten will), ist zu beteiligen (vgl. Nummer 11.1.3.2.2).

71.3.1.3.1 Die Rückführung i. S. v. Absatz 3 Nummer 1 ist die Begleitung eines Ausländers über die Grenze hinaus bis zum Zielort und Überstellung an die Grenzbehörde des Zielstaates aus Anlass der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung bzw. die Übernahme von Ausländern, die von einem anderen Staat nach Deutschland rückgeführt werden (siehe Nummer 57.2). Zur Rückführung gehört auch die so genannte Weiterschiebung (Durchbeförderung) des Ausländers, der von einem anderen Staat durch Deutschland in einen Drittstaat ab oder zurückgeschoben wird.

71.3.1.3.2 Die Rückführung obliegt den Grenzbehörden, soweit nicht die für die aufenthaltsbeendende Maßnahme zuständige Behörde die Rückführung mit eigenen Kräften durchführt (siehe Nummer 57.0.3 und 71.1.1.1). Die Zuständigkeit der Behörde, die die Zurückschiebung oder Abschiebung angeordnet hat, endet nicht mit der Überstellung des Ausländers an die Grenzbehörde. Die Grenzbehörde ist jedoch für die ordnungsgemäße Durchführung der Maßnahme verantwortlich. Scheitert eine Rückführung, regelt die für die Zurückschiebung oder Abschiebung zuständige Behörde das weitere Verfahren.

71.3.1.4 Hinsichtlich der Festnahme und Beantragung von Haft, soweit es i. S. v. Absatz 3 Nummer 1 zur Vorbereitung und Sicherung vorstehender Maßnahmen erforderlich ist, siehe Nummer 62.3.4, 15.5 und 57.3.2.

71.3.2.1 Die Grenzbehörde ist nach § 71 Absatz 3 Nummer 2, § 14 Absatz 2 zuständig für die Erteilung von Ausnahme-Visa in Form von Schengen-Visa und von nationalen Visa sowie für die Erteilung eines Passersatzes. Gleiches gilt nach § 71 Absatz 3 Nummer 2 für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 a Absatz 2 a (vgl. Nummer 60 a.2 a.1).

71.3.2.2 Die Grenzbehörde hat einen Ausländer, dem ein Visum oder Passersatz an der Grenze versagt wird, auf die Möglichkeit einer Antragstellung bei der zuständigen Auslandsvertretung hinzuweisen (§ 83 Absatz 1 Satz 2). Hinsichtlich der Formerfordernisse wird auf § 77 Absatz 2 verwiesen.

71.3.3 Die Grenzbehörde ist zuständig für den Widerruf eines Visums

71.3.3.1 – auf Ersuchen einer deutschen Auslandsvertretung oder einer Auslandsvertretung eines anderen Schengen-Staates oder der für den künftigen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde, die der Erteilung des (nationalen) Visums zugestimmt hat. Soll ein Visum nach § 71 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b) auf Ersuchen einer Auslandsvertretung, die das Visum erteilt hat, widerrufen werden, so übermittelt die Auslandsvertretung ihren Widerrufsbescheid an das Bundespolizeipräsidium, damit die deutschen Grenzbehörden in Vollzugshilfe die Bekanntgabe und die weiteren erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen vornehmen können. Im Übrigen bleibt es den Grenzbehörden unbenommen, alle sonstigen durch Auslandsvertretungen übermittelten Erkenntnisse und Informationen in eigene Entscheidungen einfließen zu lassen und über den Widerruf eines Visums nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

71.3.3.2 – in den Fällen des § 52 Absatz 1 Nummer 3 auch ohne Ersuchen der ausstellenden Behörde, wenn der Ausländer zugleich gemäß § 15 zurückgewiesen wird (z. B. auf Grund einer Ausschreibung zum Zweck der Einreiseverhinderung nach § 50 Absatz 7 oder Einreiseverweigerung nach Artikel 96 Absatz 3 SDÜ).

71.3.4.1 Für die Anordnung eines Ausreiseverbots ist grundsätzlich die Ausländerbehörde zuständig. Die Grenzbehörde ist dann zuständig, wenn dies zur Verhinderung der Ausreise an der Grenze erforderlich ist (siehe Nummer 46.2.4).

71.3.4.2 Die Zuständigkeit der Grenzbehörde für die Zurückweisung oder Zurückschiebung umfasst auch die Geltendmachung der Kosten nach Maßgabe des § 67 Absatz 3 durch einen Leistungsbescheid. Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung gilt § 66 Absatz 5. Die Sicherheitsleistung kann auch die Kosten der Abschiebung umfassen (siehe Nummer 66.5.4.1 f.).

