Auswirkungen des Brexits auf Einreise- und Aufenthaltsrechte

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Die Bürger des Vereinigten Königreichs haben am 23. Juni 2016 für den Austritt aus der EU gestimmt. Am 29. März 2017 hat das Vereinigte Königreich dem Europäischen Rat förmlich seine Absicht mitgeteilt, aus der EU auszutreten. Der Europäische Rat hat am 17. Oktober 2019 das von den Verhandlungsführern beider Seiten vereinbarte Austrittsabkommen gebilligt. Er hat außerdem die überarbeitete politische Erklärung über den Rahmen für die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich gebilligt.

Das Europäische Parlament hat am 29. Januar das Austrittsabkommen des Vereinigten Königreichs angenommen, das die EU und das Vereinigte Königreich am 24. Januar unterzeichnet hatten. Der Rat hat im Wege des schriftlichen Verfahrens den Beschluss über den Abschluss des Austrittsabkommens im Namen der EU angenommen.

Das Austrittsabkommen wird mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, d. h. am 31. Januar 2020 um Mitternacht (MEZ), in Kraft treten. Von diesem Zeitpunkt an wird das Vereinigte Königreich kein Mitgliedstaat der EU mehr sein und als Drittstaat gelten. Dies hätte unmittelbar zur Folge, dass sich die Rechtsstellung von britischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen nicht mehr nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU richtet, sondern nach dem Aufenthaltsgesetz. 

Dieses Ergebnis wird durch das Gesetz für den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit-Übergangsgesetz - BrexitÜG) vermieden. Denn dieses Gesetz, das nach § 4 mit dem Austritt Inkraft gesetzt wurde, bestimmt in § 1, dass das Vereinigte Königreich während des Übergangszeitraums fiktiv als Mitgliedstaat der EU  anzusehen ist (Einzelheiten finden sich unter § 1 Freizügigkeit (Anwendungsbereich) im Online-Kommentar zum FreizügG/EU).

Das Austrittsabkommen gewährleistet einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union. Gegenstand des Abkommens sind die Rechte der Bürger, Finanzbestimmungen, ein Übergangszeitraum, Protokolle zu Irland/Nordirland, Zypern und Gibraltar und sonstige Trennungsbestimmungen. Mit dem Inkrafttreten des Austrittsabkommens endet die Frist nach Artikel 50 EUV und beginnt der Übergangszeitraum, der bis zum 31. Dezember 2020 dauert. Der in dem Austrittsabkommen vorgesehene Übergangszeitraum gibt den Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen mehr Zeit für die Anpassung.

Das Vereinigte Königreich wird während des Übergangszeitraums weiterhin das Unionsrecht anwenden, aber nicht mehr in den Institutionen der EU vertreten sein. Der Übergangszeitraum kann nach Artikel 132 Abs. 1 des Austrittsabkommens einmal um höchstens ein oder zwei Jahre verlängert werden, wenn dies beide Seiten vor dem 1. Juli 2020 beschließen. Da britische Staatsangehörigen nach dem Austritt während der Übergangsphase als Unionsbürger gelten, findet nach § 1 FreizügG/EU das Freizügigkeitsgesetz weiterhin uneingeschränkt auf sie Anwendung.

Die Verhandlungen über die künftige Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich werden beginnen, sobald das Vereinigte Königreich die EU verlassen hat. Der Rahmen für die künftigen Beziehungen ist in der von beiden Seiten im Oktober 2019 vereinbarten politischen Erklärung festgelegt. Der Austrittsvertrag legt auch die Rechte der EU-Bürger und ihrer Familienangehörigen im Vereinigten Königreich und umgekehrt die Rechte der Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs und ihrer Familienangehörigen in der EU fest.

Der Austrittsvertrag legt in Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a fest, dass Unionsbürger, die ihr Recht auf Aufenthalt im Vereinigten Königreich vor Ende des Übergangszeitraums im Einklang mit dem Unionsrecht ausgeübt haben und danach weiter dort wohnen, erfasst werden. Gleiches gilt umgekehrt für britische Staatsangehörige. Die Aufenthaltsrechte werden durch Übernahme der Regelungen des geltenden EU-Recht fortgeführt. Dabei bestimmt Artikel 39 einen lebenslangen Schutz der bisher freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, solange sie die Voraussetzungen der Freizügigkeit weiter erfüllen. Entfällt die Freizügigkeit, so verliert der Unionsbürger bzw. der Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs sein Aufenthaltsrecht auf Grundlage des Austrittsvertrages. Die Frage, ob er ausreisen muss, ist dann von dem jeweiligen nationalen Recht abhängig.

Durch die Begriffsbestimmung in Artikel 9 Buchstabe a des Austrittsvertrags wird der Begriff der Familienangehörigen im Einklang mit dem geltenden Unionsrecht definiert. Nachfolgende Familienangehörige unterfallen dem Abkommen, wenn sie vor Ende des Übergangszeitraums im Einklang mit dem Unionsrecht im Aufnahmestaat wohnen:

  • Ehegatten,
  • Lebenspartner,
  • Familienangehörige in absteigender Linie bis zum 21. Lebensjahr, d.h. Kinder und Enkelkinder, Familienangehörige in absteigender Linie ab dem 21. Lebensjahr, wenn ihnen Unterhalt gewährt wird,
  • Familienangehörige in aufsteigender Linie, d.h. Eltern und Urgroßeltern, wenn ihnen Unterhalt gewährt wird.

Familienangehöriger ist man in den beiden letzten Fallgruppen nur dann, wenn das Merkmal Unterhalt gewähren vorliegt. Auch drittstaatsangehörige Familienangehörige genießen Freizügigkeit nach dem Austrittsabkommen, sofern sie diese von dem werden erfasst. Da britische Staatsangehörige und ihre Familienangehörigen weiterhin dem Freizügigkeitsgesetz/EU unterfallen, sind ihnen während des Übergangszeitraums Freizügigkeitsbescheinigungen nach § 5 Abs. 1FreizügG/EU auszustellen.