Gesetz:
Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)
Paragraph:
§ 11 [Ausschlussgründe bei Anspruchseinbürgerung]
Autor:
Dienelt
Stand:
Dienelt in: OK-MNet-StAG (03.02.2011)

I. Verfassungsfeindliche Bestrebungen

1. Allgemeines

2. Nachweisproblematik

1. Allgemeines

Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 besteht ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.

Nach dem Sinn und Zweck des § 11 Satz 1 Nr. 2 sollen diejenigen keinen Anspruch auf Einbürgerung haben, bei denen zumindest der begründete Verdacht besteht, dass sie Bestrebungen gegen Schutzgüter unterstützen, die für den deutschen Staat, in den sie eingebürgert werden wollen, wesentlich sind.

BVerwG, U. v. 22.02.2007 – 5 C 20.05 –

Für § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG sind nur die in dieser Bestimmung genannten Schutzgüter von Bedeutung. Einerseits wird nicht bereits jedes unter Strafrechtsschutz stehende Rechtsgut von § 11 Satz 1 Nr. 2 erfasst, andererseits setzt § 11 Satz 1 Nr. 2 aber auch keine strafgerichtliche Verurteilung voraus. Ob die Verurteilung wegen einer Straftat dem Anspruch auf Einbürgerung entgegensteht, beurteilt sich nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 12a.

BVerwG, U. v. 22.02.2007 – 5 C 20.05 –, Rn. 15

§ 11 Satz 1 Nr. 2 StAG schließt einen Anspruch auf Einbürgerung nicht erst dann aus, wenn der Ausländer Handlungen unterstützt hat, die die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen. Für den Anspruchsausschluss nach § 11 Satz 1 Nr. 2 genügt es vielmehr, wenn der Ausländer ungeachtet späterer möglicher tatsächlicher Beeinträchtigungen bereits vorgelagert Bestrebungen unterstützt hat, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet sind. Nach § 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB sind im Sinne des Strafgesetzbuches Bestrebungen gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen. Für § 11 Satz 1 Nr. 2 ist nicht erforderlich, dass die Bestrebungen auch objektiv geeignet sind, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen. Es genügt, wenn der Träger der Bestrebungen mit ihnen das Ziel verfolgt, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen.

BVerwG, U. v. 22.02.2007 – 5 C 20.05 –, Rn. 16

Bezogen auf solche Bestrebungen setzt § 11 Satz 1 Nr. 2 jedenfalls voraus, dass der Ausländer eine solche unterstützt hat. Wenn das Gesetz von Bestrebungen im Plural spricht, bedeutet das nicht, dass nur das Unterstützen von mehr als einer solchen Bestrebung relevant wäre. Vielmehr steht der Plural nur für die Vielzahl möglicher Bestrebungen gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.

BVerwG, U. v. 22.02.2007 – 5 C 20.05 –, Rn. 17

Der Begriff des Unterstützens erfasst jede Handlung des Ausländers sei, die für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 objektiv vorteilhaft ist. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen solcher Bestrebungen verstanden werden. Bereits aus der Wortbedeutung des Unterstützens ergibt sich, dass nur solche Handlungen ein Unterstützen sind, die eine Person für sie erkennbar und von ihrem Willen getragen zum Vorteil der genannten Bestrebungen vornimmt. Die Unterstützungshandlung muss für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein.

BVerwG, U. v. 22.02.2007 – 5 C 20.05 –, Rn. 18

Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 ist ein Anspruch auf Einbürgerung bereits dann ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer solche Bestrebungen unterstützt hat. Zum Ausschluss eines Einbürgerungsanspruchs genügt also der begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Jedoch ist ein Anspruch nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG nur dann ausgeschlossen, wenn das Handeln oder der Verdacht sich gerade auf ein Unterstützen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG richtet, also die Tat, deren der Ausländer verdächtig ist, für den Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, ein Unterstützen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG darstellt.

BVerwG, U. v. 22.02.2007 – 5 C 20.05 –, Rn. 19

2. Nachweisproblematik

Für die Ausschlussgründe für eine Einbürgerung nach § 11 Satz 1 Nr. 1 ("verfassungsfeindliche Bestrebungen") ist die Einbürgerungsbehörde darlegungs- und beweisbelastet, selbst wenn sie sich wegen der Geheimhaltungsbedürftigkeit von Erkenntnisquellen der Verfassungsschutzbehörden in einem sachtypischen Beweisnotstand befindet .