71.3.5 Die Grenzbehörde ist für die Prüfung zuständig, ob die in §§ 63 bis 65 genannten Pflichten eingehalten werden. Die Grenzbehörde ist auch für die Androhung, Anordnung und Beitreibung von Zwangsgeld gegen Beförderungsunternehmer und die damit verbundenen Maßnahmen zuständig.

71.3.6 Nicht belegt.

71.3.7 Entsprechend den Erfordernissen der Praxis ist die Zuständigkeit für die Beschaffung von Heimreisedokumenten für Ausländer einzelner Staaten beim Bundespolizeipräsidium konzentriert.

71.3.8 Durch Nummer 8 wird klargestellt, dass die Grenzbehörden die durch Artikel 11 Anhang VIII Schengener Grenzkodex vorgesehenen Bescheinigungen über die Einreise erteilen dürfen. Diese Bescheinigungen sind bei fehlendem Einreisekontrollstempel zu erteilen, wenn Ort und Zeit der Einreise über eine Schengen-Außengrenze nachgewiesen werden. Die Zuständigkeit der Ausländerbehörden nach § 71 Absatz 1 bleibt unberührt.

71.4 Erkennungsdienstliche Maßnahmen

Die Zuständigkeit der Ausländerbehörden, der Grenzbehörde und der Polizeien der Länder umfasst unbeschadet asylrechtlicher Vorschriften die Durchführung der auf Grund ausweisrechtlicher Pflichten im Einzelfall angezeigten Maßnahmen nach § 48 und der erkennungsdienstlichen Maßnahmen in ihrem Tätigkeitsbereich nach § 49 Absatz 2 bis 9. Für erkennungsdienstliche Maßnahmen im Rahmen der Verteilung nach § 15 a sind auch die nach § 15 a Absatz 1 Satz 5 von den Ländern bestimmten Stellen zuständig. Für erkennungsdienstliche Maßnahmen bei der Beantragung eines nationalen Visums (§ 6 Absatz 4) sind die ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig.

71.5 Zuständigkeit der Polizeien der Länder

71.5.0 Auch die Polizeien der Länder sind zuständig für die
– Zurückschiebung (§ 57),
– Durchführung der Abschiebung (§ 58),
– Durchsetzung der Verlassenspflicht nach § 12 Absatz 3,
– Festnahme und Beantragung von Haft zum Zweck der Vorbereitung und Sicherung der Zurückschiebung oder Abschiebung (siehe Nummer 62.0.3.0).
Soweit die Länder keine Regelungen bezüglich der Aufgabenwahrnehmung im Rahmen der parallelen Zuständigkeit von Ausländerbehörde und Polizei getroffen haben, gelten die nachfolgenden Vorschriften.

71.5.1.1 Neben den Ausländerbehörden und der Grenzbehörde sind die Polizeien der Länder für die Zurückschiebung originär zuständig (siehe Nummer 71.1.1.2), wenn aus Anlass ihrer Aufgabenwahrnehmung ein unerlaubt eingereister Ausländer aufgegriffen wird (z. B. anlässlich einer Personen bzw. Verkehrskontrolle oder einer Razzia). Die Zuständigkeit umfasst auch die Vorbereitung, Sicherung und Durchführung der Zurückschiebung (z. B. Beschaffung von Heimreisedokumenten, Vorführung des Ausländers bei der Auslandsvertretung, Buchung der Heimreise, Erlass eines Leistungsbescheids, Transport zur Grenze, zur Justizvollzugsanstalt oder zum Flughafen). Zur Kostenerhebung siehe Nummer 71.5.4.1 und 67.3.0.2.3.

71.5.1.2 Nach Wegfall der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der Schengen-Staaten kommt der Kontrolle von Ausländern im Inland im Hinblick auf die unerlaubte Einreise und den unerlaubten Aufenthalt eine besondere Bedeutung zu. Diese umfasst die Eintragung von Kontrollstempeln in den Pass oder Passersatz. Eine Zurückschiebung durch die Polizeien der Länder kommt danach insbesondere in Betracht, wenn sie anlässlich einer Personenkontrolle feststellen, dass ein Ausländer

71.5.1.2.1 – ohne erforderliches Visum unerlaubt eingereist ist (§ 14 Absatz 1 Nummer 2) oder

71.5.1.2.2 – mit einem nationalen Aufenthaltstitel eines Schengen-Staates für einen Kurzaufenthalt eingereist ist, er jedoch zum Zeitpunkt der Einreise die weiteren Voraussetzungen nach Artikel 21 SDÜ nicht erfüllt, insbesondere weil er von einer deutschen Behörde (z. B. § 11 Absatz 1 i. V. m. Artikel 96 Absatz 3 SDÜ) oder einer Behörde eines anderen Schengen-Staates (Artikel 96 Absatz 3 SDÜ) im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben worden ist.

