Begrenzung der Haftung aus Verpflichtungserklärungen für Unterstützer von Flüchtlingen möglich

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Angesichts des Elends tausender syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge haben sich in Deutschland viele Menschen bereit erklärt, mit ihrem Einkommen und Vermögen zu haften, um Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Nun zeigt sich ein Weg aus der Haftungsfalle, die mit der Abgabe einer sogenannten Verpflichtungserklärung verbunden ist.

Kostenforderungen der Sozialbehörden aufgrund von Ansprüchen aus Verpflichtungserklärungen sind insbesondere in den Bundesländern fragwürdig, in denen die jeweiligen Regierungen oder Behörden ausdrücklich die Auskunft gegeben hatten, dass Verpflichtungserklärungen auf die Zeit bis zur Flüchtlingsanerkennung begrenzt seien – dies dürfte in den Bundesländern Bremen, Hessen, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz und Thüringen der Fall gewesen sein. An diese Sachlage knüpfte eine Kleine Anfrage der Linksfraktion mit folgender Frage an: „Wie begründet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales finanzielle Rückforderungen durch die Jobcenter im Zusammenhang mit der Aufnahme syrischer Flüchtlinge nach Verpflichtungserklärungen in oft fünfstelliger Höhe in Bezug auf Zeiten nach .einer Flüchtlingsanerkennung, insbesondere auch in den Bundesländern, in denen die Innenministerien oder Behörden Bürgenden erklärt hatten, dass die Bürgschaftsverpflichtung spätestens mit einer Flüchtlingsanerkennung enden würde.“

Siehe hierzu auch eine Kleine Anfrage der Linksfraktion: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/057/1805799.pdf

In der Rechtsprechung war es lange umstritten, ob die Bürgschaftspflicht mit der Anerkennung im Asylverfahren endet oder nicht. Nachdem es zunächst einige positive Urteil im Sinne der Betroffenen gab, hat das Bundesverwaltungsgericht die Frage im Januar 2017 entschieden, dass die Haftung aus Verpflichtungserklärungen mit der Flüchtlingsanerkennung nicht entfallen (BVerwG, Urt. v. 26.01.2017 - 1 C 10.16).

Die Koalition hatte zuvor mit ihrer Mehrheit die rechtlich umstrittene Frage mit dem Integrationsgesetz mit Wirksamkeit zum 6.8.2016 für die Zukunft geklärt: Nach dem nunmehr gültigen § 68 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes endet die Bürgschaftspflicht grundsätzlich erst nach fünf Jahren (in Fällen bis zur Gesetzesänderung: drei Jahre) – ausdrücklich soll eine Flüchtlingsanerkennung hieran nichts ändern. DIE LINKE. hat, wie auch viele Verbände, die Kirchen und Sachverständige, diese gesetzliche Regelung – leider vergeblich – als völlig unzureichend kritisiert.

Nun teilt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf die Kleine Anfrage Folgendes mit:

„Nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes hat derjenige, der sich gegenüber der Ausländerbe­hörde oder einer Auslandsvertretung verpflichtet, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, grundsätzlich sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers aufgewendet werden . Der Erstattungsanspruch steht in der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Jobcentern zu. Die Rückforderung steht nicht im Ermessen der betreffenden Behörden. Vielmehr sind die Jobcenter gegenüber Verpflichtungsgebern grundsätzlich zur Geltendmachung von Erstattungsansprüchen verpflichtet. Davon kann allerdings nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2014 in atypischen Fällen abgewichen werden. Wann ein solcher Ausnahme fall vorliegt, ist anhand einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. In diese Betrachtung können zum Beispiel die konkreten Umstände der Abgabe einer Verpflichtungserklärung und daraus möglicherweise unverschuldeter Fehlvortellungen über die Dauer der Verpflichtung einbezogen werden. Zu den in Betracht kommenden Billigkeitsmaßnahmen gehört darüber hinaus auch der Erlass einer Forderung auf der Grundlage von § 44 SGB II.“

Wird nicht auf die Forderung verzichtet, so bleibt die Möglichkeit, die Verpflichtungserklärung anzufechten. So hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden (Urteil vom 9.12.2016 – 4 K 545/16.Wi) in einem Einzelfall die Bürgenden von der Haftung freigestellt, weil sie bei ihrer Erklärung von falschen Voraussetzungen und Vorstellungen ausgegangen seien und die Verpflichtungserklärung deshalb nichtig sei.