OVG RP, B. v. 17.02.2009 – 7 A 11063/08 –, unter Hinweis auf BVerwG, U. v. 21.05.2008 – 6 C 13.07 –

Die Beweislast richtet sich nach dem Normbegünstigungsprinzip, d.h. die Behörde ist hier darlegungs- und beweisbelastet für die den Anspruch ausschließenden Umstände. Für die Tatsachenfeststellung bestrittener Tatsachen gilt insoweit das Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugung nach § 108 Abs. 1 VwGO, selbst wenn sich die Behörde etwa wegen Vertraulichkeitszusagen oder aus Gründen des Quellenschutzes aufgrund einer berechtigten Verweigerung der Aktenvorlage nach Maßgabe des § 99 VwGO in einem sachtypischen Beweisnotstand befindet.

Geheimgehaltene Vorgänge können im Rechtsstaat nur unter strengen Voraussetzungen zu Lasten eines Rechtsuchenden berücksichtigt werden. Dem hat der Gesetzgeber bereits in § 99 VwGO Ausdruck verliehen. Solche Vorgänge sind im Verwaltungsstreitverfahren nur dann für entscheidungserheblich verwertbar, wenn die zuständige oberste Aufsichtsbehörde durch ihren Leiter oder seinen Vertreter auf Grund dessen persönlich gewonnener Erkenntnis und Überzeugung bestätigt hat, dass der Inhalt dem Begehren des Rechtsuchenden entgegensteht und aus übergeordneten Gründen nicht offenbarungsfähig ist. Anderenfalls müssen sie entweder der gerichtlichen Nachprüfung zugänglich gemacht werden oder unberücksichtigt bleiben.

BVerwG, U. v. 01.07.1975 – 1 C 44.70 –, BVerwGE49, 44

Die Beweisführung mittels eines sogenannten schlichten Behördenzeugnisses, d.h. etwa einer Auskunft der Verfassungsschutzbehörden, ist ebenso wenig von vornherein ausgeschlossen wie die Berücksichtigung des Zeugnisses eines "Zeugen vom Hörensagen".

Das Gericht ist gehalten, den Beweiswert dieses weniger sachnahen Beweismittels besonders sorgfältig zu prüfen. Dies gilt vor allem dann, wenn ein Polizeifahnder oder Gewährsmann nur deshalb nicht als Zeuge gehört werden kann, weil die zuständige Behörde sich weigert, seinen Namen und seine Anschrift preiszugeben oder eine Aussagegenehmigung zu erteilen. Hier darf das Gericht nicht übersehen, dass es die Exekutive ist, die eine erschöpfende Sachaufklärung verhindert und es den Verfahrensbeteiligten unmöglich macht, die persönliche Glaubwürdigkeit des im Dunkeln bleibenden Fahnders oder Gewährsmanns zu überprüfen.

BVerfG, B. (Kammer) v. 19.07.1995 – 2 BvR 1142/93 – m.w.N.

Der Zeuge vom Hörensagen ist – als eine Form des "mittelbaren Beweises" – ein nach der Strafprozessordnung zulässiges Beweismittel, dessen Heranziehung und Bewertung nach den §§ 244 Abs. 2, 261 StPO zu beurteilen ist.

BVerfG, B. (Kammer) v. 11.04.1991 – 2 BvR 196/91 –

Die gerichtliche Beweiswürdigung eines Zeugen vom Hörensagen unterliegt besonderen Anforderungen, die aus dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sich die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Das Gericht muss sich der Gefahren der beweisrechtlichen Lage, also vor allem der besonderen Richtigkeitsrisiken in Ansehung anonym gebliebener Personen, deren Wissen durch einen Zeugen vom Hörensagen eingeführt wird, sowie der sich daraus ergebenden Grenzen seiner Überzeugungsbildung bewusst sein. Die Angaben der Gewährsperson genügen danach regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte - die etwa im Blick auf Einlassungen des Betroffenen oder in Gestalt objektiver Umstände gegeben sein können - gestützt oder bestätigt werden.

BVerfG, B. (Kammer) v. 19.07.1995 – 2 BvR 1142/93 –
VGH BW, U. v. 27.03.1998 – 13 S 1349/96 – juris

Sind bereits die von einem Vernehmungsbeamten wiedergegebenen Aussagen besonders kritisch zu würdigen, so gilt dies erst recht bei Vorlage eines Behördenzeugnisses. Auf die Feststellungen in einem Behördenzeugnis kann eine Entscheidung nur dann gestützt werden, wenn die Angaben durch andere wichtige Beweisanzeichen bestätigt worden sind.

OVG RP, B. v. 17.02.2009 – 7 A 11063/08 –