71.5.2.1 Die Polizeien der Länder sind unbeschadet landesrechtlicher Vorschriften im Rahmen der Abschiebung nur für die Durchführung dieser Maßnahme (Vollstreckung als Realakt) zuständig. Für eine Androhung, Ankündigung oder Anordnung der Abschiebung bleibt die Ausländerbehörde zuständig. Die Vollstreckungsbehörde erteilt nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften den Polizeien der Länder den Vollstreckungsauftrag. Insoweit erfüllen die Polizeien der Länder die Funktion der Vollstreckungsbeamten.

71.5.2.2 Zur Durchführung der Abschiebung gehören Maßnahmen des Vollzugs einschließlich der Anwendung von Zwangsmitteln, insbesondere die Überstellung des Ausländers von dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort zur Grenzbehörde (z. B. Grenzübergangsstelle, Flughafen) und das Festhalten des Ausländers während der Überstellung (freiheitsbeschränkende Maßnahme), aber auch Sicherungs- und Vorbereitungsmaßnahmen wie die Beschaffung von Heimreisedokumenten, die Vorführung des Ausländers bei der Auslandsvertretung zum Zwecke der Ausstellung von Heimreisedokumenten (§ 82 Absatz 4), die Anordnung der Passvorlage und die vorübergehende Einbehaltung des Passes, Passersatzes oder Ausweisersatzes (§ 48 Absatz 1), die Anordnung einer Sicherheitsleistung (§ 66 Absatz 5) und das Durchsuchen des Ausländers und seiner Sachen nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften.

71.5.3 Die Polizeien der Länder sind originär für die Festnahme und Beantragung von Abschiebungs und Zurückschiebungshaft zuständig.

71.5.3.1 Die Festnahme richtet sich nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften über die Ingewahrsamnahme von Personen (Ordnungs- bzw. Polizeirecht; vgl. aber § 62 Absatz 4 sowie Nummer 58.0.0 und 62.4). Sie kommt insbesondere zur Sicherung der Zurückschiebung oder Abschiebung in Betracht.

71.5.3.2 Die Festnahme eines nach § 50 Absatz 7 zur Festnahme ausgeschriebenen Ausländers, ist nach Maßgabe des § 62 Absatz 4 zulässig (vgl. Nummer 62.4). Der festgenommene Ausländer ist unverzüglich einem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

71.5.4.1 Die Zuständigkeit der Polizeien der Länder für die Abschiebung und Zurückschiebung umfasst auch die Geltendmachung der Kosten nach Maßgabe des § 67 Absatz 3 durch einen Leistungsbescheid.

71.5.4.2 Die Landespolizeibehörde, die eine Zurückschiebung angeordnet hat, ist auch für die Befristungsentscheidung nach § 11 Absatz 1 Satz 3 zuständig. Die Ausländerbehörde, deren Zuständigkeit bestand oder besteht (in deren Bezirk sich der Ausländer aufhalten will), ist zu beteiligen (vgl. Nummer 11.1.3.2.1).

71.5.5 Die Polizeien der Länder sind für die Durchsetzung der räumlichen Beschränkung zuständig, wenn sie aus Anlass ihrer originären Aufgabenwahrnehmung einen Ausländer aufgreifen, der sich in einem Teil des Bundesgebiets aufhält, in dem er sich nicht aufhalten darf.

71.5.6 Die Ausländerbehörden haben die Polizeien der Länder auf Ersuchen, insbesondere in unaufschiebbaren Fällen, fachlich zu unterstützen, auch wenn diese im Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeit tätig werden.

71.6 Anerkennung ausländischer Pässe und Passersatzpapiere

Ein ausländischer Pass oder Passersatz wird ausschließlich vom Bundesministerium des Innern im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt anerkannt (vgl. im Einzelnen Nummer 3.1.6 ff.). Das Bundesministerium des Innern hat bislang nicht von der in Absatz 6 normierten Ermächtigung Gebrauch gemacht, die Zuständigkeit der Pass(ersatz)anerkennung auf eine von ihm bestimmte Stelle zu übertragen.

> Top